Sehr plötzlich und ohne Vorwarnung wird der ehemalige CGI-Artist Gareth (Franklin Ritch) zu einem FBI-Verhör gerufen. Von den beiden Agents Amos McCullough (David Girard) und Dena Helms (Sinda Nichols) wird er daraufhin erst mit unruhiger Freundlichkeit und schließlich mit stoischer Härte befragt. Als Gareth schließlich erfährt, was ihm vorgeworfen wird und wonach die beiden Agents normalerweise suchen, fällt er aus allen Wolken, da er sich keinerlei Schuld bewusst ist. Tatsächlich sind beide im Internet unterwegs, um pädophile Sex-Täter zu überführen. Dabei sind sie auch über Gareth gestolpert, der in einem ihrer Chatrooms sehr aktiv war. Gareth selbst ist jedoch kein Täter, sondern hat einen gänzlich anderen Grund, in diesen Chats aktiv zu sein... ein Grund, den McCullough und Helms erst nicht glauben wollen, der sie dann aber mehr schockiert und fasziniert, als gut für sie sein könnte.
Ich kann nur jedem empfehlen, diesen völlig unter dem Radar laufenden und in Deutschland ohne Kinostart angelaufenen Film so zu sehen wie ich - praktisch ohne Vorwissen und dementsprechend kaum wissend, auf was ich mich einlassen würde. Dabei geben der Trailer und prinzipiell auch der Filmtitel bereits vor, was die erste große Wendung nach rund zwanzig Minuten eigentlich ist. Diese hat mich recht kalt erwischt, scheint aber nicht als solche geplant gewesen zu sein, wenn sämtliche Werbemaßnahmen und offizielle Storybeschreibungen diese bereits vorweg nehmen. Doch auch darüber hinaus wartet "The Artifice Girl" immer wieder mit neuen Twists auf, die durchaus clever geschrieben sind. Der erste von drei Akten ist dennoch der intensivste, da der Film dabei sehr geschickt mit den Erwartungen des Publikums spielt, wenn die Suche nach pädophilen Sex-Tätern im Grunde nur der Aufhänger für einen fast ausschließlich aus Dialogen bestehenden Thriller ist, der eigentlich etwas ganz anderes, noch größeres zu besprechen hat.
Was prinzipiell schon ein kleiner Kritikpunkt ist, denn schon die den Film eröffnende Jagd auf diverse Monster aus dem Internet ist eigentlich so spannend, dass man gern mehr darüber erfahren würde. Mehr über die Methoden der offensichtlich höchst erfahrenen, von den Tätigkeiten aber auch mehrheitlich belasteten Ermittlern und den eigenen Motiven, die hier kurz angesprochen werden. Allerdings bleibt es hierbei bei diesen Ansätzen, bevor der Film mit dem zweiten Akt quasi völlig von dieser Geschichte der Verbrechensbekämpfung ablässt und sich ganz auf seine andere Geschichte konzentriert. Eine Zukunftsvision, die gerade in unserer heutigen Zeit so glaubwürdig wirkt, dass man glatt auf den Gedanken kommen könnte, dass das alles so heute bereits irgendwo möglich ist... auch weil sich das Drehbuch viel Zeit nimmt, um die genauen, technischen Hintergründe dieses ebenso makaberen wie unglaublichen Falls konkreter zu umfassen. Hier beeindruckt vor allem, aus einem Ensemble aus fast ausschließlich unbekannten Schauspieler*innen (mit Ausnahme des später auftretenden Lance Henriksen) herausragend, die junge Tatum Matthews, die mit ihren komplexen Dialogzeilen so berechnend umgeht, dass es einen glatt schauern kann.
Diesen Fokus behält der Film anschließend zwar bei, erzählt aber trotzdem keine ganz runde Geschichte. Das Thema des Films hat man in der Kinogeschichte schon mehrfach auf unterschiedlichste Art und Weise verarbeitet und wirklich neue Impulse kann "The Artifice Girl" dem dann auch nicht abringen. Trotzdem stellt er durchaus interessante Fragen, die zum Nachdenken anregen... auch wenn die Antworten auf diese etwas flach ausfallen und letztendlich nicht wirklich befriedigen. Gerade der letzte von drei Akten fällt deswegen etwas ab, da die Entwicklung der Geschichte hier in durchaus erwartbaren Bahnen verläuft und dem Film innerhalb dieses letzten Konflikts ein wenig die Luft auszugehen droht. Bis zu diesem Punkt hat man sich aber schon so gut unterhalten gefühlt, dass man da nicht mehr wirklich enttäuscht sein möchte: "The Artifice Girl" wird dahingehend zwar nicht in die Annalen der Filmgeschichte eingehen, was sein durchaus interessant aufgezogenes Thema angeht, aber er bleibt fordernd genug, um genügend Stoff zum Nachdenken und Diskutieren zu bieten.
Fazit: Ein Film, der die Erwartungen des unwissenden Publikums mehrfach clever unterläuft - das passt nicht immer und ist angesichts manch eines etwas unwirsch abgeschnittenen Handlungsstrangs auch mal enttäuschend. Ein wenig schaurig angesichts dieser gar nicht mal unglaubwürdigen Ideen und dementsprechend packend ist das Werk aber allemal.
Note: 3+
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