Direkt zum Hauptbereich

Beeindruckender Katastrophenfilm: Filmkritik zu "Der Sturm"

Der Druck ist groß auf den Schultern von Billy Tyne (George Clooney), Kapitän des Fischerbootes Andrea Gail. Die letzten Fänge waren nicht groß genug, das Geld wird knapp. Aus diesem Grund trommelt Tyne seine Crew nur zwei Tage nach der letzten Reise noch einmal zusammen, um endlich wieder eine ganze Menge Schwertfische zu sammeln. Nicht alle von ihnen sind begeistert, erneut hinaus zur See zu müssen, doch die finanziellen Nöte zwingen sie beinahe alle dazu. Als die ersten Fische an Bord sind, steigt die Stimmung an, doch braut sich am Horizont ein mächtiger Sturm zusammen, der aus gleich mehreren Fronten anbricht und sich zu einem gewaltigen Hurrican zu formieren droht. Und in diesen müssen Tyne und seine Männer hineinsegeln, wenn sie ihren Heimweg antreten wollen...

Der im letzten Jahr verstorbene Wolfgang Petersen hatte mit dem Drama "Das Boot" seinen eindrucksvollen Durchbruch - es war nur folgerichtig, dass er diese Qualitäten letztendlich auch in Hollywood noch einmal zur Schau stellen durfte. Und in den zwanzig Jahren, die zwischen "Das Boot" und der "Der Sturm" liegen, hat Petersen offensichtlich nichts verlernt: Die visuelle Kraft stimmt nach wie vor und drückt uns in der zweiten Hälfte mit aller Kraft in den Sessel. Darüber hinaus hat Petersen ein ordentliches Gespür für das Leben an Bord eines kleinen Schiffes gehabt: Er nimmt sich viel Zeit, seine sechs Charaktere (und noch einige weitere) einzuführen, sodass wir an jedem von ihnen hängen, sobald die ersten Wellen auf dem kleinen Kahn zusammenbrechen. Er gibt den armen Fischern an Bord Gesichter und Hintergründe, sodass sie alle lebendig wirken... wichtig für eine funktionierende Dramaturgie abseits der großen Katastrophenszenarien. Ein wenig schade ist es, dass die großen Konflikte rund um den Druck, der von Tynes Arbeitsgeber auf den Schultern des Kapitäns aufgebaut wird, später kaum noch thematisiert wird, doch nimmt sich der Film auch Zeit, um diese Seite der Medaille zu beleuchten.
An Bord des Schiffes spielen die zuvor eingeführten Dramen der Charaktere nur noch eine untergeordnete Rolle, doch ihren Zweck haben sie dennoch erfüllt - wir durften die sechs Männer zuvor deutlich besser kennenlernen als in vielen anderen Filmen dieses Genres und fiebern anschließend mit ihnen mit. Und das hat Petersen durchaus verstanden, sodass er die Kraft der Geschichte nicht nur visuell unterstreicht, sondern das große Drama rund um diese Figuren auch so schon lebt. Genüsslich kann sich der geborene Deutsche dann in großen Bildern austoben, die auch zweiundzwanzig Jahre später immer noch wahnsinnig eindrucksvoll aussehen: Die visuellen Effekte müssen sich vor Großproduktionen wie "The Day After Tomorrow" keineswegs verstecken und sehen immer noch mehr als achtbar aus. Die zweite Hälfte besteht dabei aus einer Aneinanderreihung von hochspannenden Szenen an Deck des kleinen Kahns, während der Score des großartigen James Horner dramatisch hämmert. Das ist sicherlich bisweilen arg pathetisch, verfehlt aber niemals seine Wirkung. Dabei kann auch der namhafte Cast überzeugen, wobei George Clooney, "Deepwater Horizon"-Star Mark Wahlberg und auch Diane Lane herausstechen - letztere sogar, obwohl ihr bloß die undankbare Rolle der an Land wartenden Freundin eines Fischers zugefallen ist, die sie jedoch in einigen großartigen Szenen mit einer enormen Wucht füllt.
Eine Nebenhandlung bezieht sich zudem auf ein weiteres Boot mitten auf See - eine Handlung, die dann doch für einige Längen sorgt. Im Gegensatz zu der Crew der Andrea Gail durften wir diese Charaktere nämlich vorab nicht kennenlernen, sondern bekommen diese quasi mittendrin auch noch zugeschoben, vollkommen losgelöst von der restlichen Handlung. Das wirkt ein wenig so, als wolle man die Filmzeit noch ein wenig auffüllen, um letztendlich auf die angepeilten zwei Stunden zu kommen, was für solch einen Blockbuster damals der Mindeststandard war. Immer wieder wird der Fokus dabei von dem Überlebenskampf der Andrea Gail weggezogen, was nicht gerade förderlich für die Dynamik ist. Dafür traut sich Petersen jedoch an anderer Seite, den Hollywood-Standards nicht nachzugeben: Er schraubt das Pathos nicht zwingend zurück, lässt es jedoch menschlich wirken, indem die Crew Fehler begeht, dafür aber nicht gescholten oder glorifiziert wird. Es sind einfach nur Menschen wie du und ich... und genau das macht den Schlussakt, der ebenso konsequent wie echt ist (schließlich beruht der Film immer noch auf einer wahren Geschichte), so dramatisch und eindrücklich.

Fazit: Wolfgang Petersens "Der Sturm" überzeugt durch eine enorme visuelle Kraft, die uns in der zweiten Hälfte in den Sessel drückt. Das funktioniert aber nur, weil sich der Regisseur zuvor genug Zeit nahm, um uns an die Charaktere zu binden, was sich dramaturgisch voll auszahlt... wenn auch nicht an jeder Stelle.

Note: 2-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid