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Diese Puppe ist maximal creepy: Filmkritik zu "M3GAN"

Gemma (Allison Williams) arbeitet als Spielzeugentwicklerin im Unternehmen "Funki" und muss urplötzlich das alleinige Sorgerecht für ihre Nichte Cady (Violet McGraw) übernehmen, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall zu Tode gekommen sind. Um ihre eigene Unzulänglichkeit bei der Erziehung des traumatisierten Kindes auszugleichen, stellt Gemma ihr den Prototyp eines hochintelligenten KI-Roboterts zur Seite: "Megan" (Amie Donald) soll als schnell lernende Spielgefährtin Cady wieder auf den rechten Kurs bringen und ganz nebenbei auch als Vorstellungsprojekt des neuen Spielzeugs dienen. Bald bemerkt Gemma jedoch, dass Megan auf ganz eigene Art und Weise lernt und alles tun würde, um die auf sie gekoppelte Cady zu beschützen... bis zum Mord.

Während der Sichtung von "M3GAN" musste ich (was sicherlich nicht überraschend ist) immer wieder an den Film "Childs Play" denken, die sich hier und da doch frappierend ähneln. Hüben wie drüben dreht eine eigentlich als Spielzeug entwickelte KI-Puppe durch und metzelt sich bald fröhlich durch die Nachbarschaft. Im direkten Vergleich hat das "Chucky"-Reboot aus dem Jahr 2019 zwei eklatante Vorteile. Zum anderen wird die Entwicklung einer selbstlernenden Puppe in "Childs Play" noch wesentlich detaillierter und sinniger erklärt - über Missverständnisse und falsche Annahmen bis hin zu ganz klaren Gefahrensituationen. In "Megan" dreht die titelgebende Puppe eher nebenbei durch, was zu einer recht flotten Eskalation auf Stufe 100 führt, die nicht ganz so clever hergeleitet wurde. Zudem fällt auch auf, dass der Film quasi in letzter Minute von einem blutigen Slasher zu einem massentauglichen PG13-Streifen zurechtgekürzt wurde - die Todesszenen fallen (im Gegensatz zum sehr splatterigen Chucky-Film) ziemlich knapp aus und man spürt stets, wo hier die Schere angesetzt wurde. Schade, denn mit einer höheren Altersfreigabe hätte das hier wirklich das Zeug für ein echtes Rumgematsche, an welches sich das Studio dann aber doch nicht heranwagen wollte.
Hier lässt "Megan" also dramaturgisch als auch im Sinne eines Horrorstreifens für Erwachsene einiges an Potenzial liegen, was man gerade in der zweiten Hälfte deutlich spürt, wenn der Film nach einem noch sehr ausführlichen Beginn plötzlich sehr arg an Tempo zulegt. Zuvor kann sich der Streifen von Regisseur Gerard Johnstone jedoch mehrfach behaupten und erzählt eine gekonnte Mischung aus sensiblem Familiendrama, cleverer Technik-Kritik und atmosphärisch dichtem Horrorfilm mit einer Menge morbidem Humor. Gerade die kleinen, feinen Szenen, in denen die titelgebende Puppe immer wieder Schlupflöcher sucht, um sich diversen Anweisungen zu widersetzen, bauen eine sehr schöne Atmosphäre auf, die in Verbindung mit dem gekonnten Look ordentlich schauern lassen. Das erinnert dann manchmal gar an ein Kammerspiel zwischen Puppe, Tante und Nichte, wobei sich alle Parteien gegenseitig auszustechen versuchen - für einen Mainstream-Horrorfilm ist das bisweilen sogar richtig tief erzählt und kann sogar an die Nieren gehen.
Natürlich ist die Kritik an dem Spielen mit einer hochintelligenten KI nicht sonderlich subtil - dass die Erschafferin dieser Technik nicht schon viel früher Lunte riecht, ist dramaturgisch nicht gerade sinnig und lässt den bis dahin einigermaßen intelligent und verschmitzt wirkenden Plot doch etwas fahriger wirken. Die Charaktere bleiben dennoch sauber gezeichnet und sorgen auch für einige schöne, zentrale Konflikte, wenn sich die Fragen nach einer Beziehungsperson plötzlich verschieben. "Megan" wirft dabei auch Fragen dahingehend auf, welche Arbeiten wir eigentlich an eine Technik abgeben können und sollten... und findet düstere Antworten. Das alles im Sinne eines gemeinen Slashers, der mal lachen lässt und immer wieder auch mordsspannend ist. Das ist zwar in Einzelszenen nicht unbedingt neu, aber zumindest effektiv inszeniert und hält den Adrenalinpegel angenehm hoch. Erst im recht typischen Klischee-Finale wird der Bogen dann doch etwas überspannt. Auf die bereits in Vorbereitung befindliche Fortsetzung freue ich mich dennoch - wenn diesmal nicht so sehr auf die Freigabe der FSK geschielt wird, könnte uns da sogar noch ein besserer Film ins Hause stehen.

Fazit: Dramaturgisch nicht immer ganz konsequent und leider arg unblutig - dennoch ist "M3GAN" dank einer dichten Atmosphäre, spannenden Grundkonflikten und einer wirklich schaurigen Titelantagonistin ein empfehlenswerter Horrorfilm, dessen zwar wenig subtile, aber dennoch treffsichere Äußerungen zum Thema KI-Technologie gar nicht mal dumm ausfallen.

Note: 3+



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