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High Society - Gegensätze ziehen sich an

Für die fünfundzwanzigjährige Anabel von Schlacht (Emilia Schüle) ist es ein gehöriger Schock, als sie plötzlich erfährt, dass sie als Neugeborenes im Krankenhaus offensichtlich vertauscht wurde. Und ein Mutterschaftstest beweist schließlich auch, dass nicht die adelige Industrielle Trixi (Iris Berben) ihre Mutter ist... sondern die aus dem sozialen Brennpunkt stammende Carmen Schlonz (Katja Riemann). Deren Tochter Aura (Caro Cult) soll daher Trixis Kind sein... und Trixi heißt diese auch sogleich zuhause willkommen. Anabel passt dies jedoch so gar nicht in den Kram, weswegen sie sich dazu entschließt, dem Reichtum den Rücken zu kehren und zu ihrer wahren Mutter zu finden. Dort muss sie jedoch einsehen, dass es sich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung schwierig lebt und das plötzliche Zudrehen des Geldhahns ebenfalls einige Probleme für die verwöhnte Anabel bereithält. Und dann ist da noch der schnuckelige Polizist Yann (Jannis Niewöhner), der Ex-Freund von Aura, der ein Auge auf Anabel wirft...

Es lässt sich aus dieser etwas wirren Zusammenfassung der Ausgangssituation vielleicht schon herauslesen: Die deutsche Komödie "High Society" aus dem Jahr 2017 ist so dermaßen vollgestopft mit einzelnen Konflikten, Familienstreitereien, Zeugungsfragen, Kritiken am System, Liebesdreiecken und noch viel mehr Kleinkram, dass 100 Minuten im Grunde hinten und vorne nicht ausreichen. Im Kern tun sie es aber doch, denn der eigentliche Plot rund um Anabel, die aus gutem Hause stammt, und Aura, die dem genauen Gegenteil entwächst, ist so vorhersehbar und platt, dass man ihn auch als Kurzfilm hätte porträtieren können. Dabei bietet dieser klassische "Fish out of Water"-Handlungsstrang, so abgenutzt er auch ist, immer wieder Potenzial für jede Menge Gags. Leider kommen diese aber nicht wirklich aus ihrem Schneckenhaus, da das Team rund um Regisseurin Anika Decker noch so dermaßen viel mit reinpackt, dass der Film jeglichen Fokus verliert und enorm episodenhaft von einer Szene zur anderen hechelt.
Ein rundes Gefühl entsteht dabei nicht - viel mehr lässt sich nur mit Mühe ein echter, roter Faden ausmachen, der all diese Nebenfiguren, Hauptcharaktere und deren Probleme irgendwie stimmig zusammenhält... wobei "stimmig" hier nun auch ein sehr dehnbarer Begriff ist. Denn da auch die Hauptfiguren zumeist gar nicht wissen, was sie wollen, dementsprechend kein echtes Ziel haben, sondern eher kopflos durch eine Reihe voneinander unabhängiger Comedy-Situationen rennen, weiß man als Zuschauer nun mal auch nicht, worum es hier noch gehen soll. Der emotionale Antrieb dieses Plots, der über die Findung der echten Familie und des eigenen Ichs bis hin zur wahren Liebe reicht, wird von all dieser Ziellosigkeit so dermaßen verstopft, dass sich "High Society" in seinen schlimmsten Momenten anfühlt wie eine unzusammenhängende und bemerkenswert unlustige Sketch-Comedy-Show im Vorabendprogramm von ProSieben. Tatsächlich fehlen, angesichts der streckenweise maroden und altbackenen Gag-Qualität, nur noch die eingespielten Lacher vom Band.
Dass unter all diesen Kalauern dann hin und wieder mal einer dabei ist, der seine Sache pointiert und richtig macht, darf man durchaus anmerken - drei Lacher sind für eine hundertminütige Komödie aber sicherlich zu wenig. Und dann gehen diese auch noch durchweg aufs Konto von Emilia Schüle: Diese zeigt hier durchgehend, dass sie für einen lauen Film wie diesen eigentlich viel zu gut ist und es ist ein wenig schade, dass ihre im Jahr 2017 so beachtenswerte Filmografie (u.a. "Jugend ohne Gott" und der herzerwärmende "Simpel") von einer Gaga-Komödie wie dieser hinuntergezogen wird. Schüle selbst wertet den Film dank einer natürlichen Performance jedenfalls erheblich auf, wogegen Jannis Niewöhner als ihr sexy Love Interest erheblich blasser bleibt. Für kleine Schmunzler sorgen Katja Riemann und Iris Berben in den Rollen der unterschiedlichen Mütter, allerdings agieren beide hier jedoch auf Dauer eben auch arg überdreht, was alsbald an den Nerven zerren kann.
Am Ende will uns "High Society" dann zu jedem einzelnen Plot auch noch eine Moral reinzwängen, da sich der Film aber schon zuvor kaum entscheiden konnte, was er nun erzählen will und wessen Position er verteidigen oder ankreiden möchte, bleiben auch diese Messages stecken. Sind jetzt die reichen Tussis die netten, weil sie ja so viel Geld an hilfsbedürftige Organisationen spenden? Oder doch die armen Schlucker, die zwar die Erfahrung haben, aus wenig Geld viel zu machen, darüber hinaus aber auch nicht wirklich zu Hilfestellung bereit sind? Eine wirkliche Antwort liefert "High Society" auf keine seiner Fragen und will es dabei am Ende irgendwie allen Recht machen. Wie dieser erzählerische Wust endet, ist irgendwann aber auch egal, denn wo schon kein Grundgerüst, da eben auch kein zufriedenstellender Ausgang. Deswegen machen die Macher dann eben alles so, wie man es irgendwie erwarten konnte, ohne Risiken und angesichts seiner ständigen Sex-Gags auf erstaunlich prüde Art und Weise. Das ist ziemlich mutlos, aber es passt eben auch zum Rest des Films.

Fazit: In einer vollkommen wirren Ansammlung aus Konflikten, Verwechslungen, Eifersuchtsdramen und Selbstfindung ragt einzig und allein Emilia Schüle in der Hauptrolle positiv heraus. Der Rest ist ein überdrehtes, furchtbar zusammengeschustertes und ziemlich unlustiges Werk, welches offensichtlich nicht einmal selbst weiß, was es eigentlich erzählen will.

Note: 4-


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