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Chantal im Märchenland

Chantal Ackermann (Jella Haase) ist eigentlich nur auf der Suche nach neuen Followern für ihren Instagram-Account, als sie während des Drehens für ein Video auf einen antiken Spiegel trifft. Durch diesen gelangt sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Zeynep (Gizem Emre) plötzlich in eine Märchenwelt, in welcher sie als Dornröschen agiert. Chantal hat jedoch keine Lust, sich auf die Geschichte des alten Märchens einzulassen und darauf zu warten, dass ein ihr unbekannter Prinz sie aus ihrem Turm rettet. Kurzerhand geht sie, auch um zu versuchen, wieder in ihre eigene Welt zurückzufinden, auf ihr eigenes Abenteuer, wobei sie sich nicht nur mit der finsteren Hexe Sansara (Nora Tschirner), sondern auch mit dem männlichen Patriarchat anlegt, welches im Mittelalter gar nichts von Frauen wissen will, die selbst zur Tat schreiten...

Im Jahr 2017 vollzog "Fack Ju Göhte 3" mit dem Schulabschluss zwar einen klaren Schnitt für das Ende der Reihe, doch es war natürlich völlig absurd anzunehmen, dass damit nun wirklich das Finale erreicht sein sollte. Dafür waren alle drei Teile der Reihe einfach viel zu erfolgreich und es war nur eine Frage der Zeit, bis man sich doch wieder bei den Charakteren bedienen wollte. Und natürlich avancierte "Chantal im Märchenland" mit dieser mächtigen Marke im Rücken zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres 2024 in Deutschland. Ich war jedoch von vornherein mehr als skeptisch, was nicht nur mit der dauerhaft nachlassenden Qualität der Hauptreihe, sondern auch mit dem neuen Ansatz zu tun hatte, den man nun verfolgt. Weg von der Schulbank und rein ins Fantasy-Genre, wobei Chantal und Gizem plötzlich durch einen Zauberspiegel in eine Märchenwelt gezogen werden... wie, was, warum? Diese Fragen sollte man sich hier natürlich nicht stellen, sondern das Gezeigte einfach akzeptieren - als Spin-Off der originalen "Fack Ju Göhte"-Reihe funktioniert dieser Film ohnehin nur durch ein paar verzichtbare Gastauftritte von bekannten Gesichtern so wie der allseits bekannten Darbietung der beiden Hauptdarstellerinnen Gizem Emre und natürlich Jella Haase.
Beiden merkt man zwar an, dass sie mittlerweile zu deutlich reiferen Rollen aufgebrochen sind, doch Spaß schienen sie dennoch gehabt zu haben, was man vor allem an den Outtakes am Ende des Films sieht... die übrigens das Witzigste sind, was man hier über zwei Stunden zu sehen bekommt. Und das ist natürlich schon mal ein schlechtes Zeichen, zeigt aber auch auf, dass auf der Witze-Front nur ganz, ganz schales Schmückwerk geboten wird. Es ist schon fast peinlich, wie sehr sich der Film mit ganzen Salven von Sprüchen und Onelinern bemüht, auf jeden Fall lustig zu sein, dabei aber nur zwei oder drei Mal ein kleines Schmunzeln hervorlockt. Darüber hinaus wirkt der Film mit seinen müden Anspielungen auf die originalen Filme und all den Sprüchen, die sich irgendwie um unzeitgemäße Märchen, um Disney, Beauty-Marken, Will Smith und Harvey Weinstein drehen, unfassbar bemüht. Etwas besser wird es, wenn der Film die zumindest ansatzweise "dramatischen" Konflikte seiner Hauptfigur mehr in den Fokus stellt. Auch hier natürlich keine Spur von irgendeiner stimmigen Subtilität, doch ist der Kampf, den die nur augenscheinlich etwas begrenzte Chantal hier den Männern ansagt, die ungefragt schlafende Frauen küssen und diesen am Tisch den Mund verbieten, einer, der zum aktuellen Zeitgeist passt und besonders das weibliche Publikum ansprechen und passend beraten dürfte.
Wobei man mit diesem Thema auch etwas spät dran ist: Disney hat selbst schon vor vielen Jahren angefangen, die unzeitgemäßen Geschichten und Charaktere ihrer originalen Werke mittels neuer Live-Action-Adaptionen anzupassen und generell wurde das Thema in jedem Medium bereits mehr als einmal durchgequatscht und kritisiert... dass "Chantal im Märchenland" nun nicht mehr zu sagen hat, als den aktuellen Konfliktstoff zu bekräftigen, wirkt reichlich seicht. Das Herz trägt der Film gegen Ende, wenn sich unsere Chantal als zeitgemäße Heldin den Bösewichtern stellen darf, zwar am rechten Fleck, aber wirklich gekonnt wirkt das auch nicht, da man hier zu simpel und ohne echten Mehrwert genau die moralischen Phrasen raushaut, die wir alle schon kennen. Es ist irgendwie schade, dass für so wenig Geschichte und Originalität dann ein solcher Aufwand entstanden ist, mit dem man auch einen richtigen, in Deutschland so aber nicht mehr entstehenden Fantasy-Film hätte entwickeln können. Denn zwar sehen die Szenenbilder auch hier noch nach Kulisse aus und viele der Spezialeffekte kommen unglaublich künstlich daher... für einen deutschen Film ist diese Technik aber dennoch beeindruckend. Und die Künstlichkeit entstammt bisweilen dann doch auch dem Regiestil von Bora Dagtekin, der mit stakkato-artigen Schnitten und grellen Farben die eigentlich hübschen Kulissen endgültig der Optik eines herzlosen Werbefilmchens angleicht.

Fazit: Das Fantasy-Spin-Off zur "Fack Ju Göhte"-Reihe agiert zwar ganz dem aktuellen Zeitgeist gemäß, wenn es bekannte Märchen einem feministischeren Ton unterordnet, hat aber auch nichts wirklich Neues zu dem bekannten Konflikt zu sagen. Darüber hinaus ist die Gag-Quote extrem mau, der technische Aufwand wird durch eine anstrengende Werbeclip-Ästhetik ruiniert und die Handlung ist noch dünner als in den letzten Teilen der Hauptreihe.

Note: 4-



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