Jeder Mensch lügt mehrmals am Tag. Sicher, das lässt sich so jetzt nicht hundertprozentig nachweisen, dennoch würde es mich verwundern, wenn dem nicht so wäre. Schließlich ist schon ein höfliches Lächeln gegenüber eines Kunden oder eines Freundes eine Lüge, wenn wir dieses in unserer psychischen Verfassung nicht so meinen. Zählt man Notlügen, Schleimereien und sogar das Selbstbelügen hinzu, von Schauspielern ganz zu schweigen, kommt man zu dem Schluss, dass die Menschheit aus Lügnern besteht. Tja, und was wäre, wenn das nicht mehr ginge? Wenn wir die Fähigkeiten des Lügens nie erlernt hätten, uns gar nicht bewusst wären, dass es möglich ist, nicht die Wahrheit zu sagen? Diese Prämisse gehört der britischen Komödie "Lügen macht erfinderisch"... ein Film, der aus dieser interessanten Ausgangssituation leider zu wenig macht.
LÜGEN MACHT ERFINDERISCH
In einer Parallelwelt hat die Menschheit niemals das Lügen gelernt. Alle sagen durchgehend die ungeschönte Wahrheit, es gibt keine Schauspieler und keine erfundenen Geschichten. In dieser Welt ist Mark Bellison (Ricky Gervais) ein unattraktiver Versager, kurz vor dem finanziellen Bankrott und bei seiner Herzensdame Anna McDoogles (Jennifer Garner) durchgefallen. Bis ihm eines Tages, als er kurz davor ist, aus seiner Wohnung zu fliegen, ein Licht aufgeht: Was, wenn er in der Bank behauptet, dass er eigentlich mehr Geld hat, als auf seinem Konto zu finden ist? Bellison entdeckt die Macht des Lügens und nutzt sie fortan für sich, um jegliche Mauern des Lebens zu überwinden... bis er es damit übertreibt und gar die ganze Menschheit beeinflusst.
Die Prämisse klingt mehr als interessant und generell gelingt es Ricky Gervais, der hier sein Regiedebüt gibt und gleichzeitig auch die Hauptrolle spielt, ein spaßiges Konzept aufzubauen, in welchem jegliche Form der Lüge aus der Welt verbannt ist und auch niemals existiert hat. Denkt man aber nur mal kurz über die Prämisse nach, fällt das Handlungskonstrukt natürlich schnell in sich zusammen - so ist allein schon das Vorlesen, welches hier den klassischen Unterhaltungsfilm ersetzt, hart an der Grenze des Machbaren. Zudem scheint Gervais so erpicht darauf zu sein, alle Menschen immerzu wahrheitssagend in Szene zu setzen, dass er dabei vergisst, dass es nur darum geht, dass sie nicht lügen können... und nicht, dass sie dazu gezwungen sind, immerzu alles zu sagen, was ihnen im Kopf herumgeht. Dass Gervais' Mark Bellison jedoch immer wieder von fremden Personen aus dem heiteren Himmel angesprochen wird, die ihm ihren Geisteszustand mitteilen, wirkt nicht nur nervig, sondern auf Dauer auch seltsam und bemüht, als würde man die Prämisse in jedem Ton und jedem Bild so lang und breit wie möglich auskosten wollen.
Die Qualität der Gags schwankt dabei stark und fällt aufgrund der eng gestrickten Weste, die der Film trägt, natürlich auch alsbald vorhersehbar aus. Zu Beginn ist es noch witzig, wen Bellison einem Verkehrspolizisten sagt, dass der Fahrer seines Wagens, der soeben Schlangenlinien fährt und seinen Mageninhalt erbricht, nicht betrunken ist und der dies sofort glaubt. Mit der Zeit nutzt sich dieses Schema jedoch ab und dem Film fällt darüber hinaus nicht mehr viel ein, um diese Lücke zu füllen. Stattdessen wird man einfach irgendwie verrückt und lässt den anfangs überglücklichen und später völlig überforderten Bellison durch mehrere Dilemma düsen. Denn wenn wirklich jeder jedes Wort glaubt, was aus seinem Mund kommt, dauert es nicht lang, bis sich da große Geschichten entspinnen. Vielleicht sind so ja auch einige uns heute bekannte Glaubensrichtungen entsprungen und man kann dabei auch einige ziemlich eindeutige Kritiken sehen, die der Film austeilt.
Etwas sanfter und nicht ganz so aggressiv hätte man hier zwar schon vorgehen können, generell ist der Mut angesichts solcher Themen wie dem blinden Glauben an Religion und Götter sowie der grundlegenden Naivität des Menschen aber bewundernswert. Leider ist "Lügen macht erfinderisch" im Kern aber selbst zu naiv und gutgläubig, um sich über solcherlei finstere Themen hinwegzusetzen und ist letztendlich braver und netter als er es gern wäre und vorgibt zu sein. Da driftet man schließlich in unpassenden Romantikkitsch ab und endet relativ bizarr, wobei ich diesbezüglich nicht zu viel vorwegnehmen müssen.
Die One-Man-Show des britischen Comedians Ricky Gervais ist dabei jedoch gerade in den Dialogszenen herrlich, während das Who-is-Who der britischen Schauspielgarde in großen, kleinen und Cameo-Rollen auftrumpft und dabei wunderbar gegen den Strich besetzt ist. Das reicht dann nicht, um den Film, der wesentlich weniger als die Summe seiner Teile ist, zu retten, sorgt aber ansatzweise für gute Unterhaltung.
Fazit: Leider verliert Gervais schon bald die Kontrolle über die interessante Prämisse: Gags wiederholen sich im engen Korsett, die Handlung büßt den roten Faden ein und wird alsbald selbst zu einem naiven Klon seiner selbst - das ist schade und letztendlich doch zu simpel und harmlos, um einen stärkeren Eindruck zu hinterlassen.
Note: 4+
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