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Für Rettung ist es nie zu spät: Filmkritik zu "Kaltes Blut - Auf den Spuren von Truman Capote"

In Kansas wird die vierköpfige Familie Clutter brutal von den zwei Einbrechern Dick Hickock (Lee Pace) und Perry Smith (Daniel Craig) ermordet. Noch während nach den Tätern gefahndet wird, gewinnt der Schriftsteller Truman Capote (Toby Jones) Interesse an dem Fall und beschließt, mit seiner guten Freundin Harper Lee (Sandra Bullock) nach Kansas zu reisen. Dort möchte er zu dem Fall recherchieren und daraus sein nächstes Buch kreieren. Schon früh werden ihm jedoch Steine in den Weg gelegt, denn der ermittelnde Polizeichef Alvin Dewey (Jeff Daniels) möchte weder der Presse noch Autor Capote tieferen Einblick in den Fall geben. Capote nutzt seinen extravaganten Charme, um sich in die Ermittlungen einzuschleusen... und dringt dadurch schließlich bis zu den Tätern vor.

Ich bin ganz ehrlich: Ich hatte, bevor mir der Streamingdienst Prime Video diesen Film vorschlug, noch nie von diesem Werk gehört, da es in Deutschland praktisch vollständig untergegangen ist. Rund ein Jahr vor dem Erscheinen des Films in den USA hatte es bereits ein Werk über den Schriftsteller Truman Capote gegeben, welches sogar bei den Oscars eine wichtige Rolle spielte - der Bedarf an abendfüllenden Spielfilmen über diese historische Person schien also gedeckt, weswegen der Film von Regisseur Douglas McGrath sang- und klanglos an den Kinokassen unterging und in Deutschland sogar nur noch auf DVD und Blu Ray veröffentlicht wurde. Ohne den direkten Vergleich mit "Capote" aus dem Jahr 2005 ziehen zu können (diese Lücke in meinem Filmwissen möchte ich jedoch zeitnah endlich schließen), kann ich nur sagen, dass dies schade ist, denn McGrath ist ein ruhig erzählter und dramaturgisch ansprechender Film gelungen, der trotz einiger Längen und eines etwas zu rührseligen Schlussdrittels gerade aufgrund der interessanten Annäherung an seine Hauptfigur gefällt.
Diese wird hier nämlich nicht auf ein glorifizierendes Podest gestellt, sondern über gewisse Strecken als ziemlich kaltblütiger Halunke dargestellt, dem sein eigenes Werk mehr bedeutet als die Menschen, die er damit womöglich vor den Kopf stößt. Durch seinen eigenen Charme und das Talent, sich immer wieder im Fahrwasser prominenter und wichtiger Persönlichkeiten aufzuhalten und diese mit Worten einzuspinnen, kommt Capote nämlich sehr weit... und lügt dabei auch gerne mal, um sich seinen weiteren Weg ebnen zu können. Die Darstellung eines zwar feinsinnigen und emotional aufgeschlossenen Menschen, der auch selbst mit Ablehnung zu kämpfen hat, als bisweilen intriganter Mann ist durchaus spannend und macht aus diesem Truman Capote eine sowohl traurige als auch streckenweise gar unempathische Figur. Ein spannender Charakter, dem man nur zu gerne folgt, obwohl man ihn nicht immer mag. Diesen extravaganten Weg verliert man auf den letzten Metern zwar ein wenig, da man der Figur (und denen um ihn herum) ein etwas gnadenvolleres Ende mitgeben wollte - da wird es dann bisweilen doch etwas zu simpel. Doch selbst in diesen Momenten haftet Capote noch etwas eigensinniges an, das ziemlich packend daherkommt.
Für Toby Jones ist dies natürlich eine Paraderolle, auch wenn eine gewisse Neigung hin zu einer künstlerischen Überzeichnung nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Jones schwebt förmlich durch den Film und auch wenn nicht jede seiner Gesten vollkommen glaubwürdig ist - er verschwindet förmlich hinter der historischen Figur und drückt ihm scheinbar mühelos seinen Stempel auf. Mehr als erwähnenswert auch die Performance des damals gerade frisch zum neuen James Bond gekürten Schauspielers Daniel Craig, der als brutaler Killer mit schwerer Vergangenheit eine ganz erstaunliche, nuancierte Leistung aufs Parkett legt. Auch darüber hinaus ist "Kaltes Blut" bis in die kleinsten Nebenrollen sehr namhaft besetzt, auch wenn einige US-Stars hier tatsächlich kaum mehr als Cameo-Auftritte zum Besten geben. Aus der illustren Besetzung ragen "The Blind Side"-Star Sandra Bullock als frustrierte Autorin und ein ruhig aufspielender Jeff Daniels als gar nicht mal so unsympathischer Chef der örtlichen Polizei noch einmal gesondert hervor und gliedern sich in die ruhig inszenierte, wenn auch bisweilen ein wenig zu langatmige Erzählung sehr passend ein.

Fazit: Ruhig erzählter Film, der besonders durch seine mutige und mehrdimensionale Sicht auf die Hauptfigur überzeugt, auch wenn man diesbezüglich gegen Ende zu sehr ins Rührselige abdriftet. Toby Jones gibt in der Hauptrolle eine erinnerungswürdige, schillernde Performance.

Note: 3+



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