Kim Ki-woo (Choi Woo-shik) lebt mit seiner Familie, bestehend aus Vater Ki-taek (Song Kang-ho), Mutter Chung-sook (Jang Hye-jin) und Ki-woos Schwester Ki-jung (Park So-dam), in einer heruntergekommenen Wohnung - sie müssen jedes Geldstück herumdrehen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Als Ki-woo eines Tages das Angebot eines Freundes erhält, dessen Nachhilfeschülerin zu unterrichten, da er selbst ins Ausland gehen wolle, nimmt er die Gelegenheit an: Schließlich ist diese Familie Park ungemein wohlhabend. Um seine Familie jedoch noch besser ernähren zu können, schleust Ki-woo auch seine Schwester in das Haus ein, welche den jüngsten Familienspross in Kunst unterrichten soll - Frau Park ist leichtgläubig und naiv genug, um dem beizustimmen. Doch damit soll der Plan noch nicht enden - mit der Zeit beginnt die Familie Kim, die Familie Park förmlich zu infiltrieren und sich mit allerlei Tricks und illegalen Methoden bei ihnen einzunisten, ihr Vertrauen zu erschleichen. Ein Konstrukt ensteht, welches den vieren jedoch alsbald auf die Füße zu fallen droht...
Es war die große Überraschung der diesjährigen Oscars: Zum ersten Mal gewann mit "Parasite" ein ausländischer Film den Hauptpreis für den besten Film und nahm darüber hinaus noch weitere Trophäen in den Kategorien Regie, Drehbuch und selbstverständlich als bester ausländischer Film in Empfang. Plötzlich war dem Werk eine gigantische Aufmerksamkeit gewiss... und auch ich, der sich dieses Werk vermutlich kaum angesehen hätte (da ich mit dem asiatischen Kino wenig bis gar nicht vertraut bin), kam erst durch diese mediale Unterstützung auf den grünen Zweig. Nun habe ich den Oscar-Gewinner, der so namhafte Konkurrenz wie "1917", "Joker" und "Little Women" ausstach, endlich sehen können. Kurz: Der Sieg ist verdient, hochverdient sogar. Denn selbst, wenn "Parasite" im letzten Drittel während der Umstellung seines Tons spürbar abbaut und man am Ende nicht mehr vollends beeindruckt ist, so gehört der Film von Regisseur Bong Joon-ho zum cleversten, bösesten und spannendsten, was das Kinojahr 2019 hervorgebracht hat.
Dabei ist es gar nicht der typische Stoff, den die Academy so gerne auszeichnet: "Parasite" ist über weite Strecken zynisch, immer wieder gar von skurillem Witz, kritisch, bösartig, kleinlich... und dabei ungemein elegant. Schon die Story grob zu umreißen, kann dabei einer Unmöglichkeit gleichkommen, denn erst, wenn man den Film gesehen hat, kann man eine Ahnung von der Wucht dieses Streifens zu erhalten, der etliche Themen mit viel Schwere in petto hat und sich dabei dennoch eine quasi entwaffnende Leichtigkeit bewahrt. Dabei wechselt "Parasite" schier im Sekundentakt von nervenzerfetzender Spannung, großer Dramatik und zum Brüllen komischer Komik... und dass ohne dass sich diese Genres dabei in irgendeiner Form auf die Füße treten würden. Da kann man dem oscarprämierten Drehbuch nur gratulieren, welches ein erstaunliches Pacing erschafft und dabei alle handelnden Charaktere durch die Bank weg auf den Punkt zeichnet. Es gibt wohl kaum einen Film im letzten Jahr, dem man die Worte "Man weiß nie, was als nächstes passiert" so dermaßen auf den Leib schreiben kann.
Dabei tappt das Skript auch in einige herbe Fehler und eine Wendung im Mittelteil ist dabei gar so skurill, dass es eigentlich einem Todesurteil gleichkommen müsste. Aber nein: Das Skript nutzt diese klaren Plotholes, diese Logiklücken und Schönheitsfehler und baut sie in seine wuchtige, griffige Inszenierung ein. Sicherlich hat der Plot von "Parasite" überdeutliche Flicken, bleibt aber in sich geschlossen - die Charaktere handeln selbst in diesen Momenten noch so glaubwürdig, wie es die innere Logik des Plots zulässt, was für allerlei Überraschungen sorgt. Das mag manch einen verstören, es droht sogar kurz, in die Lächerlichkeit zu gleiten... dabei ist Bong's Inszenierung aber wieder so ästhetisch, so dermaßen packend und schier sogartig, dass man über diese Makel, die sich einem schier aufdrängen, einfach hinwegsieht. Ich hätte es einem anderen Film wohl kaum verziehen, aber "Parasite" ist teils trotz und teils auch wegen solcherlei Fehlern einfach zu gut. Man kann nicht anders - man liebt ihn trotzdem.
Das hat die Academy offensichtlich ähnlich gesehen, innerhalb dieses Flickenteppichs, der so überraschend einen absolut runden und überzeugenden Film ergibt, dann auch diese mal im Subtext liegenden, mal auch ganz klar offensiven Messages gesehen: "Parasite" ist hin und wieder plakativ, seine Sozialkritik aber ist auch so dermaßen zielsicher, dass es schmerzt. Ein Psychogramm sondergleichen von zwei völlig verschiedenen Familien, die in seinem Sammelsurium aufeinanderprallen. Das ist eine solch unglaubwürdige Genre-Kulmination, dass sie einfach nur faszinieren kann. Und dann ist sie von allen Beteiligten auch noch herausragend gespielt, mit schwarzem Humor und cleveren, teils gar geistreichen Dialogen angereichert, den Sauerstoff etlicher Genres atmend, den sie hier gar noch den Stinkefinger zeigen. Nein, das ist nicht einfach zu verdauen und gegen Ende sind diese zuvor sympathischen, weil in sich irgendwie passenden Logikfehler dann doch etwas zu desaströs, um sie hier noch einfach abzuwinken. Aber es ist eine Faszination, die noch lange, sehr lange nachwirken wird.
Fazit: "Parasite" hat durch seinen Oscarauftritt Filmgeschichte geschrieben und wird auch darüber hinaus als packender, intelligenter, sogartiger Genre-Beitrag noch lange in Erinnerung bleiben. Großartig inszeniert, herausragend geschrieben, kritisch, bösartig, aktuell - bis auf die letzten zwanzig Minuten ein absolut brillanter Film!
Note: 2+
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