Seit dem vergangenen Jahr ist Schauspieler Andy Serkis auch als Regisseur tätig. Der Mann, der heute vor allem für die Motion-Capturing-Darstellungen von fantastischen und tierischen Wesen bekannt ist, inbesondere in den Blockbuster-Megaproduktionen "King Kong", "Planet der Affen" und natürlich "Der Herr der Ringe", hat bereits zwei Filme in petto, in welchen er ausschließlich hinter der Kamera die Strippen zig. Seine düstere Version der Dschungelbuch-Geschichte schaffte es dabei nicht ins Kino und wurde von Netflix vertrieben, wohingegen sein biografisches Drama "Solange ich atme" einen Lichtspielhaus vorweisen kann. Beide Filme sind daher sehr unterschiedlich, weswegen man Serkis zumindest keine Vorhersehbarkeit zu Last legen kann... dennoch wäre gerade bei diesem Werk noch etwas mehr möglich gewesen.
SOLANGE ICH ATME
Im Jahr 1958 wird bei dem plötzlich mit Schwächeanfällen konfrontierten Robin Cavendish (Andrew Garfield) im Alter von nur achtundzwanzig Jahren Polio diagnostiziert. In einer Zeit, in der die Krankheit bereits behandelt wurde, jedoch ausschließlich stationär ablief, wurde sein Leben zur reinen Tortur: Er verliert sämtliche Möglichkeiten zur Bewegung, mit Ausnahme seiner Mimik, beatmet werden muss er über ein technisches Gerät. Als Robin im Krankenhaus den Wunsch äußert, sterben zu dürfen, setzt seine Frau Diana (Claire Foy) mehrere Hebel in Gang: Ihr Mann soll ein möglichst normales Leben leben und nicht im Krankenhaus auf seinen Tod warten. Dabei weiß sie noch nicht, dass sie, ihr Mann und ihre gemeinsamen Freunde noch Geschichte schreiben und auch den anderen Schwerbehinderten mehrere Türen öffnen sollen...
Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit und wurde sogar von noch lebenden Familienangehörigen Cavendishs betraut - das man hier also möglichst sorgfältig darauf achtete, mit der Wahrheit nicht zu brechen, sollte klar sein. Trotzdem fühlt sich das nicht immer so richtig wahr an und ich hatte ein Problem mit dem Tonus, den "Solange ich atme" anschlug. Sicher, in erster Linie wollen alle Beteiligten, ebenso wie die Protagonisten im Film, Hoffnung verbreiten - sie zeigen den Mut zum Leben, das Jasagen zum Leben. Das geht ans Herz, hat einige großartige Momente großer Menschlichkeit zu bieten und wirkt aufbauend, gerade wenn man den biografischen und historischen Hintergrund beachtet - die Familie Cavendish hat etwas bewirkt, was bis heute nachhallt und daher definitiv einen Film verdient, der genau dies nachdrücklich festhält.
Trotzdem spart der Film gewisse Seiten zu oft aus: Er zeigt den Kampfeswillen des von "Spider-Man"-Star Andrew Garfield eindringlich gespielten Robin Cavendish, porträtiert eine Familie, die nicht aufgeben will, Hindernisse überwindet. Düstere Seiten werden dabei zwar ebenfalls angefasst, jedoch nicht zu lange thematisiert. Dabei gerät gerade Claire Foy, die nach "Aufbruch zum Mond" und "Unsane" zum wiederholten Male eine schlichtweg meisterhafte Darstellung darbringt, ins Hintertreffen: Was für eine Belastung diese Situation für sie und auch ihren Sohn Jonathan war, wie sie kämpfen musste, was sie alles in Bewegung setzte - der Film spart dies nicht vollständig aus, reißt solcherlei etwas kritischere Momente aber eben auch nur an, konzentriert sich darüber hinaus weitestgehend auf Robin selbst.
Das ist nicht schlecht und weiß trotz manch einer Länge und einer etwas zu braven, manchmal gar mutlosen Inszenierung seitens Serkis auch zu berühren. Es wirkt aber auf Dauer auch zu einseitig, selbst wenn "Solange ich atme" immer wieder ins Herz trifft und dank seiner durchweg starken Darsteller (bis in die Nebenrollen hinein ist der Film zum Beispiel mit den "Game of Thrones"-Recken Diana Rigg und Dean-Charles Chapman oder "Fluch der Karibik"-Star Tom Hollander in einer sympathischen Zwillings-Doppelrolle vortrefflich besetzt) zu unterhalten weiß. Gerne hätte ich aber mehr gesehen und abseits der Hoffnung die Seiten zu sehen bekommen, die nicht schön sind. Da "Solange ich atme" seine Geschichte über viele Jahre erzählt, ist es schade, dass wir diese Seiten so selten zu sehen bekommen, denn so verbaut der Film sich seinen glaubwürdigen Realitätsgehalt.
Die Seite, die er konkret abdeckt, weiß dabei durchaus zu gefallen, es ist aber eben nur die eine Seite und das wirkt beinahe ein wenig scheinheilig, nicht ehrlich genug. Vielleicht hatte man Angst, mit einer wirklich ehrlichen, geradezu schnonungslosen Version der Geschichte zu viele Zuschauer zu verprellen, doch gerade das wäre nötig gewesen. Vielleicht auch, um die hoffnungsvollen Emotionen in diesem Kontrast noch stärker herauszukristallisieren. Sehen wir aber nun den Film, der es geworden ist und nicht den, der es vielleicht hätte sein können, ist das immer noch gut, dürfte belehrend sein und uns einige fantastische Darstellerleistungen darbieten. Und das ist immerhin schon etwas.
Fazit: Andy Serkis' Inszenierung wirkt manchmal etwas zu glatt und generell erzählt er seine Geschichte zu einseitig - trotz des wahren Hintergrunds wirkt sie so nicht immer glaubwürdig. Getragen wird der Film indes von seinen fantastischen Darstellern... und zerreißt uns mit einigen Szenen schlichtweg das Herz.
Note: 3
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