Biopics gehören so ziemlich zum schwersten, was es im Filmbusiness so zu verfilmen gibt. Man muss das Leben eines Menschen passend auf Film bannen, dabei sowohl diejenigen unterhalten, die sich mit dem Stoff auch nicht kennen, aber auch wichtige Eckpunkte berücksichtigen. Viele filmische Biopics scheitern daran, auch eine ordentliche Geschichte zu erzählen und nicht nur alles Wichtige wie von einer Checkliste abzuhaken. Alle diese sollten sich "Walk the Line" zum Vorbild nehmen, denn wie uns hier ein großer, wichtiger Ausschnitt aus dem Leben des legendären Musikers Johnny Cash präsentiert wird, das ist schon ganz großes Kino.
WALK THE LINE
Johnny Cash (Joaquin Phoenix) ist arbeitslos, auf ihn und seine Frau Vivian (Ginnifer Goodwin) wartet die Zwangsräumung. Da kommt ihnen das Glück gerade recht, als es Cash schafft mit seiner erfolglosen Band einen Plattenvertrag an Land zu ziehen. Schon bald gehen sie zusammen mit der bekannten Sängerin June Carter (Reese Witherspoon) auf Tour, Cash feiert gigantische Erfolge. Dies soll jedoch nicht so bleiben, denn neben seiner unerwiderten Liebe zu June treten der Ärger mit seiner wirklichen Frau auf den Plan, weswegen Cash sich schließlich Alkohol, Drogen und Sex im Übermaß hingibt...
Natürlich könnten sich gerade Fans und Kenner von Johnny Cash und seinem ereignisreichen Leben hier über einige Dinge beschweren. So zum Beispiel, dass einige gewichtige Dinge vollkommen ausgelassen werden und gerade seine in die Höhe schießende Karriere in den 70er Jahren hier keinerlei Erwähnung findet. Oder, dass man (wenn man es genau nimmt) auf seine musikalischen Wege hier keinen genaueren Wert legt und dafür viel expliziter auf den Mensch Cash und seine Beziehung zu June Carter schaut. Genau dadurch gewinnt "Walk the Line" aber ungeheuer an Fahrt, denn er erzählt eine dramatische, spannende und intensiv präsentierte Geschichte, bei der es glatt egal sein könnte, ob sich das nun alles genau so zugetragen hat (wovon man ausgehen sollte, denn Cash und June gaben dem Drehbuch noch vor ihrem Tod ihren Segen) oder eben nicht, da es schlichtweg so phänomenal gut erzählt ist. Auf musikalische Einlagen muss natürlich dennoch nicht verzichtet werden und die Auftritte von Johnny Cash, June Carter und ihrer begleitenden Band zählen hier sicherlich zu den atmosphärischen Highlights, dennoch sind auch sie "nur" Begleitwerke in einer ansonsten sehr menschlichen Handlung, die im Grunde den Schemata eines Dramas mit Liebesgeschichte folgt, was man dem Film aber nicht ankreiden kann, da es eben wirklich alles so passiert ist. Erzählerisch flott, aber niemals hetzend arbeitet "Walk the Line" somit wichtige Eckpunkte aus Cashs Leben ab und konzentriert sich dabei mit fortschreitender Laufzeit immer mehr auf die im Mittelpunkt stehende Romanze zwischen ihm und seiner großen Liebe June Carter, welche einige schreckliche Höhen und vor allem Tiefen durchläuft. Das Drehbuch legt den beiden hier so dermaßen großartige Dialoge in den Mund, dass ein Schauspieler dabei nur jauchzen kann. Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon gereichte dieses zur sicherlich bislang besten Darstellung ihrer Karrieren: Beide spielen sich hier so dermaßen die Seele aus dem Leib, dass es schlichtweg Gänsehaut verursacht. Natürlich sieht Phoenix dem realen Johnny Cash nicht unbedingt ähnlich, er schafft es aber, durch körperliche Habbits und eine ungeheure Ausstrahlung, so sehr mit seiner Rolle zu verschmelzen, dass man dies schnell vergisst. Nur in wenigen Momenten überzieht er ein wenig, ansonsten liefert Phoenix hier eine meisterhafte Leistung. Mindestens ebenso gut ist mit der zuvor ja doch eher im tieferen Schauspiel weniger beachteten Reese Witherspoon, die für diese gnadenlos ehrliche, kraftvolle und bewegende Performance mehr als verdient einen Oscar gewann und dadurch in die A-Liga Hollywoods aufstieg. Dass beide ihre Songs dann sogar noch selber singen und auch dies trotz aller vorhergehenden Skepsis so verdammt gut tun, macht die Atmosphäre schlichtweg einzigartig. Und somit schafft "Walk the Line" eben genau das, woran viele Biopics scheitern: Es konzentriert sich auf einen Kern, der eine richtig gute Geschichte erzählt, vergisst dabei dennoch nicht seine Figuren und streut die anderen (längst nicht alle, aber alle, die für diesen Part eben wichtig sind) Storylines nebenbei ein, um das Ding rund zu machen. Dadurch entsteht ein kraftvolles Drama ohne Hänger, welches natürlich ab und zu ein wenig formelhaft wirkt und welches auch etwas zu plötzlich endet, was dem Vergnügen aber kaum einen ernsthaften Abbruch tut. Fazit: "Walk the Line" gehört sicherlich zu den besten musikalischen Biopics der Filmgeschichte und vielleicht auch zu den besten filmischen Biopics überhaupt, dank seiner hervorragenden Hauptdarsteller, einer wunderbaren Atmosphäre und geschliffen starken Dialogen in Kombination mit Cashs unvergesslicher Musik.
Note: 2
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