Wenn es ein Jungstar in den vergangenen drei Jahren geschafft hat, quasi von heute auf morgen in die A-Liga Hollywoods aufzusteigen, dann ist es Lucas Hedges. Dabei wurde dieser nicht durch einen großen Blockbuster über Nacht bekannt, sondern formte sich seine Karriere durch eine bemerkenswerte Auswahl aus Indie-Dramen, in denen er stets mit einer brillanten Leistung glänzen konnte. Im Alter von zweiundzwanzig Jahren hat er somit bereits eine Oscarnominierung abgestaubt und mit Weltstars gedreht, die er dabei sogar noch oftmals an die Wand gespielt hat - Hedges gilt als einer der talentiertesten Schauspieler seiner Generation. Diesen Status untermauerte er im Januar 2019 zum wiederholten Male, als er neben Julia Roberts in dem intensiven Drama "Ben is back" auftrat - ein großartiger Film!
BEN IS BACK
Holly Burns (Julia Roberts) traut ihren Augen kaum, als am Weihnachtsmorgen urplötzlich ihr Sohn Ben (Lucas Hedges) vor der Tür steht. Dieser ist mitten im Entzug, hat sich jedoch dazu entschlossen, seine Familie zum Fest zu überraschen und sie zu besuchen. Während Holly vor Freude beinahe durchdreht, sich jedoch auch um die Gesundheit und die Sicherheit ihres Sohnes sorgt, sehen Hollys Ehemann Neal (Courtney B. Vance) und ihre Tochter Ivy (Kathryn Newton) die Situation sehr zwiegespalten, sprechen sich gar dafür aus, Ben nicht erneut aufzunehmen - der Zeitpunkt sei noch zu früh. Ben ist getroffen, doch seine Mutter setzt sich für ihn ein... bis es im sicheren Haus der Familie zu einem bedrohlichen Vorfall kommt.
In erster Linie ist der Film die Show seiner beiden Hauptdarsteller. Dass Lucas Hedges erneut so ungemein kraftvoll, glaubwürdig und energiegeladen auftritt, ohne dabei in irgendeiner Form zu überzeichnen, darf hier zum wiederholten Male erwähnt werden: Der Jungstar baut seine schlichtweg phänomenale Rollenauswahl weiterhin aus und bietet erneut eine schlichtweg entblätternde, faszinierende und packende Leistung an, die dem seiner Darstellungen aus "Manchester by the Sea" und "Lady Bird" keinen Deut nachsteht. Die meisten Szenen teilt er sich mit Julia Roberts, die ebenfalls eine grandiose Vorstellung abliefert, aber auch ein wenig darunter zu leiden hat, dass das Drehbuch ihr hin und wieder ein paar sehr merkwürdige Charaktersprünge auf den Leib schneidert. Das Skript lässt ihre Holly Burns oftmals extrem schnell zwischen ekstatischer Freude, brutaler Härte und Panik jumpen, was gerade innerhalb des hohen Tempos oftmals etwas obskur wirkt.
Diese manchmal etwas merkwürdige Zeichnung der weiblichen Hauptfigur ist, neben dem arg plötzlichen Ende, welches einige zuvor aufgenommene Konflikte unter den Tisch fallen lässt und für einen etwas unbefriedigenden Schlussspurt sorgt, aber so ziemlich das Einzige, was man "Ben is Back" dahingehend noch ankreiden kann. Darüber hinaus ist er nämlich ein sehr bewegender, packender und schlussendlich gar gnadenlos spannender Mix aus Familiendrama und Thriller, der beide Genres in zwei Hälften sorgsam vorbereitet und sie schließlich mit voller Kraft aufeinanderprallen lässt.
Intensive Momente reihen sich aneinander, der Plot wird von wenigen Charakteren getragen und hat Schwung, man bemüht sich um eine glaubwürdige Detaillierung der Ereignisse, bleibt dabei glaubwürdig und bemerkenswert nah dran an den Emotionen der Figuren. Auch geht "Ben is Back" vortrefflich mit dem Thema des Drogenmissbrauch um, zeigt die Folgen einer Sucht unmissverständlich und brutal auf. Muttergefühle werden nicht glorifiziert, spannende Themen greifen ineinander, der Film ist somit genau die Achterbahn der Gefühle, die Holly hier in vierundzwanzig Stunden durchläuft.
Spannend geht man dabei mit Ben Burns als Charakter um, dem man als Drogensüchtigen, dessen Worten und Taten man niemals glauben soll, eine spürbare Ambivalenz verleiht. Ben wird nicht zu einem tragischen Helden geschrieben, stattdessen geht der Zuschauer seinen Tricks hin und wieder ebenfalls auf den Leim - man bekommt ein ehrliches und belastendes Gefühl dafür, was ein Süchtiger tun kann und muss, um das zu erhalten, was er will und braucht. Dabei ist "Ben is Back" in seiner Charakterzeichnung nicht nur konsequent, sondern verzichtet auch auf überzeichnete Schwarz-Weiß-Bebilderungen: Keine Figur ist hier durchweg gut, aber auch fast keine durchweg böse. Die Figuren wirken daher menschlich, wenn sie auch Fehler machen, sich diese eingestehen können, aber dennoch keinen Weg aus ihrem inneren Gefängnis finden. Am Ende hätte man sich beinahe gewünscht, dass der Film noch ein wenig länger gewesen wäre, was wie gehabt stets eines der größten Komplimente ist, die man diesem Medium machen kann.
Fazit: Julia Roberts und Lucas Hedges sind als traumatisiertes Mutter-Sohn-Gespann eine wahre Wucht. Zudem findet "Ben is Back" genau die richtige Note in der Thematik der Drogensucht, bleibt ehrlich und sachlich, trickst den Zuschauer aus. Einzig das zu plötzliche Ende und manch ein unter den Teppich gekehrter, versacker Subplot stören hier ein wenig.
Note: 2
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