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Die Frauen, die Weinstein stürzten: Filmkritik zu "She Said"

Im Jahr 2017 untersucht die bei der New York Times arbeitende Invesitigativjournalistin Jodi Kantor (Zoe Kazan) einen speziellen Fall von sexueller Belästigung in einem großen Konzern - sie ist dem weltberühmten Filmmogul Harvey Weinstein auf der Schliche, gegen den mehrere Beschwerden vorliegen sollen, die jedoch niemals publik gemacht wurden. Mit der Unterstützung ihrer Kollegin Megan Twohey (Carey Mulligan) beginnt sie zu graben und stößt schon früh auf Vorkommnisse, die rund zwanzig Jahre zurückliegen. Ihr Vorhaben, eine Story über Weinsteins Schandtaten zu verfassen, wird jedoch schon bald von etlichen Rückschlägen überschattet... Rückschläge, für die Weinstein selbst schon in der Vergangenheit sorgte und die ein Erdbeben in Hollywood verhindern sollen. Doch Jodi und Megan lassen sich auch durch Drohungen und psychische Attacken nicht von ihrem Ziel abbringen...

Es war der womöglich schwerwiegendste und wichtigste Skandal in der Geschichte Hollywoods, als der übergroße Filmproduzent Harvey Weinstein durch einen entblätternden Artikel endlich gestürzt werden konnte, was den Beginn der Me-Too-Ära einläutete. Die deutsche Regisseurin Maria Schrader hat im letzten Jahr den Film über die Journalistinnen inszeniert, denen es gelang, über Monate hinweg in den dunkelsten Archiven von Weinsteins Taten zu recherchieren und schließlich, allen Unkenrufen zum Trotz, die wichtige Story herauszubringen, die Hollywood verändern sollte. Schrader dürfte sich damit direkt ganz nach oben in der Traumfabrik vorgearbeitet haben - ihre saubere Inszenierung zeigt ganz klar auf, dass wir von ihr noch viel erwarten dürfen. Dabei widersteht sie glücklicherweise dem Versuch, die Skandale rund um Weinstein zu einem pathetischen und möglichst schockierenden Wiederkäuen seiner grausigsten Taten zu machen: Rückblicke zeigen dabei nicht die Taten an sich, sondern ausschließlich die direkten Auswirkungen auf die jungen Frauen, die daran zerbrochen sind. Und tatsächlich reichen bereits die detaillierten, rein mündlichen Schilderungen von Opfern, um einen ordentlichen Kloß im Hals der Zuschauer*innen zu verursachen.
Auch wenn der Ausgang dieses Films so ziemlich jedem bekannt sein dürfte, gelingt es Schrader, ihren Film fast durchweg hochspannend zu gestalten - mit einem hohen Tempo und einem wirklich feinen Händchen für Schnitt wirkt "She Said" schon beinahe wie ein Marathon. Auf clevere Weise bekommen die beiden Protagonistinnen quasi nebenbei noch ein wenig persönlichen Hintergrund mit auf den Weg, wodurch sich die persönliche Beziehung zwischen den beiden sehr glaubwürdig und ohne jeden Druck entfaltet. Schrader inszeniert darüber hinaus die im Fokus stehende Recherchearbeit nicht als einen glamourösen, heldenhaften Dienst, sondern wie einen knallharten Knochenjob - immer wieder werden sie zurückgeworfen, immer wieder bilden sich Mauern aus rechtlichen Hindernissen. Jeder kleine Lichtblick wird dabei jubilierend aufgenommen, doch bleibt Schraders Inszenierung angenehm ambivalent. Die Glaubwürdigkeit, auch innerhalb des Entstehungsprozesses des Artikels von Anfang bis Ende, ist wunderbar gelungen und erinnert an den Oscargewinner "Spotlight". Auch hier ist der Film aufrüttelnd, schmerthaft und bisweilen gar schwer zu ertragen, ohne dabei aber zu arg versuchen zu wollen, das Publikum zu schockieren.
Deswegen macht auch der Ansatz Sinn, den zentralen Plot auf die mutigen Frauen (und Männer) innerhalb der Zeitung zu legen und weniger auf Harvey Weinstein selbst - ihn noch weiter herunterzumachen, ist ohnehin nicht nötig, weswegen es durchaus sinnig ist, sich mehr auf die Helden und Heldinnen zu konzentrieren als einem widerlichen Missetäter nur noch mehr Rampenlicht zu schenken. Kritisieren kann man dabei jedoch durchaus eine gewisse Glorifizierung der New York Times selbst, wobei eine kurz aufkeimende Kritik an der Zeitung im Grunde verpufft, um daraufhin keinerlei kritische Worte mehr zuzulassen. Zudem bleibt "The F-Word"-Star Zoe Kazan innerhalb einer ansonsten hervorragenden Besetzung mit ihrem durchgehenden Hundeblick ein wenig zurück - die brillante Carey Mulligan kann mit ihrer wesentlich gesetzteren und kühleren Performance deutlich mehr Gravitas entfachen und wirkt dabei auch glaubwürdiger. Ein Extralob verdient sich indes auch Ashley Judd, die als einziges der zahlreichen Opfer Weinsteins dazu bereit war, sich selbst zu spielen... und dabei sichtlich erneut die grausamen Eskapaden durchlebt, die sie unter ihm durchmachen musste. Dabei ist jeder Schmerz in ihrem Gesicht so deutlich zu sehen, dass es schwer ist, von der Leistung ihrer wenigen, dafür aber sehr prägnanten Szenen, nicht absolut beeindruckt zu sein, und das in jeglicher Hinsicht.

Fazit: "She Said" berichtet unaufgeregt und ohne unnötige Überdramatisierungen von der Enthüllung eines grausamen Skandals und bleibt dabei angenehm nah an den mutigen Heldinnen dieser Geschichte. Nur in wenigen Momenten wird der zurückhaltend inszenierte Film bisweilen etwas zu glorifzierend.

Note: 2-



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