Direkt zum Hauptbereich

Jenna Ortega beherrscht diesen Film: Filmkritik zu "The Life After"

Die sechzehnjährige Vada (Jenna Ortega) befindet sich gerade mit ihrer Schulkameradin Mia (Maddie Ziegler) auf der Schultoilette, als sie Schüsse auf dem Flur vernehmen. Mehrere Schüler und Schülerinnen sterben bei dem Amoklauf an ihrer Schule und Vada muss in den Tagen und Wochen danach lernen, mit diesem Trauma fertig zu werden. Sie flüchtet sich in die Gesellschaft von Mia, die sie zuvor praktisch nicht kannte, nun jedoch als eine Art Gefährtin ansieht. Währenddessen versucht Vadas Kumpel Nick (Will Ropp) als einer der Überlebenden des Amoklaufs, eine Bewegung zu erschaffen, die solcherlei Bluttaten in Zukunft verhindert. Dabei sucht er auch Vadas Unterstützung, die sich in ihrer eigenen Angst jedoch nicht aufraffen kann, etwas Größeres zu tun...

Spätestens der gigantische Erfolg der Netflix-Serie "Wednesday" im vergangenen Herbst hat es bewiesen: Jenna Ortega ist eine der wichtigsten, vielleicht sogar die wichtigste US-Schauspielerin ihrer Generation, die bereits im Alter von zwanzig Jahren zu so viel Ruhm gelangt ist, wie es nur wenigen von ihr gelang. Und das kommt nicht von irgendwoher: Die junge Schauspielerin, die mittlerweile auch die Slasher-Reihe "Scream" beherrscht, besitzt ein unglaubliches Talent, welches eben nicht darin besteht, die ganz großen Gefühle durchgehend sichtbar zu machen. In "The Life After" dürfen wir Zeuge von einer weiteren Ausnahme-Performance Ortegas werden, bei der jede kleine Geste ungehemmt wirkt - nichts kommt gespielt daher, alles wirkt natürlich. Ob sie nun gerade eine Portion Nudeln verschlingt, ihrer Freundin eine Textnachricht schreibt oder einen Zitteranfall bekommt, den sie selbst nicht zu spüren scheint - nur selten sehen wir in US-Dramen Schauspielleistungen, die sich so wenig nach Schauspielerei anfühlen, sondern die Mimin vollkommen hinter der Rolle verschwinden lassen.
Und eben diese Performance, die an den Nebenschauplätzen noch von Talenten wie Maddie Ziegler oder "Lost"-Star Julie Bowen angefeuert wird, ist es, die diesen Film durchweg am Leben erhält. Der hat darüber hinaus nämlich hinsichtlich seines Themas schon seine Schwächen: Einige Plots bleiben seltsam auserzählt oder werden nur angekratzt. So ist der Versuch des ebenso traumatisierten Schülers Nick, eine politische Bewegung aus dem brutalen Amoklauf zu ziehen, eine interessante und wichtige Sichtweise, die noch einmal die Hoffnungslosigkeit unterstreicht, wenn in wenigen Wochen bereits die nächste Bluttat die Titelseiten der Zeitungen schmückt. Viel zu erzählen hat "The Life After" darüber jedoch nicht, was ebenso für die Geschichte des Überlebenden Quinton gilt, der durch die Tat seinen Bruder verloren hat. Der Film klebt förmlich an dem Werdegang von Vada, was dank Jenna Ortegas grandioser Leistung auch stets sehr gut funktioniert, beinahe alle anderen Figuren jedoch an den Rand zu drängen droht. Beinahe wirkt es so, als würde sich das Drehbuch nicht für sie interessieren und nur in wenigen (dafür aber richtig starken) Szenen bekommen Nebenfiguren wie Vadas kleine Schwester oder ihre besorgte Mutter noch so etwas wie Gravitas.
Das ist etwas schade, doch ist der Fokus auch gewollt anders gesetzt: "The Life After" konzentriert sich auf die Verarbeitung eines tiefsitzenden Traumas und möchte dabei aufzeigen, dass es weder richtige noch falsche Wege gibt, mit dieser Erfahrung umzugehen. Dementsprechend traut sich der Film auch heitere Momente zu, wenn Vada ihre ersten Erfahrungen mit Drogen macht oder gedankenverloren nicht mehr weiß, wohin sie mit ihren Hormonen soll. Diese hören natürlich nicht einfach so auf, eine Teenagerin inmitten der Pubertät zu quälen, weswegen die feine Liebesgeschichte, die innerhalb dieser Traumabewältigung erzählt wird, erstaunlich wenig rührselig daherkommt. Das mag bisweilen ein wenig befremdlich wirken, kommt jedoch auch sehr menschlich daher und zeigt auf unspektakuläre und ergreifende Art, wie sich zwei Menschen gegenseitig zu retten versuchen... auch wenn eine Rettung bei solch einer Erfahrung vielleicht gar nicht möglich ist. In diesem Sinne ein mutiger Film, der seinen Fokus anders legt als erwartet, aber dabei trotzdem sehr oft ins Schwarze trifft.

Fazit: Obwohl an einigen Stellen viel Potenzial ungenutzt bleibt, lebt der Film von der Geschichte der jungen, traumatisierten und dennoch weiterhin pubertär-verwirrten Vada, die von der großartigen Jenna Ortega mit einer nuancierten und deswegen so kraftvollen Ausnahme-Performance zum Leben erweckt wird.

Note: 2-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid