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Im Netz der Versuchung

Es gibt gewisse Filme, die schlichtweg verflixt schwer zu vermarkten sind. In einem Monat, in dem sich momentan und in den kommenden Wochen gigantische Blockbuster wie "Avengers: Endgame", "Detektiv Pikachu" und "John Wick, Kapitel 3" herumbalgen, ist es für kleinere Filme ohnehin schon schwer genug, noch Gehör zu finden - wenn diese dann aber auch noch so enorm am Mainstream vorbeischießen und die Erwartungen des Publikums unterwandern, wird es noch schwerer. Ein solches Kind ist "Im Netz der Versuchung", der im Grunde falsch beworben wurde... als irgendein Thriller, in dem es um Auftragsmord und Verführungen geht. Genau das ist der Film jedoch nicht und wird deswegen einige Zuschauer, die genau dies erwartet haben, mit Fragezeichen und erzürnten Mienen aus dem Kinosaal gehen lassen... womöglich sogar schon, bevor der Abspann überhaupt zu rollen begonnen hat.

IM NETZ DER VERSUCHUNG


Baker Dill (Matthew McConaughey) war ein Kriegsveteran, nun verdient er sich seine spärlichen Kröten als Bootskapitän eines kleinen Kahns, fährt Touristen von seiner Heimatinsel Plymouth ins offene Meer, um sie dort Thunfische und Haie jagen zu lassen. Dill hat sich dabei auch aufgrund seiner schier wahnwitzigen Art, einen bestimmten, gigantischen Fisch zu jagen, in eine Sackgasse manövriert und stößt sogar seinen Mitarbeiter Duke (Djimon Hounsou) vor den Kopf. Als eines Tages Karen Zariakas (Anne Hathaway), Bakers Freundin aus Kindertagen, auf seinem Kahn steht und ihn darum bittet, ihren sie schlagenden Ehemann Frank (Jason Clarke) auf eine Tour mitzunehmen, wo er als Haifutter im Meer enden soll, lehnt Baker klar ab. Zehn Millionen Dollar lassen ihn aber zumindest nachdenken und schließlich weiß er gar nicht mehr, was noch richtig und falsch ist... haben sich die Regeln etwa geändert?

Schon von Anfang an ist etwas merkwürdig an dieser Geschichte, die so im Kern eigentlich recht geradlinig und mainstreamig ablaufen könnte. Aber irgendetwas scheint mit dem manchmal verwirrt oder gar verbissen agierenden Protagonisten falsch zu laufen und wer ist eigentlich dieser seltsame Mann, der Baker Dill immer um Haaresbreite verpasst und ihm offenbar etwas Wichtiges mit auf den Weg geben möchte? Achtet man auf Details, fallen einem einige seltsame Dinge auf, doch erst nach über einer Stunde enträtselt der Film sich und zeigt, was er überhaupt für ein Film ist. Diese zentrale Wendung müsste eigentlich besprochen werden, schließlich dreht und wendet sich das Werk um eben diese, aber natürlich werde ich sie in meiner Rezension nicht spoilern. Es soll nur gesagt sein, dass sie alles, was wir zuvor gesehen haben, ad absurdum führt und zwei Welten kollidieren lässt - das mag dem einen gefallen, dem anderen weniger. 
Für mich persönlich war diese sehr spezielle Mixtur jedenfalls kein sehr erhellendes Filmerlebnis und man darf bezweifeln, dass diese besondere Wendung darauf noch einen enormen Einfluss hatte. An und für sich überzeugen nämlich beide Seiten oftmals nicht: Die Thriller-Story, die wir in der ersten Stunde erleben, ist nämlich eher mau und "Redemption"-Regisseur Steven Knight kann dabei auch nur wenige Fußnoten einbauen, die uns wirklich neugierig auf die Entblätterung des Mysteriums machen. Die Antwort, was das denn nun alles soll und was dahintersteckt, wird in dieser Form wohl kaum jemand vorher enträtseln - immerhin ist die Wendung in ihrer Skurillität aber zumindest clever genug, um nicht vollends zu verschrecken. Sie macht "Im Netz der Versuchung" zum Schlussspurt aber auch nicht besser, wenn wir mit einigen Antworten, aber noch immer nicht wirklich gebannt dasitzen und den Film über sein Finale hinweg durch seltsame Selbstfindungen zum Abschluss dümpeln lassen. 
Man fragt sich, ob man sich hier nicht vielleicht für eine der beiden "Geschichten" entschieden hätte, statt beide irgendwie parallel und verknüpft zu erzählen. So stechen sie sich nämlich gegenseitig aus und kommen zu keinem runden Ergebnis - es ist weder berührend noch sonderlich schockierend oder erhellend. Immerhin agiert Matthew McConaughey, der mich vor einigen Wochen in dem vollkommen fehlgeleiteten "Beach Bum" noch schrecklich nervte, diesmal wesentlich leiser. McConaughey neigt ja ohnehin gerne zum etwas überzogenen Overacting, hier nimmt er sich aber angenehm zurück. Negativ fällt da schon eher "Interstellar"-Star Anne Hathaway auf - womöglich war diese klischeehafte Bezeichnung ihrer Rolle aber auch vom Regisseur gewollt. Einen sehr soliden Eindruck hinterlässt hingegen der für "Blood Diamond" oscarnominierte Djimon Hounsou, der in einer prägnanten Nebenrolle so etwas wie die gute Seele sein darf, gegen Ende aber immer mehr verschwimmt. Insgesamt also ein Film, der ohnehin nur wenige Besucher sammeln und diese dann auch spalten wird. Es ist eben nicht das, was man erwartet... was man dann stattdessen kriegt, ist aber auch nicht richtig gut. Ein Experiment, welches man trotz guter Schauspieler und einer sauberen Inszenierung als Fehlschlag interpretieren muss.

Fazit: Verkopftes Wendungsexperiment, welches beide Seiten seiner Medaille nicht vollends verspielt, aber sie auch nicht rund verknüpfen kann. Die zentrale Wendung macht den Film, der sich dann um 180 Grad dreht, nicht besser - es bleibt ein etwas mauer, viel zu sinnbildlicher Thriller, der Ecken und Kanten hat, seine Zuschauer aber verprellen wird.

Note: 4+




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