Direkt zum Hauptbereich

Yesterday

Auf "Yesterday" habe ich mich schon lange gefreut, es nun aber erst rund drei Wochen nach dem deutschen Kinostart geschafft, ihn zu sehen... was für mich, der ja gern sofort am Starttag ins Lichtspielhaus flitzt, eine lange Zeit ist. Woran lags? Zum einen daran, dass ich an einem Tag gerne zwei oder dreimal ins Kino gehe, zeitgleich zu "Yesterday" aber nichts anlief, was mich darüber hinaus interessierte. Die Woche darauf liefen mit "Der König der Löwen", "Anna" und "Child's Play" drei Blockbuster an, denen ich den Vorzug geben wollte... und in der darauffolgenden Woche war ich mit fest gebuchten Karten bereits unterwegs, als die Busse und Bahnen und der enormen Hitzewelle in Deutschland zusammenbrachen und meine Tour ein vorzeitiges Ende nahm. Pech eben. Nun ist es aber soweit und ich konnte Danny Boyles neuesten Film endlich sehen!

YESTERDAY


Jack Malik (Himesh Patel) ist ein erfolgloser Sänger und Songwriter, der sich mühselig von einem kleinen Gig zum nächsten schleppt und nebenbei in einem Supermarkt arbeitet. Als er eines Tages während eines verheerenden Stromausfalls, der die ganze Welt für zwölf Sekunden lahmlegt, einen Fahrradunfall hat, stellt sich sein Leben jedoch auf den Kopf. Kaum ist er aus dem Krankenhaus entlassen, stellt er fest, dass keiner seiner Freunde, und offenbar auch sonst niemand, eine Ahnung hat, wer die legendären Beatles sind. Jack kann die Geschehnisse kaum fassen und beginnt damit, die Songs als seine eigenen auszugeben, was ihm schon bald zu Ruhm verhilft und sogar den Kontakt zu Popstars und Agenten herstellt. Mit der Zeit steigt ihm der Ruhm und sein schlechtes Gewissen jedoch zu Kopf, was besonders seine ehemalige Managerin Ellie (Lily James) zu spüren bekommt...

Momentan erleben wir tatsächlich eine Reunion der Pop- und Rockmusik der 70er, 80er und 90er und nachdem wir zuletzt die starken bis guten Biopics von Freddie Mercury und Elton John in den Kinos bestaunen durften, folgt nun ein Film, der von der Musik und der Legende der Beatles geprägt ist. Es geht hier zwar nicht um deren musikalischen und persönlichen Werdegang, trotzdem lebt "Yesterday" in seiner interessanten und originellen Prämisse von dem, was uns Paul McCartney und Co. künstlerisch geschenkt haben. Der Film von "Slumdog Millionaire"-Regisseur Danny Boyle unterhält dank seiner einfallsreichen Ausgangssituation über zwei Stunden sehr gut, tappt aber auch in manch einen Fallstrick, den man hier eigentlich besser hätte vermeiden können. Ganz deutlich auf der Habenseite steht aber eine ganz starke Besetzung und eine wunderbare Musik. Beides war angesichts der Trailer und des Themas natürlich zu erwarten, soll hier aber trotzdem noch einmal deutlich erwähnt werden. 
Newcomer Himesh Patel macht einen fantastischen Job in der Hauptrolle, hat eine unglaublich angenehme Gesangsstimme und ist besonders in den leisen und komödiantischen Momenten ein echter Hingucker - gut möglich, dass wir von ihm in Zukunft noch eine Menge erwarten dürfen. Lily James war in Werken wie "Baby Driver" zwar schon mal deutlich besser, macht ihre Sache aber auch hier solide - sie strauchelt nur deswegen, weil die Liebesgeschichte, die ihr hier mit auf den Leib geschrieben wird, eher enttäuscht, doch dazu später mehr. Erwähnen muss und soll man auch Ed Sheeran, der sich hier nicht nur selbstironisch selber spielt (und das nicht nur als kleiner Cameo, sondern als prägnante Nebenrolle), sondern seine Sache dabei auch wesentlich besser macht als in vorherigen Film- und Serienauftritten. 
Musikalisch ist "Yesterday" natürlich ebenfalls eine große Nummer und die Songs der Beatles hier noch mal in aller Kraft auf der Leinwand zu hören, ist ein wunderbares Gefühl - hier wird noch einmal deutlich, wie die vier Jungs die Popkultur bereichert haben und die Konzertnummern gehören hier ganz klar zu den emotionalen und visuellen Highlights. Highlights sind dabei auch die Momente, die von der Ausgangssituation hergeführt werden und komödiantisch voll ins Ziel treffen: Die Szene, in welcher Jack zum ersten Mal klip und klar feststellt, dass die Beatles aus seltsamen Gründen (die im Film übrigens auch nicht näher ausgeführt werden, was aber kein Problem darstellt) verschwunden sind, ist unglaublich lustig, charmant und wunderbar getimt. Der Running Gag bezüglich dieser Thematik funktioniert dann ebenfalls ganz wunderbar, denn neben den Beatles sind auch andere Personen, Gegenstände und Popkulturinhalte einfach verschwunden und wie Jack nach und nach herausfindet, was es denn nun noch gibt und was nicht, ist schlichtweg wunderbar ironisch und ungemein lustig. 
Nein, im Kern ist das also alles sehr unterhaltsam, geht ans Herz und hat auch eine schöne Message zu bieten. Leider zehrt die etwas unglaubwürdige und gegen Ende ziemlich kitschige Lovestory etwas an den Nerven und nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Wichtige Themen wie Jacks Umgang mit seiner Lüge oder dem sich verändernden Leben durch den plötzlichen Ruhm werden kleingemacht, um sich einem persönlichen Problem zu widmen, was auf dem Papier nach einer guten Idee klingt, hier angesichts der wenigen Funken, die Patel und James zueinander versprühen, aber nicht ganz aufgeht. So wie der Plot im Gesamtkontext nicht immer richtig durchdacht wird, wird spürbar, dass man hier trotz düsterer Seiten auf das Massenpublikum abzielt und bloß niemandem auf die Füße treten will, weswegen das Werk viel simpler endet als es ihm gut tut. Etwas mehr Mut und etwas weniger unglaubwürdiger Schmalz wären dem Thema gegenüber angemessener gewesen.

Fazit: Dank der wunderbaren Musik, eines fantastischen Hauptdarstellers und einer ebenso spannenden wie originellen Ausgangssituation unterhält "Yesterday" über seine gesamte Laufzeit. Die halbgare und im Kern viel zu simple und kitschige Liebesgeschichte nimmt dem Film aber immer wieder deutlich den Wind aus den Segeln.

Note: 3+






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se