Im Jahr 1996 arbeitet Steve (Cillian Murphy) in Stanton Wood, einem großen Anwesen, welches zu einer Reformschule für höchst problematische und bisweilen gefährliche Jugendliche umgebaut wurde, um diesen eine letzte Chance zu geben, ihr Leben doch noch in gerade Bahnen zu lenken. An einem ohnehin bereits chaotischen Tag reist ein kleines Filmteam nach Stanton Hall, um dort einen Nachrichtenbeitrag über die Schule zu drehen, während Diskussionen in der Politik darüber gehalten werden, ob man diese aufgrund der horrenden Kosten, welche die Steuerzahler leisten müssen, überhaupt noch offen halten soll. Während Steve versucht, alles irgendwie unter Kontrolle zu halten, erhält der Jugendliche Shy (Jay Lycurgo) eine niederschmetternde Nachricht von seiner Familie, die alles verändert...
Steve, der vor einigen Tagen auf Netflix erschienen ist, nachdem er im September seine Kino-Premiere feierte, beruht auf einem 2023 erschienen Roman von Max Porter. Dem Regisseur Tim Mielants gelingt dabei ein recht feiner und ungeschönter Einblick in das Leben von Jugendlichen, die sich in eine Sackgasse manövriert haben. Dabei erliegt Mielants aber leider zu oft auch einem gewissen Klischee, was angesichts des ohnehin recht schwierigen Themas nicht immer schmeckt. Obwohl seine Inszenierung stets sehr bodenständig ist und durch die grobkörnige Optik und die flügellose Kamera den Eindruck macht, als befänden wir uns selbst mittendrin im turbulenten Geschehen in Stanton Wood, sind rein dramaturgisch einige Einfachheiten zu finden, die auf viel zu simple Art und Weise versuchen, das Drumherum noch einmal aufzuladen. Dabei gehen die vielen kleinen, feinen Momente zwar nicht unter, doch gibt es daneben zu viel typischen Hollywood-Kram zu beanstanden, den man in einem Film wie diesem nicht gebraucht hätte.
Sinnstiftend dafür ist das Filmteam, welches an der Schule einen Nachrichtenbeitrag zu drehen versucht. Diese sind offenkundig hinter puren Sensationen her und versuchen den Alltag in Stanton Wood somit zu drehen, dass möglichst "krasse" Aufnahmen dabei herauskommen... was selbstverständlich für einiges an Chaos sorgt. Obwohl sicherlich nicht ganz an der Realität vorbei, wirken diese namenlosen Menschen wie ein einziger, glatter Feind innerhalb der ansonsten reichlich doppelbödigen Figuren, was mit dem Auftreten eines schmalzigen Politikers zur Filmmitte auf den Höhepunkt getrieben wird. Hier versauert Steve dann plötzlich in einseitigen Klischees, die sich ansonsten nicht finden lassen. Gerade die Figuren der Jugendlichen sind angenehm ambivalent geschrieben, auch wenn die meisten von ihnen nicht über reine Stichwortgeber-Positionen hinauskommen. Auch die einzelnen Lehr- und Erziehungskräfte werden mit einem sinnigen Blick auf dieses komplexe Berufsbild passend charakterisiert.
Was uns natürlich unwiederbringlich zu Cillian Murphy und seiner übernächsten Hauptrolle seit seinem Oscar-Gewinn für Christopher Nolan's Oppenheimer führt. Erwartungsgemäß ist Murphy auch hier wieder schlichtweg brillant und beherrscht den gesamten, niemals wirklich stillstehenden Film mit seiner ganz eigenen, einnehmenden Gravitas, ohne den anderen Personen dabei aber das Licht des Scheinwerfers zu klauen. Ob man seiner auch so schon sattsam interessanten Figur nun auch noch ein physisches Drama inklusive Medikamenten-Schwäche hätte andrehen müssen, darf gerne diskutiert werden, denn auch hier bewegt man sich dann wieder freilich mindestens am Rande des sattsam bekannten Klischees. Das macht aber wenig, da Murphy auch diese etwas uninteressanteren Seite seiner Figur mit einer enormen Präsenz adelt. In weiteren Nebenrollen glänzen darüber hinaus solch illustre Namen wie Emily Watson, Tracey Ullman oder Roger Allam, die in wenigen, dafür aber treffsicheren Szenen Eindruck schinden können.
Fazit: Einige Klischees wirken störend und viel zu effekthascherisch im direkten Kontrast zu der eigentlich sehr bodenständigen und realistisch wirkenden Inszenierung. Trotzdem ist Steve ein bewegendes und augenöffnendes Drama, nicht zuletzt auch dank eines mal wieder brillanten Cillian Murphy in der Hauptrolle.
Note: 3
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