Direkt zum Hauptbereich

Diffuser Bilderrausch: Filmkritik zu "Bram Stoker's Dracula"

Der englische Anwalt John Harker (Keanu Reeves) reist ins düstere Transsilvanien, um dort den Verkauf mehrerer Immobilien an den zurückgezogen lebenden Grafen Dracula (Gary Oldman) in die Wege zu leiten. Im Schloss des Grafen sieht sich Harker mit merkwürdigen Vorkommnissen konfrontiert, die über ihn im Wald jagende Wölfe bis zum aufdringlichen Verhalten Draculas selbst reichen. Harker scheint in den Tiefen des Schlosses und in seinen eigenen, sehr realen Träumen verloren zu gehen, während Dracula selbst nach Harkers in der Heimat gebliebenen Verlobten Mina Murray (Winona Ryder) Ausschau hält. Als er versucht, in ihr Leben einzudringen, wird bald erstes Blut vergossen... und dieses ruft den exzentrischen Professors Abraham Van Helsing (Anthony Hopkins) auf den Plan.

Diese Adaption des berühmten Romans von Bram Stoker gilt als eine der werkgetreuesten - angesichts der Tatsache, dass die Geschichte des Grafen Dracula bereits in etlichen Versionen verfilmt wurde (eine der letzten hieß "Dracula Untold" und floppte an den Kinokassen völlig zurecht), ist eine solche Adaption dann sicherlich wünschenswert. Sklavisch hält sich Regisseur Francis Ford Coppola dann jedoch auch nicht an die Vorlage und erlaubt sich durchaus einige Freiheiten, die vor allem in der Natur des Stils liegen. Ganz offensichtlich lag Coppola nämlich mehr daran, seinen eigenen "Dracula"-Film als eine Art wilden und zügellosen Bilderrausch zu inszenieren, der bezüglich seiner hervorragenden Make-Up- und Splatter-Effekte, des Setdesigns und der visuellen Umsetzung kaum Wünsche offen lässt. Die Handlung, die im Kern ohnehin nicht zu komplex ist, wird dabei aber immer mehr vernachlässigt, weswegen nicht nur viele Figuren zu Schablonen verkommen, sondern auch die dramatische Komponente hinter den großen Bildern deutlich zurückstecken muss.
Und auch als visueller Rausch macht es Coppolas Film einem Mainstream-Publikum nicht einfach - die teils arg schwülstigen, aber so auch in der Vorlage begründeten Dialoge beißen sich mit den knallharten Horrorszenarien, die atmosphärisch dicht und wie aus einem Alptraum inszeniert werden. Später würzt er diese Szenen noch mit einer gewaltigen Dosis aus "Der Exorzist" und macht seinen Film endgültig zu einem sehr lauten, mit dem Holzhammer vorgetragenen Schauermärchen. Das verfehlt oft sein Ziel nicht, wirkt in allerlei sehr blutrünstigen Momenten oder auch langen Szenen mit viel nackter Haut jedoch auch so, als würde der Stil über die Substanz siegen. Alles muss toll (oder eben schrecklich, wie man es denn nun betrachten will) aussehen und das tut es auch, doch wirklich mitfiebern will man mit den Figuren nicht. Die interessanteste Figur bleibt dabei die des Professors Van Helsing, der zwar erst spät auf den Plan tritt und auch ein wenig zu arg als plötzlicher Retter in der Not agiert, aber immerhin auch wunderbar schrullig und sogar manisch daherkommt. Die eingestreuten Szenen in einem Irrenhaus haben bei mir jedoch weitestgehend Verwirrung ausgelöst.
Rein schauspielerisch mag man die Performance von Gary Oldman als titelgebender Vampir sicherlich beeindruckend finden - natürlich chargiert der "Planet der Affen"-Star hier über alle Maße, was bei einem solchen Stoff aber auch angemessen scheint... und Oldman vermag es allein durch seine kleinen und großen Gesten schon, das Publikum schauern zu lassen. Von Anthony Hopkins wird aber sogar Oldman die Show gestohlen, denn der feuert als Professor Van Helsing eine wahre Wucht aus überzogener Komik und grazilem Spiel ab, dass es nur so eine Freude ist. Die beiden Schauspielgrößen können aber auch vor allem deswegen so sehr glänzen, weil ein anderer ihnen bereitwillig so sehr das Feld überlässt, dass man ihn während des Films fast vergisst: "Constantine"-Star Keanu Reeves gilt zwar allgemein als Schauspieler, dessen Fähigkeiten durchaus limitiert sind (was er mit seinem natürlichen Charme und seiner enormen Physis oft wieder ausgleicht), doch so farblos wie hier hat er wohl selten agiert und trägt selbst in dramatischen Szenen nur einen kaum veränderten Gesichtsausdruck mit sich herum. Ihm gegenüber kann Winona Ryder zumindest in der zweiten Hälfte noch düstere Akzente setzen und mit einer starken Ausstrahlung aufwarten, die ihrem männlichen Co-Star zu dieser Zeit noch merklich abging.

Fazit: Coppolas "Dracula"-Adaption ist ein wahrer Rausch aus Bildern, die einem sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben und visuell wunderbar sperrig inszeniert sind. Leider setzt die Regielegende dem aber wenig entgegen, was dramaturgisch fesseln würde und interessiert sich zu sehr für übergroße Bilder als für spannende Figuren.

Note: 4+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid