Hat Chloe Grace Moretz etwa das Horror-Genre für sich entdeckt? Nachdem sie in den letzten Jahren sowohl Komödien als auch maue Blockbuster-Unterhaltung drehte und darin immer wieder bewies, dass sie eigentlich zu viel Größerem fähig ist, hat sie nun nach dem 2013 erschienenen "Carrie"-Remake gleich zwei neue Schocker im Gepäck: "Suspiria" habe ich vergangenen November im Kino leider verpasst, will ihn aber auf jeden Fall noch nachholen, und nun ist Moretz mit "Greta" gleich in einem neuen Horrorthriller zu sehen. Der Trailer sah durchaus spannend aus und ich freute mich bereits, eine meiner derzeitigen Lieblingsschaupielerinnen endlich wieder auf der großen Leinwand zu sehen... und dabei hoffentlich auch einen guten Film zu sichten.
GRETA
Die junge Frances McCullen (Chloe Grace Moretz) findet in der U-Bahn eine stehengelassene Handtasche und beschließt, sie ihrer Besitzerin zurückzugeben. Diese stellt sich als Dame mittleren Alters namens Greta Hideg (Isabelle Hupert) heraus, die alleine in ihrer Wohnung lebt und sich sehr über den neuen Besuch freut. Frances, die ihre Mutter vor einem Jahr verloren hat, freundet sich mit der einsamen Dame an... entdeckt jedoch bald darauf während eines gemeinsamen Abendessens etliche Handtaschen, versteckt in einem Wandschrank. Daraufhin bricht Frances den Kontakt verängstigt ab und muss sich mehreren verzweifelten Stalking-Attacken Gretas ausgesetzt sehen. Es scheint keinerlei Ausweg zu geben und schließlich eskaliert die Situation.
"Greta" beginnt atmosphärisch und in recht langsamem Tempo, was angesichts der knappen Laufzeit von nur 94 Minuten erstaunt. Regisseur Neil Jordan lässt sich angenehm viel Zeit, die aufkeimende Beziehung zwischen Greta und Frances aufzuzeigen und zeigt uns währenddessen auch das Leben letzterer. Aus den Augen der jungen Frau erleben wir den Stress in ihrem Nebenjob, das liebevolle Herumgezicke mit ihrer Mitbewohnerin Erica (überraschend auffallend: "It Follows"-Star Maika Monroe) und wie sie sich schließlich immer mehr auf Greta einschießt, in der sie anscheinend einen Ersatz für ihre verstorbene Mutter sucht. Natürlich wird es aber nicht bei diesem leisen Drama bleiben, denn wer den Trailer gesehen hat oder zumindest einen Blick auf das Plakat geworfen hat, der wird bereits wissen, dass diese von Anfang an etwas seltsam und viel zu freundlich auftretende Dame irgendeinen Dreck am Stecken hat.
Auch ab dem Moment, in dem sich der Ton also ändert und die arme Frances sich plötzlich mit einer Frau, die sie minütlich zu verfolgen scheint, konfrontiert sieht, behält Jordan seine schneidende Atmosphäre bei. Er nimmt sich genug Zeit, um einzelne Situationen zu beleuchten und sie spannungstechnisch treffsicher auszuspielen und erreicht seinen grandiosen Höhepunkt während einer Konfrontation der beiden Frauen in einem Restaurant. Jordan spielt geschickt mit den Erwartungen und treibt auch seine beiden Hauptdarstellerinnen an - "Let Me In"-Star Chloe Grace Moretz war zwar schon mal besser, wirkte schon mal lockerer und ungehemmter, findet hier nicht immer den passenden Zugang zu ihrer Figur, dass sie nach wie vor eine erstaunliche Leinwandpräsenz besitzt, ist unübersehbar.
Beherrschen tut hier aber ganz klar Titeldarstellerin Isabelle Huppert, die hier in einem Genre auftritt, was für sie Neuland bedeutet: Huppert kennen wir bislang eher aus Arthouse-Dramen, hier darf sie sich, auch wenn sie dann hin und wieder überzeichnet, mal richtig fies austoben und die Daumenschrauben mit jeder verstrichenen Minute noch etwas mehr anziehen. Nein, das ist schon ziemlich spannend, ohne dabei zu blöd zu sein - "Greta" vergisst in dieser Zeit auch seine Charaktere und deren innere Dramen nicht, ist nicht nur ein Horrorthriller, sondern auch eine erfrischend innig geschriebene Geschichte über zwei verlorene Frauen. Leider wandelt sich der Film in seinem letzten Drittel dann doch noch zum stumpfen Horrorfilm und verirrt sich ab einer bestimmten Wendung in Klischees.
Plötzlich handeln die meisten der Figuren erstaunlich dummdreist und der Film wäre wohl eine halbe Stunde eher zu Ende gewesen, wäre eine bestimmte Person mal mit aufs Polizeirevier gekommen und hätte eine andere nicht nur zwei, sondern eben mal drei Türen eingetreten. Da möchte man sich manchmal mit der Hand aufs Gesicht klatschen angesichts von so viel Dummheit... und das, obwohl die handelnden Figuren zuvor als durchaus intelligent und nachdenklich eingeführt wurden. Am Ende bekommen also auch die Mainstream-Zuschauer dank abgetrennter Gliedmaßen, Jumpscares und viel Gekreische noch das, weswegen sie ihr Ticket gezogen haben. Wirklich gut stehen tut das "Greta" dann aber nicht mehr, weswegen der Film eher uninspiriert, wenn auch in seiner finalen Konfrontation durchaus spannend und mit einer netten Wendung, in den Abspann läuft. Für die erste Stunde kann man ihm aber nur dankbar sein, auch wenn es wegen seines späteren Absturzes ganz klar nicht mehr für eine deutlich bessere Wertung reicht.
Fazit: "Greta" beginnt unglaublich gut als sensibles Drama, geht noch besser als atmosphärischer Stalking-Thriller mit zwei starken Hauptdarstellerinnen weiter... und endet als uninspirierter, lauter und dummer Horrorfilm. Hätte der Film so gut weitergemacht wie zuvor und wäre plötzlich nicht zu einem überzogenen Mainstream-Klischee verkommen, wir hätten hier eine kleine Genre-Perle gehabt.
Note: 3+
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