In einem Krankenhaus in der Schweiz geht die Pflegefachfrau Floria Lind (Leonie Benesch) gerade einem neuen Arbeitstag in der Spätschicht entgegen. Noch ahnt sie nicht, dass dieser Tag für sie ganz besonderen Druck bedeutet: Aufgrund von Unterbesetzung arbeitet sie im dritten Stock ganz allein an der Seite ihrer Kollegin Bea Schmid (Sonja Riesen). Das bedeutet, dass zahlreiche Patienten und Patientinnen, teilweise schwer krank, alleine unter Florias Aufsicht fallen. Mehrere zwischenzeitliche Notfälle lassen sie einige Patienten fast ganz ignorieren, zudem fordert ein besonders herrischer Privatpatient ihre Aufmerksamkeit. Unter dem enormen Stress des Tages muss Floria einen Weg finden, mit den verschiedenen Situationen ihrer Patienten umzugehen und darf zugleich sich selbst nicht vergessen, um unter diesem Druck nicht zusammenzubrechen oder gefährliche Fehler zu machen...
Der aus der Schweiz stammende Film Heldin geht als einer von vielen Kandidaten in das Rennen um den besten, ausländischen Film bei den kommenden Oscars im Jahr 2026. Ob er wirklich eine Nominierung erhält und dann gar ausgezeichnet wird, lässt sich jetzt natürlich noch nicht absehen. Je nach Konkurrenz hätte er es aber verdient: Heldin ist eine schiere Verbeugung vor den kaum vorstellbaren Kraftakten, die Pflegekräfte Tag für Tag begehen, um in diesem Job irgendwie noch Menschlichkeit zu bewahren und trotzdem die Durchsetzungskraft und Strenge haben, um in potenziell gefährlichen Situationen die Kontrolle zu behalten. Natürlich kann kein Film dieser Welt das Gefühl wirklich realistisch nachempfindbar machen, welches diese realen Pflegekräfte in ihrem Beruf haben. Doch ähnlich, wie uns Steven Spielberg vor mehr als fünfundzwanzig Jahren in seinem Kriegsdrama-Meisterwerk Der Soldat James Ryan erschreckend realistisch mit in den Schützengraben nahm, so versucht auch Regisseurin Petra Volpe, diesen Druck und den dauerhaften Stress, der sich immer weiter steigert, emotional und gar physisch empfindbar zu machen... und das gelingt ihr ohne Unterlass.
Ob der Film nun tatsächlich sehr realistisch den stressigen Alltag in einem Krankenhaus aus der Sicht einer Pflegekraft zeigt, kann ich ohne jede Erfahrung aus diesem Beruf natürlich nicht final beurteilen - das müssten andere Menschen übernehmen, die wirklich in diesem Bereich arbeiten. Ich kann jedoch sagen, dass der Film sich für mich sehr nahbar und echt anfühlte. Immer wieder schiebt er seine Protagonisten in eine wahre Wagenladung von Stresssituationen, gibt ihr nur wenige Ruhepausen, bevor gleich schon wieder das nächste Drama oder auch nur ein Moment wartet, dem sie sich widmen muss, obwohl sie eigentlich keine Zeit hat. Der flüssige Regiestil, untermalt mit vielen, aufwendigen Plansequenzen, einem drängenden Soundtrack und einer flügellosen Kamera, lässt uns ganz tief eintauchen. Das ist manchmal schwer zu verdauen, aber auch niemals effekthascherisch angelegt. Zwischen all diesen Situationen der Hektik und auch der schweren Schocks finden sich immer wieder bezeichnende und sehr berührende Situationen echter Menschlichkeit. Nur die Dialoge, die in mehreren Fällen etwas zu steif nachsynchronisiert wurden, fühlen sich hin und wieder etwas zu schwerfällig und aufgesagt an.
Was Leonie Benesch nach ihrer brillanten Leistung in Das Lehrerzimmer hier dann erneut aufs Parkett legt, lässt sich kaum genug loben. Ihre Floria ist in jeder Szene präsent und der fokussierte Faktor. Ihr schauen wir durchweg über die Schulter, fühlen ihren Druck, ihren emotionalen Schmerz, aber auch ihren Zorn, den sie immer wieder runterschlucken muss. Sie versteht ihre Patienten und nimmt ihre Wut auf sich, selbst wenn sie für ihre Dramen nichts kann. Wie Benesch mit einer ungemeinen Agilität, zeitgleich aber auch einer gefühlvollen Wucht durch die Krankenhausflure rennt, sprintet und manchmal gar nur noch schleicht, ist ein Paradebeispiel für grandioses, niemals affektiertes, sondern wahnsinnig nahbares Schauspiel. Benesch ist damit endgültig eine der wichtigsten Schauspielerinnen aus dem deutschen und schweizerischen Raum, die immer wieder in kleinen, aber sehr wichtigen Werken zu sehen ist und diese mit ihrer Präsenz zu adeln versteht, ohne sich unnötig in den Vordergrund zu drängen. Ein wichtiger Film, der seine klare Message rund um den Mangel an Pflegekräften wie ein dauerhaftes Ausrufezeichen vor sich herträgt und dabei auch mit dem Holzhammer zuhaut... wobei das angesichts dieser Message, die uns letztendlich alle etwas angeht, mehr als nur angemessen scheint.
Fazit: Ein packender, bewegender und erschütternder filmischer Beitrag zu dem großen Problem des Pflegemangels - aus der Sicht einer Pflegerin. Grandios gespielt, realistisch inszeniert und so aufwühlend, dass sich der pure Stress der Hauptfigur auf das Publikum überträgt.
Note: 2+
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