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Da ist wieder was im Wald: Filmkritik zu "The Ritual" (2017)

Vier Freunde sind zu einer Wanderung in den einsamen Landschaften von Schweden aufgebrochen: Luke (Rafe Spall), Hutch (Rob James-Collier), Dom (Sam Troughton) und Phil (Arsher Ali) wollen mit dieser mehrtägigen Aktivität einem alten Freund die letzte Ehre erweisen, der kürzlich überraschend verstorben ist. Als die vier Männer beschließen, eine Abkürzung durch ein Waldstück zu nehmen, da sich der verletzte Dom die längere Route nicht zutraut, fängt der Ärger jedoch an. Nicht nur stellt sich die Gruppe immer mehr gegen Luke, der am Tod ihres gemeinsamen Freundes eine gewisse Mitschuld tragen soll, sondern auch eine mysteriöse Kreatur scheint sich zwischen den Bäumen herumzutreiben. Die Hinweise verdichten sich auf eine große Gefahr in den Wäldern und für die vier Männer scheint es kein Entkommen zu geben... es sei denn, sie finden einen Ausweg aus dieser Abkürzung.

"The Ritual" wurde im Jahr 2017 als Original in die Bibliothek von Netflix aufgenommen - zu einer Zeit, als der Streamingdienst bezüglich seiner selbstproduzierten Filme wirklich fast ausschließlich Schrott produzierte. Der Film von Regisseur David Bruckner ist nun aber zumindest sehr solide inszeniert und dürfte Horror-Fans immer wieder ein Schauern über den Rücken jagen. Bruckner verlässt sich auf die alten Tugenden des Genres und interessiert sich dabei ebenso wenig für krasse Gewaltspitzen (die gibt es zwar, doch finden sie fast ausschließlich im Off statt) wie für uninspirierte Jumpscares. Stattdessen baut er eine dichte Atmosphäre auf, die durch das schon oft gesehene, aber noch immer wirkungsvolle Setting durchaus intensiv wirkt. Bruckner bedient sich fleißig bei prominenten Horrorstoffen, wobei er sich sichtlich von dem Found-Footage-Kultstreifen "Blair Witch Project" inspirieren ließ. Zudem fließt auch noch eine gehörige Portion grotesker Wendungen ein, die sich so auch sicherlich "Midsommar"-Regisseur Ari Aster hätte ausdenken können.
Neu ist das alles nicht und angesichts der Schlussauflösung, die reichlich banal daherkommt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass "The Ritual" eben doch nur eine Mischung aus allseits Bekanntem darstellt. Das muss aber gerade im Horrorkino nichts Schlechtes sein, ist es nicht nur besonders in diesem Genre noch sehr schwer, etwas wirklich noch nie Gesehenes auf die Beine zu stellen, sondern können auch diese alten Tugenden heute noch wirklich erschrecken. Und wem läuft denn kein Schauer über, wenn sich im dichten Gestrüpp mitten in der Nacht plötzlich etwas zu bewegen scheint und eine bemerkenswert fiese Soundkulisse dort etwas tierähnliches, was jedoch in den Schatten verborgen bleibt, ankündigt? Bruckner hat die verschiedenen Gruselszenarien sehr solide im Griff und nutzt dabei die früher oft und heute viel zu selten angewendeten Techniken, um noch mehr Angst zu produzieren: Der Gegenspieler wird über lange Zeit nur schemenhaft gezeigt; es wird mit dem Wechsel aus Traum und Realität gespielt; und auch unangenehme Foreshadowing-Momente finden sich, die klar machen, dass auf die vier Pechvögel wenig Gutes wartet.
So richtig überzeugen mag das trotzdem nicht, denn über weite Strecken passiert hier wenig Aufregendes... und nimmt man die enttäuschende Auflösung am Ende hinzu, stellt sich der Eindruck ein, dass so viel Aufheben um solch eine schon so oft gesehene Wendung nicht nötig gewesen wäre. Auf Dauer nutzt sich auch das Zusammenzucken vor knackenden Ästen ab und die hochschaukelnden Konflikte zwischen den verängstigten Freunden stammen so auch aus dem Lehrbuch... inklusive eines tief sitzenden Traumas, welches in seltsamen Visionen immer wieder ausgespielt werden muss, aber auch keine bedeutenswerte, psychologische Tiefe erfährt. Das Ensemble rund um "Jurassic World"-Star Rafe Spall kann den bisweilen mauen Dialogen immerhin noch ein wenig Intensität beibringen, doch letztendlich ist es eben auch nur teilweise aufregend, vier Männern bei einem Marsch durch den Wald zuzusehen. Versiertere Filmemacher hätten aus dem Stoff aber wahrscheinlich auch nicht viel mehr herausholen können, da doch zu offensichtlich ist, dass er aus dem Abklappern der besten Momente besserer Filme besteht. Das ist dann zwar nicht schlecht und es gibt sicherlich schwächere Alternativen für einen kurzweiligen Schauerabend... aber auch deutlich bessere.

Fazit: "The Ritual" ist zwar solide inszeniert und kann einen stimmigen Cast sowie einige Momente cleveren Grusels vorweisen. Dramaturgisch bewegt man sich jedoch auf einem wackligen Weg, da altbekannte Wendungen und sich im Kreis drehende Konflikte die Laufzeit bisweilen zäher gestalten als sie sein müsste.

Note: 3-



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