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Ein tragischer Skandal: Serienkritik zu "Dopesick"

OxyContin scheint alles zu ändern: Das von dem Pharmakonzern Purdue auf den Markt gebrachte Opium soll weniger als ein Prozent aller Menschen süchtig machen... und wäre damit ein rettendes Schmerzmittel für Millionen von Menschen. Auch der Arzt Samuel Finnix (Michael Keaton) ist von dem Wundermittel begeistert und verschreibt es regelmäßig an seine Patienten. Mit der Zeit zeigt OxyContin jedoch sein wahres Gesicht: Es erregt zu einer schier wahnwitzigen Sucht. Zudem ist die Bewerbung des Mittels seitens des Konzerns falsch. Als die Drogenbehörde der DEA die Ermittlungen gegen Purdue aufnimmt, sind bereits tausende Menschen süchtig... und einige von ihnen werden eine harmlose Verletzung, wegen welcher sie dieses Mittel verschrieben bekamen, gar mit dem Leben bezahlen müssen.

Die Opioidkrise in den USA zählt zu einem der größten und schockierendsten Skandale des Landes seit der Jahrtausendwende - es scheint erstaunlich, dass sich nicht schon früher ein versierter Filmemacher mit dem Thema beschäftigt hat. Für einen einzigen Kinofilm scheint der Stoff aber ohnehin viel zu ausladend zu sein, weswegen es gut ist, dass man gewartet hat, bis man ihn problemlos als Miniserie auflegen konnte. Im Gegensatz zur 2022 erschienenen Miniserie "The Dropout" - die ebenfalls einen realen Skandal in acht Folgen auf dem Streamingdienst Disney Plus darbot - fehlt es "Dopesick" aber doch ein wenig an Schwung. Der Spannungsbogen wächst hier nicht so kohärent an und es sind zwischenzeitlich, auch aufgrund der oftmals recht trockenen Inszenierung, einige Längen zu beklagen. Dass man sich der Thematik von etlichen Blickwinkeln aus widmet, wobei sowohl die kaltblütigen Pharma-Unternehmer, die stoischen Ermittler und die direkt und indirekt Betroffenen des Medikaments genau unter die Lupe genommen werden, ist generell ein schöner Ansatz. Bei dieser Masse an Figuren verliert die Serie viele von ihnen jedoch zwangsläufig immer wieder aus den Augen.
Die hervorragend aufgestellte Besetzung ist natürlich in der Lage, jeden Charakter auch dann noch mit viel Leben zu füllen, wenn er mal für eine gewisse Weile vergessen wird. Eine Bindung an eben diese Figuren herzustellen fällt angesichts der schieren Masse an Protagonist*innen aber immer schwerer, da viele von ihnen lang und breit eingeführt und schließlich eher rudimentär aufs Abstellgleis verfrachtet werden. Damit bleibt man zwar sehr nah dran an den wahren, schockierenden Begebenheiten, kann sich aber auch nicht auf eine wirklich stimmige Dramaturgie verlassen. Dass sich die Vorsitzenden des Konzerns Purdue immer wieder aus den Schlingen, die um ihre Hälse gelegt werden, herauswinden, sodass das ganze Spiel von vorne ausgetragen werden muss, verdeutlicht zwar sehr intensiv, wie schwierig es war, ihnen endlich die Hände auf den Rücken zu legen. Es ist bisweilen aber auch frustrierend, da man das Gefühl hat, die Serie würde sich über acht Folgen hinweg oft im Kreis drehen, was auch für die Weiterentwicklung der Figuren gilt. Ein Teufelskreis sozusagen, der hier zwar sehr klar und eindringlich bebildert wird, aber immer wieder damit zu kämpfen hat, dramaturgisch in gewisse Sackgassen zu geraten.
Grandiose Highlights gibt es dennoch immer wieder und der Kampf gegen Windmühlen, den die Helden und Heldinnen der Justiz hier ausfechten, ist in vielen Momenten emotional wiedergegeben. Der Cast, aus welchem ganz besonders die absolut preiswürdigen Performances von Michael Keaton und Kaitlyn Dever herausstechen, glänzt dabei fast durchweg... auch wenn eine etwas nuanciertere Darstellung seitens "Call me by your Name"-Star Michael Stuhlbarg ein wenig schöner gewesen wäre, denn der gibt seinen Konzernschef schon etwas arg am Rande der Überzeichnung. Der renommierte Cast trägt "Dopesick" dann auch über seine etwas zäheren Minuten und glänzt vor allem dann, wenn die Drehbücher so richtige Klötze zum Besten geben: Auf jede schwächere Szene folgt zumeist eine, die richtig gut ist und die schockierenden Wendungen lassen uns bisweilen am gesunden Menschenverstand zweifeln. Der wahre Opiumskandal der USA ist eine Geschichte, die dringend in filmischer Form erzählt werden musste und uns dabei immer wieder betroffen macht. Auch wenn der ein Jahr später erschienene "The Dropout" dramaturgisch und inszenatorisch stärker war, ist auch das hier noch gute Serienunterhaltung mit Anspruch, die unter die Haut zu gehen vermag.

Fazit: Trotz einer bisweilen etwas trockenen Inszenierung und einigen Längen sowie dramaturgischen Downfalls präsentiert "Dopesick" die schockierende Geschichte des Opiumskandals in intensiven acht Folgen - mit einem prächtigen Cast und erschütternden Momenten.

Note: 3



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