Direkt zum Hauptbereich

Ein Maßstab für die Zeichentrick-Technik: Filmkritik zu "Falsches Spiel mit Roger Rabbit"

Im Los Angeles des Jahres 1947 leben nicht nur Menschen, sondern auch Toonfiguren - letztere bleiben dabei zwar zumeist in einer eigens für sie gebauten Zeichentrickstadt, arbeiten jedoch auch in der Menschenwelt und sind sogar teilweise zu echten Stars herangewachsen. Als ein solcher befindet sich Cartoon-Star Roger Rabbit jedoch langsam auf dem absteigenden Ast, da sein Liebeskummer bezüglich seiner geliebten, ihm jedoch offensichtlich untreuen Frau Jessica ihm jegliche Konzentration am Filmset raubt. Um den Star wieder auf Vordermann zu bringen, engagiert das Filmstudio den grimmigen Privatdetektiv Eddie Valiant (Bob Hoskins) - dieser soll Jessica auf den Zahn fühlen und so an Roger endlich die Wahrheit herantragen. Während seiner Untersuchung stößt Eddie jedoch auf eine noch viel größere Verschwörung, welche die gesamte Toon-Stadt betrifft...

Bis heute gilt "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" als absoluter Meilenstein in der Tricktechnik... und das obwohl in diesem Film komplett auf Computeranimationen verzichtet wurde. Die Verzahnung zwischen realen Filmaufnahmen und gezeichneten Trickfiguren gelang in diesem Film jedoch so galant, dass es einer Revolution gleichkam... und auch heute noch ist diese Vermischung absolut beeindruckend anzusehen. Man kann sich kaum vorstellen, was für eine Millimeterarbeit es sein musste, die ganzen Sets an Figuren anzupassen, die erst viel später überhaupt in den Film hineingebracht wurden (somit war man praktisch auch ein Vorreiter für die heutige, digitale Technik). Als Lohn gab es dafür gleich mehrere Oscars in Technikkategorien und der Film nahm einen Platz in der Geschichte des Kinos ein. Regisseur Robert Zemeckis, der später auch in anderen technischen Kategorien immer wieder herumprobierte (das dann aber mit weniger qualitativem Erfolg) hat hier durchaus Mut bewiesen und ein spannendes Experiment abgeliefert, welches dem damaligen Publikum den Atem raubte.
Die Anwesenheit vieler Zeichentrickfiguren, bei denen sich Lizenzfiguren von Disney, Warner Bros. und vielen anderen Studios die Klinke in die Hand geben (was heute wohl undenkbar wäre), lässt augenscheinlich dann die Vermutung zu, dass es sich hierbei um einen Kinderfilm handeln würde. Dem ist aber nicht so, trägt "Roger Rabbit" seine FSK-12-Freigabe doch nicht ohne Grund. Obwohl alles unter dem Deckmantel der comichaften, extremen Überzeichnung lebt, gibt es etliche sexuelle Anspielungen und durchaus auch Gewalt, sogar gestorben wird recht explizit. Auch der grobe Handlungsstrang rund um eine Frau, die ihren neben sich stehenden Hollywood-Ehemann betrügt, macht nicht unbedingt den kinderfreundlichsten Eindruck... und die sich daraus entwickelnde Verschwörung versprüht eher den Hauch eines Noir-Thrillers. Für jüngere Zuschauer werden zwar immer wieder (technisch beeindruckende) Chaos-Comicszenen eingespeist und wirklich ernst nimmt sich der Film ohnehin nie. Tatsächlich richtet man sich aber nicht ausschließlich an Kinder, weswegen Eltern bei einer unvoreingenommenen Sichtung mit ihren Kids erst einmal Vorsicht walten lassen und sich informieren sollten.
Die Handlung selbst hat mich dann nicht wirklich gebannt - generell empfand ich den Film mit etlichen Comicfiguren, die meist sehr chaotisch durch die realen Sets stapfen, als ein wenig zu überdreht. Der Humor traf mein Zwerchfell nicht wirklich und auch die Figuren waren mir überwiegend wenig sympathisch... obwohl sich an der knurrigen Performance von Bob Hoskins natürlich rein gar nichts aussetzen lässt. Spaß machte hingegen der Wimmelbild-Faktor, den später auch die großen Pixarfilme auf eigene Art und Weise nutzten: In großen Szenen sind dabei so viele bekannte Figuren und Details entdecken, die oft nur im Hintergrund stattfinden, dass es eine große Freude ist, all diese kleinen Easter Eggs zu finden. Richtigen Wert hat man auf all diese Figuren jedoch nicht gelegt und sie eher als kleine Gastauftritte genutzt, ohne dabei ihre bekannten Manirismen wirklich zu gebrauchen. So entsteht der Eindruck eines "Star"schaulaufens, welches aber in den meisten Fällen nur solides Name-Dropping betreibt. Wie man geliebte Figuren wirklich in solch einem Abenteuer nutzt, haben zuletzt zum Beispiel die beiden "Spider-Man"-Filme "No Way Home" und "A New Universe" besser vorgegeben - von letzterem folgt in diesem Sommer übrigens sogar die offizielle Fortsetzung.

Fazit: Technisch wegweisend und auch heute noch mehr als eindrucksvoll fungiert "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" als gelungenes Experiment, dessen comichafte Überdrehtheit mich jedoch über weite Strecken eher kaltgelassen hat.

Note: 3-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...