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David Cronenburg ist zurück... ohne Budget: Filmkritik zu "Crimes of the Future"

In einer trostlosen Zukunft sind viele Menschen nicht mehr in der Lage, physischen Schmerz zu spüren. Dies nutzen Saul (Viggo Mortensen) und Caprice (Lea Seydoux) aus, um eine sehr spezielle Performance-Art zum Leben zu erwecken, während welcher neuartige Organe im Körper herangezüchtet werden, um diese vor einem Publikum schließlich zu entfernen. Diese Art der Kunst findet unter anderem in dem Bürokraten Wippet (Don McKellar) und seiner schüchternen Assistentin Timlin (Kristen Stewart) glühende Anhänger, ruft aber auch die Behörden auf den Plan. Und Saul nutzt die Gunst der Stunde schließlich sogar, um an einem Wettbewerb teilzunehmen, der die Grenzen dieser Performance Art in jeglicher Weise sprengen könnte...

Betrachtet man es mal aus der Sichtweise eines kühlen Geldgebers, ist es im Grunde mehr als verständlich, dass dem Kultregisseur David Cronenberg, der immerhin solch prestigeträchtige Werke wie "Die Fliege" oder "A History of Violence" erschaffen hat (eben aber auch in der guten, alten Zeit) kein richtiges, brauchbares Budget mehr zugestanden wird. Finanzielle Knaller-Hits liefert der nämlich nicht ab, was man ja durchaus sympathisch finden kann, denn mit seinen 79 Jahren hat er sich nie verbiegen lassen und wird das in diesem Leben wohl auch nicht mehr tun. Dementsprechend entwickelt er immer noch Filme am Geschmack des Mainstream-Publikums vorbei... und findet in einer recht seltsamen Kombination zu der Mischung der Genres zurück, denen er sich seit jeher verschrieben hat. So ist "Crimes of the Future" immer noch ein dramatisches Psychogramm, von denen Cronenberg zuletzt ja nicht wenige gemacht hat, bedeutet aber auch die Rückkehr zu seinem Body-Horror-Genre, welches er einst mitbegründete und lange beherrschte.
Nur stand ihm diesmal dafür ganz offensichtlich kaum Geld zur Verfügung. Wo Cronenberg in den 80ern noch mit grotesken und absolut genialen Make-Up- und Special Effects arbeitete, die auch heute noch fantastisch aussehen, so muss er hier überdeutliche Abstriche machen. Viele Requisiten bestehen eindeutig aus Plastik und lassen sich (was bei diesem Thema umso fataler ist) nicht mehr vergleichen mit den schleimigen, glitschigen Gegenständen und quasilebendigen Dingern, die sie eigentlich darstellen sollten. Das sieht in den schlechtesten Momenten regelrecht billig aus, weswegen man sich im Grunde nur darüber freuen kann, dass Cronenbergs inszenatorische Fähigkeiten noch dazu in der Lage sind, aus einem förmlich leeren Set noch eine gewisse Atmosphäre zu zaubern. Das fehlende Geld ist sicherlich auch verantwortlich dafür, dass "Crimes of the Future" redseliger ist als es ihm gut tut - viele Dinge werden nur mit Worten behauptet und nicht wirklich gezeigt, was den Film nicht nur sperrig, sondern bisweilen auch sehr zäh macht.
Das mag dann leider, obwohl der Regisseur auch erneut nicht mit einigen recht grafischen und skurrilen Bildern spart, nicht wirklich schockieren... man sieht einfach, dass hier recht stumpfe Ausflüchte zum Einsatz kommen mussten, um das schmale Budget nicht auszudehnen. Am stärksten ist der Film immer dann, wenn er seine weirden Grundideen, die hier und da auch mal sanfte Gesellschaftskritik provozieren (leider aber ohne diese weiter zu vertiefen oder auch mal in die Magengrube zu treffen), so richtig auslebt. Das passiert jedoch zu selten: So hat man mit der Nebenfigur der Assistentin Timlin, absolut fantastisch gespielt von "Underwater"-Star Kristen Stewart, praktisch eine Steilvorlage für allerlei tragischen und wilden Wahnsinn, die aber nie wirklich ausgespielt wird. Stewart ist das schauspielerische Schwergewicht dieses Films und kommt trotzdem nur auf eine Handvoll Szenen, in denen sie gefühlt immer noch mit angezogener Handbremse agieren muss, obwohl sie viel mehr will. Da halten dann sogar die (gewohnt guten, aber auch etwas zurückgenommenen) Viggo Mortensen und Lea Seydoux, trotz deutlich mehr Leinwandzeit, nicht mit.

Fazit: Cronenberg lässt noch immer originell-diffuse Ideen und inszenatorische Finesse durchscheinen, doch das Fehlen eines passenden Budgets ist unübersehbar. Das führt dazu, dass "Crimes of the Future" im zähen Sinne verquatscht, sperrig und wirr daherkommt und viel Potenzial verschenkt.

Note: 4



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