Seit siebzig Jahren lebt Diana Prince (Gal Gadot) alias "Wonder Woman" nun in Amerika und noch immer zehrt der Verlust ihres geliebten Steve Trevor (Chris Pine) an ihr. In der Menschenwelt hat sie sich einen Status als unbekanntes, gute Taten vollbringendes Symbol erarbeitet, doch weiß niemand, wer diese mysteriöse Frau wirklich ist. Als sie eines Tages in Berührung mit einem merkwürdigen Artefakt, um welches sich eine alte Legende spannt, kommt, ändert sich jedoch alles und ein sehnlicher Wunsch geht in Erfüllung. Das Artefakt fällt bald darauf jedoch in die Hände des schmierigen Geschäftsmannes Maxwell Lord (Pedro Pascal), der die Welt damit ins Chaos stürzen könnte - Diana steht plötzlich vor ihrer größten Herausforderung und muss lernen, welche Wünsche welchen Preis haben können...
Dass sich das aufgrund der Corona-Pandemie mehrfach verschobene und sehnlichst erwartete Superhelden-Sequel "Wonder Woman 1984" beträchtlich von seinem in Fankreisen hochgelobten Vorgänger unterscheiden würde, war klar - schließlich würde die Geschichte einen Zeitsprung um rund siebzig Jahre vollbringen und das düstere Setting des ersten Weltkrieges gegen bunte Farben und poppige Details im Amerika der 80er Jahre austauschen. Doch auch über das hier detailreich in Szene gesetzte Setting hinaus wagt der Film, der erneut von Patty Jenkins inszeniert wurde, einige Neuheiten, die man so in diesem Genre noch nicht gesehen hat. An vorderster Front steht dabei der ultimative Bösewicht, den "Kingsman"-Star Pedro Pascal mit herrlicher Spielfreude darbietet: Ein Mensch als lebende Wunschmaschine, welcher die Zivilisation mit der Erfüllung ihrer sehnlichsten Träume ins Chaos stürzt, ist dabei ein ebenso absurdes, oftmals ziemlich wirres und letztendlich ungemein kreatives Szenario. Lange ist nicht klar, wie dieses Konstrukt eines alternativen Flaschengeistes aufgehalten werden soll und das Chaos, welches Jenkins im zweiten Drittel durch diesen Antagonisten auslöst, ist in seinem Wahnwitz tatsächlich neu und als solches sehr unterhaltsam.
Allerdings braucht "Wonder Woman 1984" sehr lange, um an diesen Punkt zu gelangen und bis dahin ist der Film nahe dran an der enttäuschenden Vollkatastrophe, als welche viele Fans ihn bezeichnen. In den ersten siebzig Minuten schwenkt der Tonfall in seiner klamaukigen, zähen und banalen Geschichte von einem Plotpoint zum nächsten und wechselt zwischen albernem Humor und langwieriger Charakterentwicklung hin und her. Besonders mies fällt dabei die Rückkehr des eigentlich im ersten Film verstorbenen Steve Trevor aus: Wo die fliegenden Funken zwischen dem ironisch auftretenden Chris Pine und der eleganten Gal Gadot im ersten Film noch das entscheidende Salz in der Suppe war, so wirkt ihre gemeinsame Beziehung nun eher wie ein netter Urlaubsflirt. Das mag daran liegen, dass beide in ihren Darstellungen längst nicht mehr so locker oder strahlend wirken wie zuvor, sondern auch an der banalen Liebesgeschichte, die man ihnen nun auf den Leib gezimmert hat. Dass es mehr als unglaubwürdig und auch ziemlich unfeministisch wirkt, wenn Diana Prince über siebzig Jahre einem einzigen Mann nachtrauert und noch immer nicht über diesen Verlust hinwegkam, zeugt von einem einseitigen Hauptcharakter, der keine wirkliche Entwicklung durchmacht - so verschweigt man dann auch recht unelegant, was diese Wonder Woman eigentlich in den letzten Jahren getrieben hat und ob das Retten von alten Frauen auf der Straße und dem Verhindern eines Banküberfalls denn wirklich das große Schicksal einer unbesiegbaren Amazone ist.
Über solcherlei Story-Schnickschnack täuscht Jenkins dafür mit knackigen Actionszenen hinweg, die nicht nur visuell solide gemacht sind, sondern in ihren glatten Choreographien und cleveren Verläufen immer wieder den Adrenalinpegel erhöhen. Dass man es da mit der Logik nicht so genau nimmt, fällt zwar auf, tut dem Spaß aber keinen Abbruch - so mag man bemerken, dass Dianas Lasso immer genau so lang ist, wie es die Dramaturgie einer Szene gerade braucht und selbiges Spiel auch mit den körperlichen Kräften der Charaktere gespielt wird, aber rein optisch gibt es dennoch einiges zu bestaunen. Um das zu genießen, muss man sich aber durch eine langwierige Story quälen, deren dramatische Knackpunkte geflissentlich weggeatmet werden, wobei mit Kristen Wiig sogar der interessanteste, weil stark gespielte Neuzugang in den Klischees des Genres versenkt wird. Das stößt dann immer wieder sauer auf, weil so viele clevere Ideen in diesem Film stecken, Patty Jenkins aber ganz offensichtlich die Kontrolle über den Wust aus Figuren, Kämpfen und Wendungen verloren hat. So fügt "Wonder Woman 1984" weder seiner Titelfigur noch den DC-Filmen an sich etwas Nennenswertes hinzu und steht am Ende beinahe genau dort, wo wir am Anfang schon waren. Was dazwischen in zweieinhalb Stunden geschieht, ist hin und wieder unterhaltsam, aber auch oftmals arg kitschig und manchmal gar himmelschreiend doof... und somit weit unter dem Niveau des immerhin noch soliden Erstlings, der zwar unkreativer, dafür aber auch herzlicher und konstanter war.
Fazit: "Wonder Woman 1984" steckt voller grandioser Ideen, die aber zu selten wirklich ausgenutzt werden. So gefällt die Radikalkur des Bösewichts und einige knackige Actionszenen sorgen für Spaß, doch im Storytelling, der Figurenentwicklung und im Treffen des richtigen dramaturgischen Tons leistet sich der Film so herbe Schnitzer, dass er immer wieder scharf an einer echten Bauchlandung vorbeirauscht.
Note: 4+
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