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Was vom Tage übrig blieb

Man braucht kein besonders guter Filmkenner zu sein, um zu erkennen, dass der Stern des großen Anthony Hopkins langsam sinkt - der Altstar, der früher einer der versiertesten, talentiertesten und beliebtesten Schauspieler überhaupt war, hält sich heute zumeist mit Auftragsarbeiten wie dem müden Thriller "Collide", den mittelmäßigen "RED"-Filmen oder, als ganz besonderen Tiefpunkt, einer furchtbar nichtssagenden Rolle in dem ebenso furchtbaren fünften "Transformers"-Film über Wasser. Und obwohl zwischendrin noch wesentlich bessere Werke wie Darren Aronofskys "Noah" oder den drei "Thor"-Filmen innerhalb des Marvel Cinematic Universe dabei sind... von der Zeit, in der Hopkins ein brillanter Star war, als er sich als Hannibal Lecter zu einer Legende machte, ist er mittlerweile weit entfernt. Neben seiner Darstellung als psychopathischer Kannibale erregte Hopkins in den 90ern auch mit einem weiteren Film Aufsehen - dem historischen Drama "Was vom Tage übrig blieb", womit er sich eine weitere Oscarnominierung verdiente.

WAS VOM TAGE ÜBRIG BLIEB


Vor dem Zweiten Weltkrieg und während der Machtübernahme Hitlers war James Stevens (Anthony Hopkins) ein pflichtergebener Butler von Darlington Hall. In den Hallen sah er hochangesehene Personen ein und ausgehen und stellte sich gänzlich in den Dienst von Lord Darlington (James Fox) - es scheint sein gesamter Lebensinhalt zu sein. Da dieser mit den Nazis und ihren Ansichten sympathisiert, sieht sich bald auch Stevens mit der Frage konfrontiert, wie er zu der Situation stehen soll. Als mit Miss Kenton (Emma Thompson) eine weitere Haushälterin eingestellt wird, gibt es weitere Probleme...

Es ist natürlich ein sehr willkommener Oscarstoff - passenderweise wurde die Verfilmung des lange Zeit für unverfilmbar gehaltenen, gleichnamigen Romans von Kazuo Ishiguro dann auch für acht Oscars nominiert, konnte aber keine der begehrten Trophäen für sich beanspruchen. Das ist angesichts der großen und in dieser Nacht eben besser abgeschnittenen "Schindlers Liste" und "Das Piano" aber wahrlich keine Schande - gegen solche Meisterwerke darf man auch ruhig mal verlieren. Und obwohl auch "Was vom Tage übrig blieb" zur Zeit des Dritten Reichs spielt, ist es ein thematisch gänzlich anderer Film. Hier sehen wir nicht die Schrecken des Krieges, sondern erhalten in ebenso stillen wie einbindenden 134 Minuten einen Einblick in die Hierarchie einer Dienergesellschaft. Wir sehen ihren Alltag, ihre Verbundenheit zu den Menschen, denen sie dienen... und wir lernen auch, wie sie privat miteinander umgehen. 
Regisseur James Ivory, der zuvor unter anderem bereits mit "Zimmer mit Aussicht" große Erfolge feierte, verweigert sich dabei aufsehenerregenden Klischees, verzichtet auf spektakuläre Konflikte oder große, emotionale Ausbrüche. Und das, obwohl die Themen groß sind. Aber er spielt sie eben klein und beinahe im Hintergrund, was durchaus zur Hauptthematik passt - ein guter Diener bewegt sich so, dass man ihn kaum bemerkt. Und so agiert auch Anthony Hopkins und ist dabei, nur drei Jahre nach seiner angsteinflößenden Darstellung als Hannibal Lecter in dem meisterhaften Psychothriller "Das Schweigen der Lämmer", so brillant, so grundsympathisch und in tiefster Seele so verletzlich, dass man seinen Blick kaum von ihm wenden kann. Mit ungemein kleinen Gesten und ebenso kleinem Spiel verschwindet Hopkins praktisch hinter seiner Rolle - wir sehen den Butler, nicht mehr den Schauspieler. Ganz große Schauspielkunst, der sich auch "Saving Mr. Banks"-Star Emma Thompson anschließt. 
In den emotionalen Konflikten agiert sie ebenso herzzerreißend wie glaubwürdig und gibt dabei gemeinsam mit Hopkins ein schlichtweg umwerfendes Paar ab. Für viele Zuschauer dürften es dennoch recht lange 134 Minuten werden, denn Regisseur Ivory lässt die Ruhe vorherrschen und hat nicht vor, gewaltige Dramaturgie aus seiner Geschichte zu entstapfen. Der Film soll mehr als Schlupfloch in eine andere Zeit dienen, er stellt unbequeme Fragen, bleibt dabei jedoch auch angenehm menschlich. Er erlaubt uns, einen Blick in die Gefühlswelt eines Dieners, der im Grunde nur bedient und säubert, aber darüber hinaus ebenso ein Mensch mit Empfindungen, Wünschen und Träumen ist, zu werfen und dies gelingt Ivory mit Finesse, mit Empathie und leisem Humor. 
Das klingt im Kern nun kitschiger, als es im Film letztendlich ist - für die großen, emotionalen Ausbrüche ist immerhin wenig Platz, es hätte der Atmosphäre innerhalb des kühlen, weitwinkligen Hauses sicherlich auch geschadet. So kühl das Werk an der Oberfläche jedoch ist, umso mehr Herz schlummert im Inneren, wenn man nur genauer hinhört und vor allem hinsieht. Das kann auf den ein oder anderen dann durchaus trocken wirken und es ist aufgrund seiner Laufzeit auch sicherlich nicht kurzweilig - aber dieser Film weiß, was er zu erzählen hat und wie er es tun muss. Und das macht er sehr gut.

Fazit: Sensibles Zeitportrait mit einem fantastischen Anthony Hopkins auf der absoluten Höhe seines Könnens. Ruhig und gekonnt inszeniert, die kleinen Gesten zählen mehr als die großen, emotionalen Ausbrüche. Nicht kurzweilig, dafür aber interessant und tiefgründig.

Note: 2-




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