Peter Sutherland (Gabriel Basso) arbeitet beim FBI auf einem Posten, der durchaus undankbar klingt: Stundenlang muss er im Weißen Haus in einem Raum ohne Fenster sitzen und auf ein Telefon starren, welches niemals klingelt... bis es das schließlich doch tut. Am anderen Ende der Leitung spricht eine junge Frau namens Rose (Luciane Buchanan) mit Sutherland und erzählt ihm unter Schock, dass sie soeben zwei Morde mitangesehen hat und der Killer nun auch hinter ihr her ist. Sutherland greift selbst ein, um die Frau zu retten, doch ist dies erst der Beginn einer Schnitzeljagd, an welcher ein riesiger Rattenschwanz zu hängen scheint. So scheint es nicht nur einen Maulwurf im Weißen Haus zu geben, sodass Sutherland und Rose auf ihrer Suche nach einem sicheren Ort niemandem wirklich trauen können. Auch die beiden Killer sind weiterhin hinter ihnen her und gehen bei ihrer Jagd auf die unfreiwillige Zeugin absolut gnadenlos vor...
Unter den zahlreichen Serien, die Netflix veröffentlicht, war "The Night Agent" im Jahr 2023 der wohl größte Überraschungserfolg - so erfolgreich, dass eine zweite Staffel schnell beschlossene Sache war. Diese ist kürzlich erschienen und gab für mich den Anlass, nun ebenfalls in die Geschichte rund um FBI-Agent Peter Sutherland einzutauchen. Innerhalb der vielen Serien und Filme, die sich mit einem Verschwörungs-Plot rund um das Weiße Haus und den darin agierenden Regierungsapparat beschäftigen und nebenbei noch eine recht klassische Agentengeschichte erzählen, erfindet die Serie das Rad sicherlich nicht neu. Im Gegenteil: Gerade viele inszenatorische Kniffe, die den Spannungsgehalt erhöhen sollen, kennen wir zu Genüge. Das ist hier aber keinesfalls negativ gemeint, denn leicht zu durchschauen ist die verflixt spannende Geschichte, die sehr schnell Tempo auf- und den Fuß anschließend kaum noch vom Gaspedal nimmt, nicht. Wir kennen zwar die inszenatorischen Tricks, mit denen wir auf falsche Fährten gelockt werden oder mit denen sich die prekäre Situation für die Hauptfiguren noch weiter zuspitzen lässt, was aber nicht heißt, dass wir nicht dennoch auf sie hereinfallen. Mehr als einmal führt uns der wendungsreiche, wenn auch nicht unbedingt tiefgründige Plot dabei clever an der Nase herum.
Gerade die erste Hälfte wirft förmlich um sich mit immer neuen Fragezeichen und Enthüllungen - dabei geradlinig genug, um nicht erschlagen zu werden und immer noch mit genügend wohltuenden Ruhepausen ausgestattet, um auch mit den Figuren auf einen Vibe zu kommen. Die arg actionlastige erste Episode ist dabei zum Glück nur ein etwas gehetzter Vorgeschmack, wobei später noch etwas deutlicher auf die ruhigeren Parts der Geschichte eingegangen wird und die verschiedenen Figuren auch abseits des Krimi-Plots genügend Fleisch auf die Knochen bekommen. Da das Tempo dennoch hoch bleibt, bekommen sie nicht alle genügend Zeit, doch es reicht, um mit den Helden mitzufiebern und die (nicht immer gleich als solche erkennbaren) Bösewichter zu verachten. Wie es das Genre oft verlangt, streift die Geschichte mit einigen herben Zufällen und etwas zu klischeehaften Momenten, bei denen innerhalb von wenigen Minuten eine Katastrophe auf dem Weg ist und gegen eine tickende Uhr gearbeitet werden muss, durchaus das Abstruse. Dennoch bleibt "The Night Agent", wenn auch nicht mehr wirklich glaubhaft und stets recht deutlich auf den nächsten Schockeffekt ausgerichtet, quasi durchweg mörderisch spannend.
Das liegt auch an den Charakteren: Keiner von ihnen ist mit sonderlich viel Tiefgründigkeit gesegnet, doch sie sind alle charmant genug, um ihnen gerne zu folgen. Dabei weicht man den üblichen Klischees nicht zwingend aus und verliert sich gegen Ende auch etwas zu arg in unpassendem Patriotismus, garniert mit den typischen Sprüchen a la "Ich liebe mein Land". Doch das schluckt man gerne, wenn die ganze Geschichte so spannend inszeniert ist und nebenbei auch noch mit sehr knackigen Actionszenen, sympathischem Humor und am Rande gar noch mit einigen recht bewegenden Familiendramen aufwartet. Und das Tempo über zehn Folgen durchweg so hochzuhalten, ohne das Publikum mit schnödem Dauerfeuer taubzuschießen, ist sicherlich auch keine leichte Angelegenheit, weswegen man dem Drehbuch einige zu abstruse Kniffe gerne verzeiht. Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß mit dieser trickreich aufgebauten und reichlich effektiven Geschichte, die im Grunde das Gegenteil des sehr realistisch angehauchten "Homeland" ist, dabei aber nicht viel schlechter agiert. Nur eben anders, ganz und gar klassisch und ohne große Ecken und Kanten. Manchmal ist genau das aber auch richtig fein - ich freue mich jedenfalls auf die zweite Staffel.
Fazit: "The Night Agent" ist ein hochspannender Thriller, dem es zwar an Tiefe fehlt und dessen Geschichte gegen Ende doch ein wenig abstrus wird. Das macht aber nichts, denn das Tempo bleibt hoch, die Charaktere sind durchweg charmant und die Wendungen stets unvorhersehbar, um dauerhaft bei der Stange zu halten.
Note: 2-
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