Das Genre des Boxerfilms kann man ab einem bestimmten Punkt eben nicht mehr ganz neu erfinden. Was im Jahr 2010 dem brillanten "The Fighter" noch gelang, weil es weg vom reinen Sportdrama hin zum großartigen Schauspielerkino lief, zeigte schon mit der ersten "Creed"-Fortsetzung, die im Januar diesen Jahres in den Kinos anlief, klare Abnutzungserscheinungen. Wir kennen das Raster des Genres und es liegt dann zumeist an der Inszenierung und den Darstellern, solch bekannte Plots noch überdurchschnittlich anzulegen. "Training Day"-Regisseur Antoine Fuqua gelang dies im Jahr 2015 ebenfalls noch nicht, denn der liefert mit "Southpaw" einen weitestgehend unterhaltsamen, jedoch in keinster Weise kantigen Sportlerfilm ab, der aus den bekannten Manirismen des Genres besteht und darüber hinaus nicht zu überraschen weiß...
SOUTHPAW
Billy "The Great" Hope (Jake Gyllenhaal) ist der amtierende Champion im Halbschwergewicht und obwohl er seit etlichen Kämpfen ungeschlagen ist, übt seine Frau Maureen (Rachel McAdams) Kritik: Billy steckt viel zu viel ein, bis er schließlich explodiert und den Gegner förmlich in die Mangel nimmt - sie fürchtet daher um die Gesundheit ihres Mannes und das ihre gemeinsame Tochter Leila (Oona Laurence) schon bald einen Vater haben könnte, der mit schwerwiegenden, gesundheitlichen Spätfolgen seines Berufs zu kämpfen haben wird. Billy denkt bereits ans Aufhören, als ein schwerer Schicksalsschlag ihn auch privat auf die Bretter schickt - nun muss er für seine Familie kämpfen, die vollkommen auseinanderzubrechen droht und erneut in den Ring steigen... diesmal unter der Fuchtel eines neuen Trainers namens Tick Wills (Forest Whitaker), der mit Profisportlern in dieser Form aber eigentlich gar nichts zu tun haben möchte.
Es war eigentlich nicht zu erwarten, dass Antoine Fuqua mit diesem Film das Genre auf den Kopf stellen würde, ein wenig neugierig machten einige Namen vor und hinter der Kamera aber doch. Fuqua selbst machte sich mit dem Ausnahmethriller "Training Day" einen Namen, der bis heute nachhallt, machte seitdem aber eben auch viel Blockbusterware von der Stange, wie die "Equalizer"-Filme oder das zwiespältig aufgenommene Western-Remake "Die glorreichen Sieben". Interessanter waren da schon die Namen, die sich auf der Besetzungsliste tummeln: Forest Whitaker kann auch mal seelenlosere Werke mit seiner Präsenz aufwerten, was dann nicht unbedingt für die Qualität des Endprodukts stehen musste. Ein Jake Gyllenhaal sucht sich seine Projekte aber ja normalerweise sehr genau aus, schielt lieber aufs Charakterkino und hat über weite Strecken eine schlichtweg fabelhafte Filmografie vorzuweisen - spannend, dass er dabei sogar eine Rolle in dem kommenden Marvel-Blockbuster "Spider-Man: Far From Home" angenommen hat.
Die Wahrheit bezüglich "Southpaw" befindet sich erwartungsgemäß in der Mitte, bietet der Film doch im Grunde das, was man von dem Genre erwartet, nicht weniger, aber sicherlich auch nicht mehr. Die wenigen neuen Anstriche lassen sich an einer Hand abzählen, so beispielsweise der genauere Blick auf ein nützliches Deckungstraining oder das später immer mehr in den Fokus rückende Familiendrama, welches tatsächlich bewegend erzählt ist. Als reiner Plot ist der Film jedoch vollkommen überraschungsfrei und gleitet die altbekannten Muster und Abzweigungen ab - Sportler ist oben, Sportler fällt zu Boden, Sportler steht wieder auf und kämpft.
Solche Plots können auch immer noch packen, wenn man sie gut genug inszeniert, leider ist Regisseur Fuqua aber auf beiden Seiten zu wenig eingefallen. Seine Inszenierung ist sauber und gekonnt, doch hat man in dem Genre auch schon wesentlich spektakulärere Boxkämpfe gesehen, besser gefilmt, schmerzhafter, eindringlicher. Und auf der Handlungsebene hält er sich eben an das eher maue Skript von Kurt Sutter, der hier und da bei Genre-Kollegen spinkst und das dann eben so niederschreibt. Das ist dann einige Male recht umständlich und zäh erzählt, wird jedoch nach einem ziemlich schwachen ersten Drittel wesentlich besser, wenn das Familiendrama und Forest Whitaker in den Fokus rücken.
Sicherlich bleibt der Plot vorhersehbar, doch neben einem wie gewohnt bärenstarken Jake Gyllenhaal (der sich hierfür gleich nach dem meisterhaften "Nightcrawler" eine beachtenswerte Muskelmasse antrainierte) sind es tatsächlich "Black Panther"-Star Whitaker und die erstaunlich glaubwürdige und stark agierende Oona Laurence als Billys Tochter, die hier in einigen Szenen viel abgrasen. Zwar erfüllt Fuqua auch hier die tumben Klischees des weisen Kindes, welches seinem Vater eine Schulter bietet, Laurence selbst schafft es jedoch in einigen intensiven Momenten, ihrer Darstellung und auch der Figur der Leila zusätzliches Gewicht zu verleihen. Das verläuft dann weiter in bekannten Bahnen und ist deswegen immer wieder weniger aufregend - als Sportlerfilm ist "Southpaw" also wegen seiner schockierend wenigen Ausreißer nach oben wesentlich schwächer als als geradliniges und leiser erzähltes Familiendrama.
Fazit: Ein Boxerfilm unter vielen - trotz ganz starken Leistungen von Gyllenhaal, Whitaker und Laurence bleiben hier eben nur altbekannte Plots übrig, die in diesem Genre gang und gäbe sind. Überraschunge gibt es in Sachen Handlung und Inszenierung im Grunde keine, dafür massig Klischees. Unterhaltsam, aber unter seinen Möglichkeiten.
Note: 3-
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