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Lincoln (2012)

Steven Spielberg ist bekannt dafür, in allen Belangen zu unterhalten: Er fühlt sich sowohl in spektakulären Mega-Blockbustern wie "Ready Player One" oder der "Indiana Jones"-Reihe zuhause, als auch in historischen Stoffen, tiefsinnigen Dramen und den kleinen Geschichten, die unser Herz berühren wollen. Dabei arbeitet er schier wie ein Besessener... doch nach der Produktion seiner Version von Abraham Lincolns letzten Jahren machte er eine Pause. Es dauerte drei Jahre, bis im Jahr 2015 mit dem enttäuschenden Thriller "Bridge of Spies" ein neuer Spielberg-Film in den Kinos anlief. Woran genau dies lag, das weiß ich nicht, doch ist zu vermuten, dass er sich mit "Lincoln" etwas verausgabte, entwarf er dabei doch detailgetreues Historienkino, dem es im Kern jedoch an Schwung und echter Dramaturgie mangelt...

LINCOLN


Im Jahr 1865, kurz vor seiner möglichen Wiederwahl, hat Präsident Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis) ein Ziel: Die Abschaffung der Sklaverei, somit also auch ein Verfassungszusatz mit einem eigenen Artikel, und dadurch auch das Beenden des grausamen Bürgerkrieges zwischen den Nord- und Südstaaten. Lincoln und sein Stab gehen auf Stimmenfang, wobei sie auch verzwicktere Methoden anwenden, um ihr Ziel zu erreichen und die Geschichte nicht nur zu verändern, sondern sie förmlich zu schreiben, in ein neues Zeitalter hinauszugehen. Während dieser Zeit des Krieges und des Umschwungs macht sich der zuvor so beliebte Präsident jedoch auch Feinde...

Es ist ein Stoff, der für Steven Spielberg wie gemacht scheint und der zu einer Zeit, in der sich der Regisseur vermehrt auf historische Stoffe konzentrierte (zuvor und danach widmete er sich dem Kriegsdrama "Gefährten" und dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden Thriller "Bridge of Spies"), schien dies wirklich zu passen: Die Geschichte von der Abschaffung der Sklaverei unter Präsident Lincoln als aufbauendes und dennoch wahrheitsgetreutes Geschichtswerk. Nach einem solchen Stoff legt sich natürlich auch die Academy die Finger, die "Lincoln" damals für sage und schreibe zwölf Oscars nominierte, von denen er immerhin zwei gewann - für das beste Szenenbild und den besten Hauptdarsteller. 
Beide Preise sind verdient: Wie von Spielberg gewohnt, ließ er jedes Set detailgetreu herrichten und die Reise in die Vergangenheit gelingt aufgrund einer schnörkellosen Kameraarbeit und durchaus düsterer, manchmal auch monotoner, aber dennoch durchweg anziehender Bilder. Und auch Daniel Day-Lewis ist erwartungsgemäß eine Bank: Der dreifach oscarprämierte Schauspieler, der kürzlich mit "Der seidene Faden" seine Abschiedsvorstellung auf den Kinoleinwänden gab, brilliert als Abraham Lincoln und ist hinter der fantastischen Maskenarbeit kaum noch zu erkennen. Dennoch gelingt es ihm, Lincoln facettenreiche Seiten abzuringen und sich frei zu machen von dem erbauenden, aber dennoch für einen abendfüllenden Spielfilm etwas zu einseitigen Maskeraden des stillen Helden. 
Genau diesen Noten widmet sich Spielberg dann aber teilweise zu genau, teilweise auch zu marginal und "Lincoln" kristallisiert sich als einer der wenigen Filme in seiner ansonsten beinahe makellosen Biografie heraus, in welcher der Regisseur oftmals nicht den richtigen Ton zu treffen vermag. Der etwas aufdringliche Soundtrack von dem meisterhaften Komponisten John Williams bettet die finsteren Bilder in ein Gefühl des Optimismus - genau dieses trägt Lincoln auch bis zu seinem ehrenhaften Ziel. Trotzdem bleibt Spielberg, obwohl er seinen Film abseits des Mainstreams mit Dialoglastigkeit und detaillierten Aussagen bemerkenswert sperrig inszeniert, hier zu simpel: Aus den Nebenfiguren, selbst wenn er ihnen viel Zeit widmet, kriegt er nicht mehr als die Seiten, die er für die Geschichte benötigt, heraus - viele bleiben oberflächlich. 
Auch die Handlung als solche ist wenig spannend geraten: Dass der Ausgang der Geschichte bekannt ist, dem kann Spielberg wenig hinzufügen - er gewinnt Lincoln keine neuen Facetten ab, sondern will eher durch Ausstattungswut und Detailreichtum unterhalten. Das tut er für eine gewisse Zeit, auf zweieinhalb Stunden vermag dies jedoch nicht zu packen. Bis zum packenden Finale im Gerichtssaal mäandert er zu oft auf diversen Nebenschauplätzen herum, tilgt seine Bilder in Finsternis, lässt manchmal ein Wort zu viel sprechen... besonders, da sich die Dialoge alsbald etwas im Kreis drehen, die Titelfigur immer wieder von der Wichtigkeit seiner Ziele spricht. Das sind wahre Worte, doch sind diese dem Zuschauer auch ohne deren ständige Wiederholung klar.

Fazit: Steven Spielbergs zwölffach oscarnominiertes Historienepos verzaubert besonders durch seinen Hauptdarsteller, darüber hinaus bleibt das dialoglastige Werk aber erstaunlich zahm. Es gewinnt der Geschichte keine neuen Facetten ab und gibt sich enorm sperrig, ohne auf Dauer packend genug zu sein.

Note: 4+




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