Direkt zum Hauptbereich

Spider-Man: A New Universe

Es ist kompliziert. Sony hat noch immer die Filmrechte an der Figur Spider-Man - da die letzten Gehversuche rund um "The Amazing Spider-Man" aber eher lau liefen, entschloss man sich, einen Deal mit Marvel einzugehen - seitdem darf der Spinnenmann also auch im Marvel Cinematic Universe an der Seite von Iron Man, Thor und Co. herumschwingen. Dennoch darf Sony die Marke weiterhin nutzen und ist sich natürlich bewusst, dass die Figur noch immer eine Goldgrube ist... weswegen sie nun auch ihr eigenes Ding daraus machen, abseits der Avengers. Eine Art Paralleluniversum, wenn man so will. Zumindest finanziell hat sich das mit "Venom" im Oktober voll ausgezahlt und nun schießen sie auch gleich im Animationsbereich hinterher... und nehmen das ganze Parallel-Universums-Ding einfach mit rein, wobei sie es mitunter übertreiben.

SPIDER-MAN: A NEW UNIVERSE


Miles Morales ist ein typischer Teenager, der zu gerne besonders wäre. Er blickt zu Peter Parker alias Spider-Man, der sich mutig durch die Straßen schwingt und Bösewichter zu Klump haut, auf... bis er plötzlich ebenfalls von einer radioaktiven Spinne gebissen wird und Superkräfte entwickelt. Parker ist ebenfalls überrascht, bis beide herausfinden, dass es noch viele weitere Spider-Mans gibt. In parallelen Universen, in anderen Dynastien. Und diese verschmelzen nun, ausgelöst durch eine Waffe des Oberbösewichts Wilson Fisk, der diese nutzen will, um endlich wieder mit seiner Familie vereint zu werden. Das führt zu einer reinen Spider-Clique... in welcher sich der junge Miles auch erst beweisen muss.

Was zuerst auffällt, und das auch schon in den Trailern, ist der Animationsstil, denn den hat man so im Kino auch noch nicht gesehen. Die Figuren sehen ein wenig so aus, als hätte man die Grafik aus den Telltale-Spielen ein wenig weiterentwickelt, darüber hinaus mischen sich herkömmliche Comic-Zeichnungen mit recht hektischen Animationen. Das ist anfangs etwas verwirrend und gerade in sehr rasanten Actionszenen geht die Übersicht dann auch mal flöten... denn die Macher haben sich daran zu schaffen gemacht, ein Comicheft förmlich zum Leben zu erwecken. Dementsprechend gibt es Sprechblasen, mehrere Bilder zur selben Zeit, "Paff!"-Wolken und vieles mehr - es ist also wirklich, wirklich viel los auf der Leinwand.
Und hat man sich an diesen optischen Overkill gewöhnt, kann man sich sichtlich daran erfreuen, denn in dieser Form hat man ein Superheldenabenteuer dann eben auch noch nicht gesehen. Mainstream-Zuschauer und auch Kinder wird dies vermutlich eher verschrecken, da sie dies nicht mit ihren Sehgewohnheiten vereinbaren können, für alle anderen bleibt aber ein mutiges Experiment. Keines, dass sich so durchsetzen sollte, denn dafür ist das doch etwas zu hektisch, aber es ist immerhin mal etwas anderes und in dieser Form durchaus erfrischend... wenn man den 3D-Effekt, den man erneut nicht sieht, außer Acht lässt, hier lohnt der Aufpreis also wie gehabt keinesfalls.
In Sachen Handlung werden sich die Geister erneut scheiden, denn hier zielt man voll und ganz auf die Hardcore-Comic-Fans ab, die sich vor den Machern sicherlich ehrfürchtig verneigen werden. Es wird zitiert, parodiert und genau auf die Eigenarten der Comics eingegangen, in Stil, Charakterentwicklung und Plot. Das ist ziemlich cool, aber eben auch sehr wirr. Denn wer zumindest ansatzweise weiß, was bei den Marvel-Comics schon alles vorgefallen ist, der wird wissen, worauf das hinausläuft: Paralleluniversen mit etlichen Helden, Schurken und Taten, die hier und da Belang haben und dann wieder nicht. Mehrere Peter Parkers, mehrere Mary-Janes, mehrere Tante May's - das kann man cool finden, es ist aber manchmal auch absolut skurill und oftmals vollkommen überzogen. Die Macher brechen diese Wirre mit Humor auf, beweisen Eigenironie, aber sie können die enorme Hektik nicht ganz brechen - wer nicht zu den enormen Comicfans gehört, dürfte das Geschehen irgendwann nicht mehr als erhellend oder urkomisch, sondern wohl nur noch als anstrengend empfinden.
Die wenigen leisen Momente werden von den lauten Szenen, in denen mehrere Spider-Männer (und auch eine Spider-Frau) sich gegen Schurken wehren oder lauthals diskutieren, überdeckt und angesichts der knalligen Farben ist das sehr viel, was man verarbeiten muss. Zudem hat der Plot, der aber immerhin recht originell gestrickt ist, im Mittelteil so manch einen Hänger, wenn die einzelnen Helden etwas umständlich einer nach dem anderen transportiert werden müssen. Auch hier haben sich die Macher einige hübsche Running Gags einfallen lassen, doch nicht immer zünden diese perfekt. Dennoch muss man sagen: Sie haben die Materie verstanden, sie gehen mit Herz und Seele an sie heran und werden gerade langjährigen Fans des Materials einen energiegeladenen Kinoabend generieren. Das dürfte vielen Leuten sehr, sehr gefallen... aber vielen sicherlich auch nicht.

Fazit: Hektischer Comic-Actioner mit Herz und Witz, der optisch neue Maßstäbe setzt und quasi ein Comicbuch auf der Kinoleinwand zum Leben erweckt... Selbstironie inklusive. Angesichts der pickepacke-vollen Handlung und einem hohen Tempo kann das Erlebnis, solange man nicht gerade ein Hardcore-Fan ist, aber auch anstrengend werden.

Note: 3







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...