Direkt zum Hauptbereich

Late Night

Ich bin kein großer Fernsehfan. Seit ich meine eigene Wohnung habe, habe ich nicht mal mehr einen Fernsehanschluss und bin zu hundert Prozent auf Streamingdienste und BluRays umgestiegen. Was also im TV-Programm so passiert, geht zumeist an mir vorbei und sollte da doch mal etwas Wichtiges laufen, hole ich dieses auf YouTube oder in den Mediatheken nach. Mit Late-Night-Shows habe ich abgesehen von "TV Total" oder "Jimmy Kimmel" ebenfalls wenig Berührungspunkte gehabt - die Idee, mal hinter die Kulissen der ständig gut gelaunten Shows zu blicken, klang aber interessant. Mit einer frischen Besetzung und offensichtlich auch ein paar kritischen Themen im Gepäck ist "Late Night" nun auch in Deutschland angelaufen... und ich konnte nicht widerstehen, mit den charmant wirkenden Film gleich im Kino anzusehen.

LATE NIGHT


Seit Jahren ist Katherine Newbury (Emma Thompson) allabendlich auf den amerikanischen Geräten zu sehen: Die preisgekrönte Moderatorin alberte sich zuletzt aber reichlich lustlos durch ihre Late-Night-Show und wähnt sich selbst auf dem absteigenden Ast der Medien. Es ist also klar, dass eine Veränderung her muss, besonders da der Druck auf Katherine auch von außen steigt, wo man sich über ihre ausschließlich männliche und weiße Autoren-Riege ärgert. Da passt es tatsächlich, dass sich die junge und in diesem Bereich ansonsten noch völlig unerfahrene Molly (Mindy Kaling) als Gag-Schreiberin bei der Show beworben hat. Prompt wird sie eingestellt, obwohl jeder nur mit einem kurzen Besuch ihrerseits rechnet. Molly gelingt es mit der Zeit jedoch tatsächlich, frischen Wind einzubringen und eine Freundschaft mit der unnahbaren Katherine aufzubauen...

Wer wollte nicht schon einmal hinter die Kulissen einer dieser ständig gut gelaunten Late-Night-Shows blicken und erfahren, ob es dort dann ebenfalls immer so spaßig abläuft? Einen solchen Einblick gewährt uns "Late Night" nun und auch wenn dieser doch etwas überzeichnet bleibt, so kann man über rund 100 Minuten viel Spaß damit haben. Besonders in der ersten Hälfte, wenn Katherine Newbury noch als zeterndes Biest unterwegs ist, dass seine Angestellten lieber mit Nummern als mit Namen anspricht und sich gegen jede Form der Kritik an der eigenen Person mit einer schier umwerfenden Ballade aus Beleidigungen und Kontern entgegenstellt, ist der Spaß nahezu perfekt. Die Dialoge sind ungemein clever und witzig geschrieben und klingen aus den Mündern der bis in die Nebenrollen ansprechend belegten Besetzung niemals in irgendeiner Form gestelzt. Man darf hier tatsächlich einigen herrlichen Dialogfeuerwerken zusehen und sowohl die gesprochenen als auch die eher nebenher eingestreuten Gags zünden beinahe alle.
Daneben gelingt es "Late Night" aber auch schon in seiner ersten Hälfte, durchaus sympathische und glaubwürdige Figuren zu erschaffen, was in erster Linie für die von Comedy-Star Mindy Kaling gespielte Molly gilt - eine bessere Identifikationsfigur, enorm stimmig und dennoch nicht frei von Ecken und Kanten, hätte man dem Zuschauer kaum an die Hand geben können. Das Highlight bleibt aber natürlich "Im Rausch der Sterne"-Star Emma Thompson, die hier als stets mies gelaunte und sich auf dem Erfolg ihrer Show ausruhende Drachenlady eine wahre Glanzperformance aufs Parkett legt. Allein ihre umwerfende, nuancierte Mimik, wenn sie mal wieder einen ihrer armen Autoren aufs Glatteis führt und anschließend noch einmal kräftig nachtritt, sind das Eintrittsgeld wert. In den Nebenrollen sorgen derweil "Zeit der Zärtlichkeit"-Star John Lithgow und besonders Denis O'Hare als Katherines persönlicher Assistent für Präsenz - beide sind darüber hinaus auch für ruhigere Momente zuständig, die passend zwischen den Dialogkriegen eingestreut werden.
In der zweiten Hälfte bleibt "Late Night" derweil zwar immer noch eine Komödie, die sich dann aber stärker und auch ernster als zuvor mit aktuellen Themen beschäftigt. Auch hier schlägt sich der Film über weiteste Strecken noch sehr wacker, auch wenn er hier und da mit der schieren Masse seiner Fässer, die er noch öffnen will, etwas übertreibt. So ist zum Beispiel ein Ausflug in die Welt von "Me Too", wo diesmal tatsächlich eine Frau als Täterin auf der Bühne steht, im Grunde wichtig, ob es diesen aber zwischen all den anderen Kleinkriegen noch gebraucht hätte, ist zumindest diskutabel. Gegen Ende, wenn man auch etwas arg süßlich und nicht mehr ganz so frech wie zuvor in den Abspann läuft, entsteht der Eindruck, man wolle an vielen Fronten noch möglichst viel mitnehmen. Das lässt "Late Night" zwar nicht zerfasern, macht auf Dauer aber einen etwas angestrengten Eindruck. Insgesamt bleibt dennoch ein sehr unterhaltsamer Film, der trotz eines etwas schwächeren zweiten Aktes besonders wegen seiner zwei fabelhaften Hauptdarstellerinnen positiv in Erinnerung bleibt.

Fazit: Emma Thompson ist als grummeliger Drache eine schiere Wucht, die Dialoge sind geschnitten, scharf und urkomisch. Auch die Beziehungen zwischen den Charakteren nehmen dramaturgisch unterhaltsame Bahnen, gegen Ende übertreibt man es mit der schieren Überwahl ernster und aktueller Themen allerdings ein wenig.

Note: 3+







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...