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Kin

Bezüglich des Kinostarts des Science-Fiction-Actioners "Kin" war es in meinem Stammkino etwas seltsam. Dort hing schon früh ein großes Poster des Films, auch die Trailer liefen regelmäßig vor passenden Genrefilmen. Der Kinostart wurde letztendlich verlegt und plötzlich war der offizielle Start in Deutschland dar, in meinem Stammkino fehlte von "Kin" jedoch jede Spur. Erst dachte ich, angesichts der ganzen Verschiebungen und der großen Konkurrenz hätte ich den Film irgendwie übersehen, tatsächlich lief er aber gar nicht bei uns an. Vielleicht bekamen die großen Kinos, angesichts der enorm schwachen Zahlen in den USA, doch noch kalte Füße, aber wieso einen Mainstream-Blockbuster, der zumindest die Zielgruppe irgendwie hätte anlocken können, so großspurig bewerben, wenn man ihm dann nicht mal Leinwände gibt? Jetzt habe ich "Kin" bei Amazon Prime nachgeholt und hegte geringe Erwartungen... diesen ist der Film entsprochen, ohne sie dabei zu unterbieten.

KIN


Der junge Eli (Myles Truitt) lebt allein bei seinem Adoptivvater Hal (Dennis Quaid), bis eines Tages dessen leiblicher Sohn Jimmy (Jack Reynor) nach einem langen Gefängnisaufenthalt zurückkehrt und das karge Familiendasein durcheinanderbringt. Beinahe zeitgleich findet Eli bei einem seiner nächtlichen Streifzüge durch verlassene Gebäude eine futuristische Waffe, die er für sich behält. Als Jimmy und Hal Ärger mit einer Gruppe Gangster, angeführt von dem zwielichtigen Taylor (James Franco) erhalten, muss Eli gemeinsam mit seinem Adoptivbruder fliehen... die Waffe im Gepäck. Zusammen bringen sie einige Meilen zwischen sich und ihre Gegenspieler, ahnen jedoch nicht, dass mehrere Fronten sie bereits verfolgen und dabei hinter dem her sind, was Eli vor einigen Tagen fand, nicht wissend, was er da an sich genommen hat.

Man merkt "Kin" von den Regisseuren Jonathan und Josh Banker von der ersten Minute an, dass hier erneut versucht wurde, ein potenzielles Franchise auf die Beine zu stellen. Diesmal liegt dem Werk zwar keine Romanvorlage zu Grunde, wie es bei vielen Fantasy-Jugend-Filmen der heutigen Zeit der Fall zu sein scheint, aber der Rest hat Wiedererkennungswert: "Kin" erzählt im Grunde nur das erste Kapitel einer Geschichte, führt die Figuren und eine gewisse Ausgangssituation ein und endet schließlich genau an dem Punkt, an welchem die Dinge erst richtig ins Rollen geraten, macht uns ein Sequel (welches angesichts der schwachen Einspielergebnisse in den USA aber wohl niemals kommen wird) regelrecht schmackhaft. 
Problematisch ist nur, dass das, was wir zuvor eben anderthalb Stunden gesehen haben, nicht ansatzweise so interessant ist wie das, was uns am Ende eben angeteasert wird. Die Brüder Banks reißen etliche Plotlines an, führen nur eine bereits in diesem Film zu einem Abschluss und wissen bis dahin gar nicht so richtig, was für eine Geschichte sie hier eigentlich erzählen wollen. "Kin" ist zu Teilen die Geschichte zweier Brüder und somit ein (wenn auch recht oberflächlich gehaltenes) Familiendrama, zu weiteren Teilen ein Sci-Fi-Actioner, ein Thriller und irgendwie gar ein Roadmovie. All das sind interessante Puzzleteile, die sich hier aber nicht zu einem runden Gesamtbild zusammenfügen lassen - der Film wirkt, als wolle er irgendwie alles sein und hätte auch das Potenzial dazu, hat aber leider einfach nicht genügend Schwung, um dem etwas Besonderes zu geben. Wie andere Kritiker bereits anmerkten, wäre die Geschichte in Form einer TV-Serie vielleicht wesentlich besser dran gewesen, bleibt hier innerhalb der hundert Minuten doch gar nicht genug Zeit, um den Figuren, deren Entwicklungen und den einzelnen Subplots genügend Luft zum Atmen zu geben. 
"Kin" lässt sich gerade angesichts der Geschichte der beiden Brüder und ihrer Beziehung zueinander angenehm viel Zeit und wirft mit der von "Phantastische Tierwesen"-Star Zoe Kravitz gespielten Milly noch eine weitere Figur in den Ring, die ebenfalls Potenzial für mehr hat. Leider machen die Regisseure viel zu wenig aus dem, was ihnen hier vorgelegt wurde und hadern auch bezüglich der Schauspielführung. "Transformers"-Star Jack Reynor und Newcomer Myles Truitt bleiben mit ihren müden Performances in den Hauptrollen austauschbar und blass und Kravitz bekommt nach einer vielversprechenden Einführung später irgendwie auch nichts mehr zu tun. Gewohnt schillernd agiert James Franco in der Rolle des Antagonisten, leider fehlt aber auch hier frisches Blut: In einem solchen Part haben wir Franco schon öfters durchdrehen sehen, weswegen seine Performance hier nun wahrlich nichts Besonderes mehr ist. 
Was bleibt am Ende also noch übrig? Die visuellen Effekte werden sparsam eingesetzt und sind solider Genre-Standard, die Actionszenen ebenso. Ein wenig harmloser Humor wird eingestreut, in den zwischenmenschlichen Beziehungen nimmt man sich zum Glück mehr Zeit, kann aber auch hier noch nicht ganz aus den Vollen schöpfen. Es ist eben das Schicksal, was vielen Erstlingswerken blüht, die daraufhin aber nicht mehr fortgesetzt werden: Es ist unfertig und kann allenfalls Potenzial vorweisen, welches in dieser Hinsicht ungenutzt bleiben wird. Schade irgendwie, denn das, was man hier gesehen hat, war zumindest in Teilen unterhaltsam.

Fazit: "Kin" ist nur das erste Kapitel einer Geschichte, die im Kino wohl nie eine Fortführung erfahren wird und fühlt sich deswegen auch merkwürdig unfertig an. Dass der Plot Potenzial hat und mit lebendigeren Schauspielern und etwas mehr Tiefe durchaus unterhalten kann, ist hier aber schon einige Male sichtbar gewesen.

Note: 3-




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