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Starbesetzt und schockierend: Serienkritik zu "The Dropout"

Elizabeth Holmes (Amanda Seyfried) ist zu Beginn der 00er Jahre gerade neunzehn, als sie viel Aufmerksamkeit in der Medizinbranche auf sich zieht. Es beginnt mit kleinen Ideen, die schließlich zu einer Vision heranwachsen - eine Vision, die sie dazu bewegt, das College zu schmeißen und das dafür angesparte Geld ihrer Eltern (Michel Gill, Elizabeth Marvel) stattdessen in den Aufbau einer eigenen Firma zu investieren. Ihre Idee: Eigens entwickelte Blutschnelltests, die mehr als zweihundert Krankheiten quasi auf Knopfdruck erkennen können, was einer Revolution des rückstöndigen US-Gesundheitssystems gleich käme. Holmes steigt quasi zu einer Heiligen auf... und nutzt diese Position auf verheerende Art und Weise für eine beispiellose Betrugsmasche, welche etliche Menschen, für deren Gesundheit sie die Verantwortung übernehmen sollte, in Gefahr bringen.

Nach einer wahren und absolut schockierenden Geschichte brachte Disney Star vor einem Jahr diese aufsehenerregende Miniserie heraus. Wie viele Serien braucht "The Dropout" zu Beginn ein wenig, um wirkliche Begeisterung zu entfachen - Elizabeths erste Schritte in einer von Männern dominierten Welt, bei denen sie aufgrund ihres Geschlechts und ihres Alters nicht wirklich ernstgenommen wird, fallen noch etwas schwunglos aus und sind ein wenig formelhaft gestaltet. Mit fortschreitender Episodenanzahl nimmt die Geschichte mit immer mehr schockierenden Wendungen aber deutlich an Fahrt auf und ist im Mittelteil so dermaßen gut, dass man schier das Atmen vergisst. Auf temporeiche Art und Weise verbinden die Macher gleich mehrere Plots, wobei Elizabeth Holmes zwar das dramatische Zentrum bleibt, aber die Handlungen rund um mutige (Ex-)Mitarbeiter*innen, einen Journalisten und gierige Geldgeber mindestens ebenso gut geschrieben sind. Das erinnert in den geschliffenen Dialogen dann gar schon an Meisterwerke wie David Finchers "The Social Network" und erzählt ebenso vom Aufstieg einer Ikone, die sich diesen Sprung aufs Podest jedoch mit sehr viel miesen Tricks erkaufte.
Amanda Seyfried ist dabei in der Rolle der berüchtigten Betrügerin absolut glänzend aufgelegt und beherrscht jede ihrer Szenen nach Belieben - nicht immer wirklich glaubwürdig, aber stets mit einer grandiosen Energie. Man schaue sich nur mal ihre Körperlichkeit an, wenn sie gegen Ende geduckt und mit einem Buckel durch die Büroräume rennt. Bei anderen namhaften Cast-Mitgliedern bestehen dann sogar leichte Wiedererkennungsschwierigkeiten, was gemeinhin ja immer ein Zeichen dafür ist, dass die angeheuerten Schauspieler*innen sehr wandlungsfähig agieren. Wer Naveen Andrews zum Beispiel vornehmlich als Sayid Jarrah aus der Mystery-Serie "Lost" kennt, der dürfte sich verwundert die Augen reiben, wie schelmisch und gewitzt er hier rüberkommt... auch wenn die Chemie zu Seyfried in entscheidenden Momenten nicht immer ganz stimmt. Einen herrlich schrägen Auftritt legt auch William H. Macy hin, bei dem ich mir zu Beginn gar nicht sicher war, ob es sich überhaupt mit ihm handelt - mit einer riesigen Halbglatze und grimmigen, schwarzen Augen legt der "Magnolia"-Star aber auch hier eine Glanzleistung hin. Weiter ausgefüllt wird der beeindruckende Cast unter anderem noch mit Michel Gill und Elizabeth Marvel (beide bekannt aus der Netflix-Show "House of Cards") sowie "Prisoners"-Star Dylan Minnette in einer seiner bislang besten Rollen.
Über acht sehr kurzweilige Folgen hält "The Dropout" das Tempo dann, nach einigen etwas langwierigen Startschwierigkeiten, konstant hoch und steigert es immer mehr, bis am Ende scheinbar alle Charaktere aufeinander losgehen wollen. Die finale, achte Folge hält diesem extremen Auftrieb dann zwar nicht mehr ganz stand und dümpelt im Vergleich zu den vier vorherigen Episoden ein wenig zu gemütlich aus. Eine sehr runde Sache ist das aber trotzdem, die zudem gleich mehrere heiße Eisen auf ansprechende Art und Weise anfasst. So ist für die Macher nicht nur der zentrale Konflikt eines extremen Betrugs an Millionen von Patienten und Patientinnen der USA interessant, sondern auch diverse Rattenschwänze, die daran hingen. Besonders spannend ist dabei der Punkt, dass Elizabeth Holmes als aufstrebende junge Frau in einer Männerdomäne plötzlich eine Gefahr für den Feminismus ist und diesen bis heute in ihren Bereichen geschädigt hat. Da steckt dann immer wieder auch mehr drin als man erwartet, weswegen "The Dropout" für alle, die sich auch nur ansatzweise mit einem skandalträchtigen True-Story-Thriller mit Dramaelementen interessieren, hier dringend einschalten sollten.

Fazit: Mit einem hervorragenden Cast und einer schockierenden, wahren Geschichte glänzt "The Dropout" auf Disney Plus. Ein wenig Sitzfleisch wird zu Anfang noch vorausgesetzt, doch kommt der Plot erstmal in Schwung, hat die Serie uns schnell im Bann und lässt uns bis zum Ende nicht mehr los.

Note: 2-



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