Seit zwölf Jahren wird Eve Macarro (Ana de Armas) von den Ruska Roma zu einer gnadenlosen und schier unaufhaltsamen Killerin ausgebildet. Als sie letztendlich dazu fähig ist, Aufträge für die Organisation anzunehmen, verfolgt sie jedoch schon bald ihr eigenes Ziel: Rache für ihren ermordeten Vater, dessen Tod sie im Kindesalter mit ansehen musste. Dabei verfolgt sie die Spuren einer mysteriösen Gruppe, die mit einem eingebrannten Kreuz an den Handgelenken gezeichnet sind und offensichtlich für den Mann arbeiten, der ihren Vater tötete - einen Mann, der sich schlicht den "Kanzler" (Gabriel Byrne) nennt. Auf ihrem eigenen Rachefeldzug droht sie, einen grauenvollen Konflikt zwischen den Männern des Kanzlers und den Ruska Roma auszulösen... und eine Eskalation scheint nur der Mann verhindern zu können, der aufgrund seiner eigenen Vergehen nun in der Schuld der Ruska Roma steht.
Natürlich ist die Idee, aus dem John Wick-Universum noch mehr Kapital zu schlagen und deswegen eine Reihe von Spin-Off's mit neuen Hauptfiguren zu produzieren, an vorderster Front eine finanzielle Entscheidung. Trotzdem macht diese Idee durchaus Sinn, denn die vier Hauptfilme deuteten schon immer an, dass es am Rande und unter all diesen mysteriösen und durchaus originellen Killern und ihren Organisationen durchaus interessante, eigene Geschichten zu erzählen gäbe. Und da dieses Storytelling schon immer irgendwie die Schwäche der Filme war, die sich besonders in den letzten Teilen mit ihrer schier aus den Angeln gehobenen Mythologie und den ziemlich biegsamen Regeln und Gesetzen verhoben, erschien es mehr als sinnvoll, nun wieder einen Schritt zurück zu gehen. Die einen mag es enttäuschen, dass Ballerina nur noch eine durch und durch geradlinige Rache-Geschichte erzählt, wie sie im Grunde schon im ersten John Wick aus dem Jahr 2014 durchgekaut wurde. Immerhin muss das Spin-Off dabei aber vergleichsweise wenig Gepäck mit sich herumtragen und klatscht die altbekannten Manirismen und Grundsätze der Auftragskiller-Welt allenfalls noch in ein paar gelungenen Referenzen und Anspielungen ab, um ansonsten sein eigenes Bier zu brauen.
Das führt dann natürlich dazu, dass die Geschichte (mal wieder) äußerst dünn ist. Die Charaktere bleiben auf ihre reinen Funktionen beschränkt und selbst die reine Hauptfigur ist eine ziemlich stoische und somit eher beliebige Frau, deren einziges Ziel die simple Rache ist. Solcherlei Einfachheiten kann man einem John Wick natürlich ebenso nachsagen, weswegen das nicht weiter als Kritikpunkt gelten soll... auch wenn man sich mit einer neuen Hauptfigur von solcherlei wenig komplexen Persönlichkeiten natürlich auch hätte lossagen können. Wie dem auch sei, eine physisch beeindruckend agierende Schauspielerin wie Ana de Armas vermag es jedenfalls spielend, einer solch ansonsten recht dünnen Charakterisierung noch einiges an Gravitas mitzugeben - die emotional aufgewühlte, voller Hass durchs Leben gehende Killerin nimmt man ihr ohne mit der Wimper zu zucken ab. Daneben kann dann kaum noch wer glänzen, denn die zahlreichen, prominenten Nebendarsteller, die man in den Trailern bereits erhaschen konnte, erfüllen nur selten mehr als einen Gastauftritt. Das gilt sowohl für den neu zum Franchise stoßenden Norman Reedus als auch für einige bekannte Gesichter der Vorgänger-Filme, wobei der Auftritt von Franchise-Aushängeschild Keanu Reeves aber zumindest größer ist als man zuvor erwartet hatte.
Etwas Sorgen machen musste man sich zuvor aber ausgerechnet wegen der Action, denn nun sitzt nicht mehr der große Chad Stahelski auf dem Regiestuhl, sondern mit Total Recall-Regisseur Len Wiseman eher ein Auftragsfilmer denn ein wirklicher Cineast. Überraschend, dass die ganz großen Action-Highlights dennoch weiterhin da sind: Die einzelnen Choreographien, ohne zerschnippelnde Schnitte oder wildes Kameragewackel, haben auch hier noch echten Wumms und lassen die einzelnen Akteure einige regelrecht brachiale Handgefechte zum Besten geben. Dafür liebt man diese Reihe natürlich auch, weswegen man froh sein darf, dass solcherlei aufwendige Highlights in ihrer Rasanz und Wucht nahezu unangetastet blieben. Wobei man dazu sagen muss, dass es diesmal an wirklich herausragenden Einzelszenen mangelt und sich im Grunde nur eine (wenn auch durchweg brillante) Prügelszene an die andere reiht. Mit der Ausnahme der Verwendung von nicht nur einem, sondern gleich zwei Flammenwerfern innerhalb des ungemein spektakulären Showdowns, sehen wir hier nichts, was wir nicht von der Hauptfilmreihe schon bestens gewohnt sind. Aber das ist natürlich Jammern auf höchstem Niveau, denn selbst die simpelsten Actionszenen dieser Reihe sind immer noch besser als neunzig Prozent der Konkurrenz. Und wenn dann auch noch die völlig übertriebene Überlänge des vierten John Wick-Films wegfällt und man sich, einiger lauer Dialoge zum Trotz, wieder mehr auf kompakte und weitestgehend flotte Laufzeiten von zwei Stunden festlegt, dann ermüden solcherlei Szenen in ihrer Länge auch nicht mehr.
Fazit: Frischen Wind haucht Ballerina der John Wick-Reihe nun nicht ein, doch das war offensichtlich auch nicht das Ziel. Stattdessen ist die Geschichte so dünn wie eh und je, die neue Hauptdarstellerin kann es locker mit Keanu Reeves aufnehmen und die Actionszenen sind zwar nicht mehr so spektakulär, aber immer noch genauso brachial wie zuvor. Für Fans ist also alles drin, was sie an dem Franchise lieben - etwas mehr Wagemut und Originalität, gerade angesichts dieses Worldbuildings, hätte es aber gerne sein dürfen.
Note: 3-
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