Direkt zum Hauptbereich

Die biologische Uhr als fieses Horrorspiel: Filmkritik zu "Clock"

Eigentlich könnte Ella Patel (Dianna Agron) mit ihrem Leben mehr als zufrieden sein - sie hat einen lukrativen Job, einen sie liebenden Ehemann namens Aidan (Jay Ali) und ist mit sich vollkommen im Reinen. Aus dem Freundes- und Familienkreis wird ihr jedoch vehement eingeredet, dass ein Leben als Frau unvollständig und leer ist, wenn sie keine Kinder bekommt... und das sogar so arg, dass Ella irgendwann denkt, ihre biologische Uhr könnte kaputt und sie selbst verwirrt sein. Um dieses "Problem" zu lösen, meldet sich Ella bei einer klinischen Studie der Ärztin Elizabeth Simmons (Melora Hardin) an - dort soll ihre biologische Uhr wieder richtiggestellt werden. Doch schon während ihres Aufenthaltes merkt Ella, dass diese Studie ihr mehr schadet als nützt... und sie sogar den Verstand zu verlieren droht.

Es mag für viele klardenkende Menschen vielleicht ziemlich erstaunlich sein, doch viele Frauen, die keinen Kinderwunsch hegen, sehen sich auch heute noch damit konfrontiert, mit ihrer Lebenseinstellung in der Gesellschaft auf Unverständnis und sogar Ablehnung zu stoßen. Der kleine, aber einigermaßen feine Horror-Thriller "Clock", der vor einigen Tagen ziemlich überraschend und ohne irgendeine Werbekampagne auf dem Streamingdienst Disney Plus veröffentlicht wurde, nimmt sich diesem Diskurs effektiv an. Dabei zielt er weniger auf eine übliche Horrorerfahrung ab (auch wenn gerade im späteren Verlauf nicht mit Jumpscares und Co. gegeizt wird), sondern beschäftigt sich vor allem mit der Rolle einer Frau am Ende ihrer Dreißiger, die von der Gesellschaft im Grunde nur noch als Mittel zum Zweck der Fortpflanzung angesehen wird. Dabei packt Regisseurin und Drehbuchautorin Alexis Jacknow zwar überdeutlich den Holzhammer hinaus und schreibt Ella's Freundinnen als so dermaßen unverständnisvoll und herablassend, dass man sie wirklich fürchten will, trifft in vielerlei Lagen jedoch den Nagel so richtig auf den Kopf.
Der furchtbare Kampf einer Frau, die ihren eigenen Weg gehen will, aber zu einem anderen Weg, welcher der Gesellschaft eben besser passt, gedrängt wird, wird intensiv aufgezeigt und immer wieder durch kleine und große Nadelspitzen erhöht. Das tut streckenweise richtig weh und ist besonders dann aufwühlend, wenn Ella dem Druck nachzugeben beginnt... weil sie die Worte aufgrund der Masse für bare Münze zu nehmen beginnt und sich selbst als ein Problem sieht. Das sind schon ziemlich tiefe und kritische Töne für einen Horrorfilm, welche dieser aber auch bis zum Schluss durchzieht. Das ist das ein ums andere Mal zwar auch sehr plakativ, verfehlt in einigen sehr extremen und verstörenden Bildern aber auch sicherlich nicht das Ziel. Als Horrorfilm gelingen "Clock" ebenfalls einige intensive Szenen: Obwohl man weitestgehend mit altbekannten Schemata arbeitet, wird vor allem durch die Figur der "großen Frau" ein Schrecken eingeworfen, der gerade auch visuell wirklich stresst... und dabei auch eine durchgehende Atmosphäre der unwohlen Anspannung erzeugt.
So richtig gut raus kommt der Film dann aber doch nicht und verrennt sich im weiteren Verlauf immer mehr in den (intensiv inszenierten) Wahnvorstellungen seiner Protagonistin. Dabei ist "Clock" an manchen Stellen zu schwammig, denn was diese klinische Studie und ihre mysteriöse Leiterin nun wirklich umtreibt, bleibt ein relativ blasses Mysterium. In anderen Momenten gerät der Film dann doch wieder zu durchsichtig und reizt die Frage, welche Horrorszenarien für Ella nun real oder doch nur eingebildet sind, nicht wirklich aus - im Grunde wird bei jeder Szene direkt aufgeklärt, was hier denn nun los war, sodass wirkliches Rätselraten nicht in Frage kommt. Somit bleibt "Clock" dann auch eher ein Psychogramm, welches in dieser Form aber doch etwas zu abgehoben daherkommt. Der Grundtenor ist mit der treffsicheren, wenn auch arg verstörenden Gesellschaftskritik ein sehr interessanter, der letztendlich aber doch zu wenig mehr genutzt wird als der altbekannten Horrorshow, die nachträglich sogar nur zu unzufriedenstellend aufgedröselt wird. Das sorgt für runde 90 Minuten zwar für durchgehende Anspannung, da die Inszenierung immer wieder ein paar echt fiese Schocker bereithält, kommt aber über den soliden Durchschnitt auch zu selten hinaus.

Fazit: Eine originelle Grundidee, die gesellschaftskritisch ist, aber in dieser Form auch etwas arg plakativ daherkommt. Als Horrorfilm beweist "Clock" einige intensive Schauerszenen, kann sich aber auch nicht ganz aus einer Aneinanderreihung von Schreckensszenarien herausretten, die bisweilen etwas beliebig wirken.

Note: 3





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...