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Eastwood wird (ein bisschen) übersinnlich: Filmkritik zu "Hereafter - Das Leben danach"

George Lonegan (Matt Damon) hat eine besondere Gabe, die er jedoch vornehmlich als Last sieht: Er kann mit den verstorbenen Verwandten einer Person, die ihn körperlich berührt, kommunizieren. Sein Bruder Billy (Jay Mohr) versuchte einst, aus Georges "Talent" Geld zu machen, doch mittlerweile möchte George diese Gabe nur noch verschließen und hat deswegen einen normalen Job in einer Fabrik angenommen. Zur gleichen Zeit überlebt die französische Journalistin Marie Lelay (Cecile de France) knapp die Flutkatastrophe in Sri Lanka und fühlt sich daraufhin zum Leben nach dem Tod hingezogen... was ihre Kollegen mit deutlicher Skepsis zurückweisen. Und auch die jungen Zwillinge Marcus (Frankie MacLaren) und Jason (George MacLaren) werden durch einen verheerenden Vorfall mit dem Tod und dem möglichen Leben, welches danach kommt, konfrontiert.

Clint Eastwood hat im Laufe seiner langen Regie-Karriere (die sich laut eigenen Aussagen ja nun wirklich dem Ende neigt, da er nun seinen letzten Film angekündigt hat) in den verschiedensten Genres gegraben, doch einem wirklich übersinnlichen Thema hat er sich eigentlich nie hingegeben. Im Jahr 2011 änderte sich das, als er mit "Hereafter" dem schier übergroßen Thema des Leben nach dem Todes einen Film widmen wollte. Doch Eastwood wäre nicht Eastwood, wenn hier nun ein kruder, vielleicht sogar wahnwitzig religiöser Fantasy-Streifen auf uns warten würde. Wie kaum einem anderen Regisseur gelingt es ihm nämlich, auch dieses heiß diskutierte Thema noch glaubwürdig und sogar nachvollziehbar zu gestalten, indem er sich so gut wie gar nicht mit dem "Ort" nach dem Tod aufhält, sondern sich auf die Menschen konzentriert, die noch leben... und mit diesem Platz und den Menschen darin in Verbindung treten möchten. Und da alle drei Hauptfiguren ganz klare Motivationen und Hintergründe haben, ist sogar dieser Ausflug ins zumindest Teil-Surreale noch eine sehr bodenständige Angelegenheit, die sich vordergründig als menschliches Drama beschreiben lässt.
Dabei bleibt Eastwood bezüglich des "Hereafter" nicht nur angenehm vage, sondern gar selbst skeptisch - laut eigener Aussage glaubt er gar selbst nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. Vielleicht kommt deswegen diese Note auch so deutlich rüber: Eastwood verbringt viel Zeit damit, eben diese Ebene des Seins entweder als Täuschung oder auch als Surrealismus abzutun, hält aber auch Karten bereit, die es möglich machen, an diese weitere Reise zu glauben. Das mag nun vielleicht etwas abgehoben klingen, doch der "Million Dollar Baby"-Regisseur bleibt glaubhaft genug, um uns sogar mit diesem Thema noch zu bannen... und es fast für bare Münze nehmen zu wollen. Einen Knick trägt der Film, der sehr ruhig und beinahe melancholisch abläuft, jedoch durch eine Krux davon, die Eastwood schon immer mit sich herumträgt: Rein inszenatorisch verfällt Eastwood auch hier bisweilen wieder dem melodramatischen Kitsch, was sich besonders an einer extrem überzeichneten Musikuntermalung sowie einigen Szenen abzeichnet, die man nur als buntes Klischee beschreiben kann. Hier wirkt die Welt des Films dann doch etwas zu rosa und Eastwood gibt sich den etwas überzeichneten Gefühlen seiner Figur einmal zu oft hin.
Schwierig ist auch die Tatsache, dass "Hereafter" aus drei lange Zeit für sich stehenden Plots besteht, von denen einer die anderen beiden deutlich aussticht. So ist die Handlung rund um das Medium George, welcher seine Gabe nur noch als Last versteht und unter ihr förmlich zu ersticken und sein eigenes Leben zu vergessen droht, in jeder Faser bewegend und aufwühlend. Ganz besonders anrührend ist dabei eine Szene, in welcher George versucht, den Kontakt zu einer Frau herzustellen, wobei ihm seine Gabe jedoch wieder im Weg steht. Im direkten Vergleich liefern die beiden anderen Handlungsstränge zwar mehr Knalleffekte (wobei besonders der Auftakt nicht nur visuell, sondern auch inszenatorisch enorm viel Kraft bietet), sind aber wesentlich weniger spannend erzählt. Dabei schlägt die Dynamik immer wieder tiefe Löcher, wenn wir von den energetischen Szenen rund um Matt Damon (der mal wieder absolut fantastisch und angenehm zurückhaltend agiert) losgelöst werden und zu den anderen Plots zurückkehren müssen. Gegen Ende, wenn Eastwood diese Handlungen aber kreativ verästelt, lohnt sich diese oft etwas langatmige Aneinanderreihung von dramatischen Geschichten rund um den Tod dennoch, um ein rundes Gesamtbild zu ergeben.

Fazit: Clint Eastwood hält sich sogar bei einem Film über das Leben nach dem Tod zurück, was hier nur stimmig ist. Obwohl eine seiner drei Geschichten wesentlich packender und bewegender ist als die anderen beiden, kann er der Thematik seinen eigenen, nuancierten Stempel aufdrücken... zumindest, solange er den Kitschfaktor drosselt, was leider nicht immer der Fall ist.

Note: 3+



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