Direkt zum Hauptbereich

Horns

Nach wie vor versucht Daniel Radcliffe mit allen Mitteln, von seiner Rolle als Zauberlehrling Harry Potter wegzukommen und sich im Filmbusiness allerlei neue Türen zu öffnen. Und obwohl der bebrillte Schüler mit dem Zauberstab und der Blitznarbe wohl für immer die Rolle seines Lebens sein wird, kann man nicht verneinen, dass sich Radcliffe bereits abgesetzt hat von der familienfreundlichen Popcorn-Unterhaltung und zeigt, dass er ein Schauspieler ist, der auch abseits des großen Franchise bestehen kann. Ein erneutes Mal beweist er dies in dem schwarzhumorigen Horror-Thriller-Drama "Horns" von Gore-Experte Alexandre Aja...

HORNS


Ignatius Perrish (Daniel Radcliffe) soll seine Freundin Marrin (Juno Temple) in einem Waldstück getötet haben. Noch liegen keine eindeutigen Beweise vor, dennoch glaubt der gesamte Heimatort Ig's an seine Schuld und mit Ausnahme seiner Familie und seines besten Freundes Lee (Max Minghella) möchte ihm kaum jemand beistehen. Während Ignatius fieberhaft versucht, seine Unschuld zu beweisen, wachsen ihm eines Morgens nach einer durchzechten Nacht auf einmal Teufelshörner aus der Stirn... das letzte, was er nun noch gebrauchen könnte, denn nun halten ihn die Menschen aus seiner Umgebung nicht nur für einen Mörder, sondern gleich für einen Abgesandten aus der Hölle. Ig ist mit seinem Latein am Ende, bis er merkt, dass ihm seine Hörner auf der Suche nach der Wahrheit doch noch nützlich sein können...

Wer sich einen Film von Alexandre Aja ansieht, der weiß, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um ziemlich harten Tobak handelt. Und auch der Trailer von "Horns" (der auf einer Romanvorlage von Stephen Kings Sohn Joe Hill basiert) ließ erwarten, dass es hier mit einer großen Portion schwarzem Humor ziemlich zur Sache gehen könnte. Diese Erwartungen untergräbt Aja aber ziemlich flott, denn in Sachen Gore fährt der Film beinahe vollkommen auf Sparflamme und widmet sich anstattdessen einer recht kruden, aber nichtsdestotrotz faszinierenden Geschichte über einen jungen Mann, der seine Unschuld beweisen will und dabei irgendwie teuflische Mächte nutzen kann, um weiter zu gehen, als es irgendjemand sonst könnte. Dabei werden einige wirklich nette Ideen genutzt, wobei Ignatius Perrish dank seiner Hörner die dunkelsten, geheimsten Seiten eines jeden Menschen aufdecken kann. Dabei wird gerade in Sachen Verbalität gerne mal die ein oder andere Grenze gesprengt und man darf auch schon mal schockiert im Sessel zusammenzucken bei all den grausamen Wahrheiten, die scheinbar normale Menschen hier plötzlich unverblümt preisgeben. Diese Perversitäten werden aber immer wieder mit einem guten Schuss bösen und treffsicheren Humor garniert, sodass Lachen und Ekeln hier recht nahe beieinander liegen, was ziemlich gut passt. Auch die Story an sich haben Aja und Co. gut im Griff. Sie verlassen sich nicht auf bloße Effekthascherei, sondern nehmen sich Zeit für die zahlreichen Charaktere, welche sie innerhalb aufschlussreicher und hübsch gemachter Rückblenden (die mutigerweise auch mal längere Zeit andauern) erklären. Das mag dem ein oder anderen Horror-Fan dann glatt langweilen, für die Essenz der Geschichte (auch wenn sie noch speziell und überzogen angelegt ist) ist das aber wahrlich Gold wert. Kein Wunder, dass auch die Darsteller dabei zu glänzen wissen und es war wahrlich kein voreiliger Schuss des Trailers, hier Daniel Radcliffes bislang beste Performance zu bescheinigen, denn das ist sie. Mit merklich mehr Lockerheit und einigen emotional starken Ausbrüchen festigt sich Radcliffe als Charakter-Darsteller, der zwar sicher noch nicht zur ersten Profi-Liga gehören darf, langsam aber sicher aber immer mehr daran aufschließt. Der Rest der prominenten Riege rund um Max Minghella, Juno Temple, David Morse und Heather Graham bekommt weniger Zeit, versteht seine wenigen Szenen aber passend zu nutzen. Leider verstricken sich die Macher mit der Zeit etwas zu sehr in ihrem Wirrwarr aus emotionalen Stimmungen und können den Mix aus Drama, Horror, Thriller und schwarzer Komödie irgendwann nicht mehr bändigen, was zu einigen Längen und einem recht enttäuschenden, weil überzogenen und gar kitschigen Ende führt, welches kaum zum Rest des Films passen möchte. Auch schade ist es, dass Aja die Versprechungen des Trailers kaum einhalten kann, da die teuflische Personifikation kaum von der Leine gelassen wird und die Szenen, in denen Ignatius manipulativ Chaos stiftet, doch eher gering und in ihrer Länge enttäuschend ausfallen. Fazit: Eine klare Empfehlung für Fans des speziellen Horrors und für alle, die eine krude Story auch mal etwas tiefgründiger und verbal-makaber sehen möchten. Wegen eines niedrigen Levels an Abgefucktheit in Sachen Gore und einigen Längen reicht es zwar nicht zu einem endlichen Topfilm von Aja, aber immerhin zu einem unterhaltsamen, leicht zugänglichen Werk, welches sich am Ende dann aber leider etwas zu einfach macht.

Note: 3+


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se