Nun wird es aber langsam mal Zeit. Nachdem Leonardo DiCaprio 2014 den Oscar schon wieder nicht gewinnen konnte und sich die Internetgemeinde über den ständig übergangenen Star bereits lustig machte, dürfte nun kein Weg an ihm vorbeiführen: Als Hauptdarsteller in dem Abenteuer-Thriller "The Revenant" vereint er nämlich alles, was die Academy liebt. Er trägt den Film lange alleine auf seinen Schultern, er spielt eine historische Figur, er arbeitet mit intensiver Mimik und Gestik... und er ist so verdammt gut, dass man das Atmen vergisst. Für den Film an sich gilt dies leider nicht ganz, oder eher, nicht immer.
THE REVENANT
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden der Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio), sein Mischlingssohn Hawk (Forrest Goodluck) und ihre Kameraden und Verbündeten aus ihrem Lager von wilden Indianern unter schweren Verlusten vertrieben. Auf dem Weg in sichere Gefilde wird Glass von einem Bären attackiert und schwer verletzt... so schwer, dass man ihn schließlich zum Sterben zurücklässt. Dabei kommt auch sein Sohn durch die Hand des linkischen, brutalen Jägers Fitzgerald (Tom Hardy) ums Leben. Entgegen allen Glaubens stirbt Glass jedoch nicht und kämpft sich zurück ins Leben, nun angetrieben von Rache.
Für zwölf Oscars wurde "The Revenant" von dem vorjährigen Gewinner Alejandro G. Inarritu, der letztes Jahr mit "Birdman" bereits die Hauptpreise absahnte, nominiert und er wird sicherlich einige davon gewinnen. Ob er jedoch auch diesmal in den Hauptkategorien als Gewinner hervorgehen wird, ist noch mehr als unklar, denn, und das gilt es unbedingt festzuhalten, "The Revenant" ist trotz und vielleicht auch wegen des unglaublichen Hypes, der ihm momentan entgegengebracht wird, sicher nicht der beste Film des Jahres 2015. Es ist ein guter Film und einer, der wunderbar mutig, selbstbewusst und schonungslos genau mit den Dingen spielt, die im glattgebügelten Hollywood-Kino ansonsten ausgespart werden: Da wären mehrere gewalttätige Szenen, die gerade im Bereich Mensch gegen Natur bis aufs Äußerste ausgereizt werden. Dann wäre da der Hang zu einer gewissen Langsamkeit, welche uns wunderbare Aufnahmen der tödlichen, eisigen Natur gibt, dabei aber gerade im etwas zähen Mittelteil für spürbare Längen sorgt. Und dann wäre da schließlich auch noch der Mut, "The Revenant" beinahe ausschließlich zu einer recht einfach gestrickten und vollkommen ohne Überraschungen auskommenden Rachestory macht, die man im Kern so sicher schon einige Male gesehen hat. Gerade der letzte Punkt zieht, obwohl eben angenehm mutig, den Film runter, denn für 156 Minuten ist dieser Plot dann doch schon recht dünn, da helfen dann auch die großartig komponierten Bilder nicht viel, irgendwann langweilt man sich leider doch ein wenig, Gerade die Visionen und Träume, welche der schwer verletzte Hugh Glass mehrfach in Bezug zu seiner verstorbenen Frau und seinem Sohn hat, wirken wie Füllmaterial und auch ein kleiner Nebenplot über einen Indianerstamm auf der Suche nach einem entführten Mädchen ist im Grunde ebenso unnütz wie auch uninteressant. In Sachen Erzählung ist "The Revenant" also sicherlich keine Katastrophe, aber auf jeden Fall eine Enttäuschung, da doch deutlich zu wenig drinsteckt. Außergewöhnlich wird der Film erst auf technischer Ebene: Die vielleicht beste Kameraarbeit der letzten Jahre im Kino muss diesen Oscar bekommen, denn durch sie entstehen schnittfreie Bilder in famosen Actionszenen (der Kampf mit dem Grizzly gehört zum intensivsten, was Film seit langem zu bieten hatte), was fast wirkt wie Magie. Ebenso wunderbar ist die Komposition aus Bild und Ton gelungen, unterstützt von einem grandiosen Makeup-Design, welches die schrecklichen Wunden, welche die Handlungsträger hier immer wieder davontragen, unangenehm echt aussehen lassen. Außergewöhnlich ist auch die Besetzung, allen voran natürlich Leonardo DiCaprio: In seiner vielleicht besten, weil intensivsten Performance, leidet er, er kriecht, er kämpft, er schreit. In bester DiCaprio-Manier ohne störendes Overacting, sondern mit genau dem richtigen Mix aus Ernsthaftigkeit und vollkommenem Kontrollverlust spielt dieser Mann hier so gut, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt, wobei er auch Tom Hardy an die Wand spielt... und schon der ist hier so gut, dass man ihn gerne mit diversen Preisen ausstatten möchte. DiCaprio MUSS dieses Jahr also ohne Wenn und Aber den Oscar gewinnen, eine solche Leistung scheint schlichtweg nicht mehr steigerbar. Fazit: "The Revenant" ist ein inszenatorisches Meisterwerk mit einem schlichtweg phänomenalen Hauptdarsteller. Grandiose Bilder und eine famose Kamera täuschen aber nicht immer über die dünne Handlung und einige Längen hinweg.
Note: 3+
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