Ich mag Justiz-Thriller - Geschichten, in denen Menschen vor Gericht und in kargen Büros, mit dem Rücken zur Wand, für Gerechtigkeit kämpfen, packen mich immer wieder aufs Neue. Zudem mag ich ebenfalls, wenn auch nicht in allen ihrer Filme, Julia Roberts sehr gerne, sehe den im Januar diesen Jahres leider verstorbenen, britischen Charakterdarsteller Albert Finney sehr gerne und bin gerade hinsichtlich der Schauspieloscars immer neugierig auf die jeweiligen Filme, die mit diesem ausgezeichnet oder zumindest nominiert wurden. Warum also habe ich angesichts dieser Gesichtspunkte noch nie "Erin Brockovich" gesehen? Wahrscheinlich liegt es an der Masse der Filme, die auf ihre Sichtungen warten - man kann eben niemals einfach alles sehen. Nun habe ich das energiegeladene Justizdrama aber nachgeholt und hatte damit ungemein viel Freude...
ERIN BROCKOVICH
Erin Brockovich (Julia Roberts) wurde von ihrem Ex-Mann verlassen, ist Mutter von drei Kindern und plötzlich arbeitslos. Sie kann ihre Rechnungen kaum mehr bezahlen und wettert deswegen in eine Anwaltskanzlei, die zuvor einen Fall mit ihr als Unfallopfer verlor, wo sie zum Ausgleich einen Job verlangt. Der führende Rechtsanwalt Ed Masry (Albert Finney) ist davon nicht beeindruckt, vor allem da Brockovich kein Studium, dafür aber ein loses Mundwerk und einen fragwürdigen, freizügigen Kleidungsstil an den Tag legt. Als seine neue Angestellte jedoch plötzlich einen großen Fall an Land zieht, in welchem eine gigantische Firma offensichtlich wissend das Grundwasser mehrerer Wohnbezirke verseuchte, hält Masry an ihr fest... und begibt sich an ihrer Seite in einen bissigen Rechtsstreit.
Ja, es ist eine wahre Geschichte, die wir hier sehen und bezüglich des Marketing des im Jahr 2000 erschienenen Films war man sich auch nicht zu schade, diesen Fakt in Trailern und auf Filmplakaten großspurig darzulegen. Tatsächlich war dies aber nicht der Hauptgrund, mit dem man für eine Kinokarte warb, denn dieser hört auf den Namen seiner Hauptdarstellerin: Julia Roberts. Sie und die Figur, die sie verkörpert, sind der Dreh- und Angelpunkt des Films. Roberts kommt gefühlt in jeder Szene vor und beherrscht das Werk somit von vorne bis hinten, was letztendlich zu ihrem ersten (und bis jetzt einzigen) Oscar und zu einer herrlichen Darstellung führte, die bis heute als eine ihrer besten beredet wird. Und ja, Roberts ist fraglos brillant, geht wunderbar spielerisch und komödiantisch mit ihren Textzeilen um, besitzt eine wahnwitzige Präsenz, ungemein viel Spielfreude und weiß auch in den leiseren, ruhigeren Momenten durchweg zu überzeugen.
Etwas schade ist es nur, dass sie den Nebendarstellern in ihrer One-Woman-Show etwas den Wind aus den Segeln nimmt. Einzig und allein der großartige Albert Finney, hier ebenfalls völlig zurecht oscarnominiert, weiß als eine Mischung aus Erins Vorgesetztem und Partner vollends zu überzeugen, hat die Lacher auf seiner Seite und das Herz am rechten Fleck - eine nuancierte und treffsichere Meister-Performance. Der Rest bleibt dabei etwas auf der Strecke, was sowohl für die leider doch etwas kleine Rolle von "Two and a half Men"-Star Conchata Ferrell als auch für Aaron Eckhart gilt, der hier in einer eher laschen Romanze mit der Hauptdarstellerin kein echtes Feuer entwickelt und auf die Ersatzbank verbannt wird.
Generell ist es auch die Familiengeschichte, in der Eckharts Part alsbald eine Rolle spielt, die immer wieder etwas zu herb den Fuß vom Gas nimmt. Man versteht, wieso "Liberace"-Regisseur Steven Soderbergh sie hier so stark mit einbezogen hat und generell hat der Kampf einer jungen Mutter, die für Gerechtigkeit kämpft, obwohl sie kaum fähig ist, noch ihre Kinder zu ernähren, in einer solchen Geschichte seine Daseinsberechtigung. Da dieser hier insgesamt aber recht vorhersehbar abläuft und eher mit den Klischees spielt statt sie zu brechen, kann hier innerhalb der ansonsten sehr temporeichen 131 Minuten auch mal eine kleinere Länge auftreten.
Diese sind aber schnell vergessen, wenn man sieht, mit wie viel wahrer Ehrfurcht, aber auch Sinn für Humor der Regisseur diese mutige und kämpferische Frau portraitiert - er traut sich dabei auch, mal ihre Schwächen aufzuzeigen und zeichnet daher kein unglaubwürdiges Bild einer perfekten Heldin, sondern das einer klugen und rechtschaffenden Person, die Fehler macht, für diese einsteht und somit zu einem Vorbild wird. Was am Ende noch überraschend anmutet - "Erin Brockovich" ist tatsächlich kein Gerichtsfilm, gibt es hier doch nur eine vergleichsweise unspektakuläre Szene, die vor einem Richterpult spielt. Soderbergh konzentriert sich viel mehr auf Brockovichs stressiges Familienleben und das ebenso humorvoll wie clever inszenierte Suchen und Finden von Beweisen und Zeugen, was nicht minder interessant und streckenweise bewegend ist.
Fazit: Ein Film, der beinahe vollständig einer schlichtweg brillant aufspielenden Julia Roberts gehört, die sich hier in einer zeitlosen Darstellung mit Witz, Charme und Sexappeal unsterblich macht. Neben ihr überzeugt auch die bewegende Geschichte einer starken Frau und der Wahrheit, die sie aufgedeckt hat.
Note: 2-
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