Manche Filme sausen schier an einem vorbei - oftmals entweder in hohem Tempo oder eben so klein und unscheinbar, dass man sie glatt übersieht. Als eine Freundin mir von einem dänischen Thriller erzählte, den sie in einer Sneak Preview gesehen und sie vollkommen gepackt hatte, wusste ich gar nicht, wovon die Rede war: "The Guilty" sollte er wohl heißen und sich dabei ausschließlich in einer Zentrale des Polizeinotrufs abspielen. Die Prämisse klang spannend, wenn ich auch skeptisch war - hatte solch ein Film wirklich genug zu erzählen, um an nur einem Handlungsort stattzufinden? Das Endergebnis sagt nun, nachdem ich den Film endlich gesehen habe, ziemlich deutlich "Ja"... auch wenn er keine Minute länger hätte laufen dürfen.
THE GUILTY
Gegen den Polizisten Asger Holm (Jakob Cedergren) läuft ein Gerichtsverfahren, am morgigen Tag soll er die entscheidende Aussage machen und anschließend wahrscheinlich wieder auf Streife gehen dürfen. Heute ist sein letzter Tag in der Notrufzentrale, als eine offensichtlich schwer verängstigte Frau anruft. Schnell stellt sich für Holm heraus, dass sie offenbar entführt worden ist und sich in einem fahrenden Auto befindet. Holm versucht mit der Hilfe seiner Streifenkollegen, den Wagen zu orten, wobei sich ihm jedoch viele Hindernisse entgegenstellen... und er schon bald Zeuge eines grausamen Verbrechens werden soll.
Filme, die ausschließlich an einem einzigen Ort spielen und genau durch diese räumliche Begrenzung eine enorme Spannung suggerieren, kennen wir schon: "Nicht auflegen!" war ein schnörkelloser und harter Thriller, der sich auf die Enge einer Telefonzelle beschränkte und "Buried" spielte gar nur in einem Sarg - mit einem lebendig begrabenen Protagonisten, dem wir die Daumen drückten. Wenn man es richtig anstellt, kann man durch diesen geringen Raum aber eine verflixt drückende und spannende Atmosphäre herstellen. Gelingt dies den Machern nicht, können sich 86 Minuten aber eben auch enorm lang anfühlen.
"The Guilty" verschießt sein bestes Pulver leider schon in den ersten zwanzig Minuten: Wir lernen den Alltag unseres Protagonisten durch eine Auswahl alltäglicher, harmloser Notrufe kennen, bis wir nach kurzer Warmlaufzeit schließlich mit eben dem Anruf konfrontiert werden, der die Haupthandlung ins Rollen bringt. Die ersten Schritte, in denen ein plötzlich sehr aufgeweckter Holm versucht, die Frau vom Telefon aus zu retten, sind dabei enorm packend geraten. Später lässt das Tempo zwar nicht nach, dennoch wird deutlich, dass sich die Macher rund um Regisseur Gustav Möller hin und wieder strecken müssen, um den Plot so zu füllen, dass es dem Zuschauer nicht langweilig wird. Die Geschichte reißt an dieser Stelle dann auch keine Bäume aus, hat aber immerhin ein paar überraschende Wendungen zu bieten, auch wenn sich hin und wieder doch ein paar kleine Längen einschleichen.
Wo der Plot im Kern nicht der Star ist, ist es aber der Hauptdarsteller, auf dem natürlich die Hauptlast des Films liegt. Von der ersten bis zur letzten Szene ist der Zuschauer mit Jakob Cedergren beinahe vollständig allein. Er steht durchgehend im Fokus, muss beinahe immer alleine agieren... selbst für einen renommierten Darsteller wäre dies eine Herausforderung, die alles andere als leicht zu bewältigen wäre. Cedergren jedoch, der sowohl optisch als auch in Sachen Ausstrahlung nicht dem typischen, glattgebügelten Hollywood-Profil entspricht, macht seine Sache außerordentlich gut und schafft es scheinbar mühelos und ohne sinnfreie Überzeichnungen, den Film auf seinen Schultern zu tragen.
Danken muss man auch Regisseur Möller, dem es nicht nur gelang, die örtliche Beschränkung durchzudrücken und ihr über 86 Minuten treu zu bleiben (keine einzige Sekunde lang filmt er aus der Zentrale heraus und bleibt sogar darin fast ausschließlich auf seinen Hauptdarsteller fokussiert), sondern auch Ruhe walten zu lassen. Selbst in Situationen, in denen es auf jede Sekunde ankommt, verhaspelt sich Möller nicht in hektischen Schnitten, bleibt bei seinem Protagonisten. Diese elektrisierende Ruhe ist es dann, die die Spannung aufbaut und sie schließlich explodieren lässt und ist somit eine ebenso mutige wie treffsichere Inszenierung, abseits der renommierten Genre-Klischees. Das ist dann unseren Sehgewohnheiten nicht angepasst und es bleibt zu bezweifeln, dass "The Guilty" abseits des Nischen-Publikums große Fans finden wird. Verdient hätte er es, trotz eines manchmal schleifenden Plots, aber durchaus, denn auch wenn es spannendere Filme mit ähnlicher Prämisse gibt, ist es immer wieder schön, wenn solch kleine Perlen etwas mehr Anhang finden.
Fazit: Obwohl der Film ausschließlich an einem Ort spielt und sich an seinem einzigen Protagonisten festbeißt, bleibt das Tempo über 80 Minuten lang hoch. Zwar baut "The Guilty" mit der Zeit ein wenig ab, ist dank seines brillanten Hauptdarstellers und der mutigen, entschleunigten Inszenierung aber dennoch einen Blick wert.
Note: 3+
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