Seit fünf Jahren sitzt Allison Baker (Abigail Breslin) in Marseille im Gefängnis - verurteilt wurde sie aufgrund des Mordes an einer Freundin, doch beteuert sie stetig, dass sie diese Tat nicht begangen hat. Ihr Vater Bill (Matt Damon) reist seit ihrer Inhaftierung regelmäßig von Oklahoma nach Marseille, um seine Tochter zu besuchen. Nun stößt er jedoch auf einen neuen Hinweis, welcher die Unschuld seiner Tochter beweisen könnte, wird aber von den dortigen Rechtsbeiständen abgeschmettert, die sich sicher sind, dass der Fall niemals erneut aufgerollt wird. Bill forscht auf eigene Faust nach und tut sich dafür mit der Französin Virginie (Camille Cottin) zusammen, die sich bereiterklärt, der Familie zu helfen. Dabei geht Bill schon bald eine tiefere Beziehung zu Virginie und ihrer kleinen Tochter Maya (Lilou Siauvaud) ein...
In "Stillwater" steht der prekäre Justizfall rund um Allison Baker tatsächlich nicht zu arg im Mittelpunkt, sondern bleibt über weite Strecken der dramatische Hintergrund in einem ansonsten als Sozialdrama geschriebenen Films. Seine Tochter ist der Grund, wieso Bill Baker in Marseille verweilt und natürlich ermittelt er dort auch immer weiter - sogar gegen Allisons Willen und trotz diverser Gefahren und Hürden, die sich dabei vor ihm auftun. Im Kern jedoch erzählt der Film die Geschichte eines Mannes, der vom Leben wahnsinnig enttäuscht wurde, immer wieder hinfiel und doch wieder aufstehen muss. Er will Gerechtigkeit für seine Tochter, braucht dabei jedoch auch diese Aufgabe, da er sonst nichts mehr hat, wofür er überhaupt Leben kann - seine Verbissenheit zeigt sich dabei in der schier regungslosen Miene von "Le Mans 66"-Star Matt Damon, der hier in einer rastlosen und wahnsinnig energetischen und ebenso nuancierten Performance zum erneuten Mal beweist, warum er zu den talentiertesten und wichtigsten Stars des Hollywood-Kinos gehört.
Dank seinem großartigen Schauspiel und einer schlichtweg fantastischen Chemie mit der französischen Schauspielerin Camille Cottin sowie dem jungen Nachwuchsstar Lilou Siauvaud entwickelt sich ein leises, feinsinniges Drama, welches vor allem durch kleine, unscheinbare Momente gewinnt. Es sind die winzigen Blicke, ein verstohlenes Lächeln und letztendlich der unaufgeregte und lebensecht dargestellte Alltag, in den sich Bill irgendwann hineinziehen lässt, welche eine ganz eigene Dringlichkeit heraufbeschwören. Und dennoch lässt ihn dabei das Schicksal seiner Tochter nicht los, er bleibt rastlos und mit dem Rücken zur Wand - eine Gratwanderung, die man so unbedingt gesehen haben musste. Das Tempo des Films ist dahingehend sehr langsam, auch wenn es einige Spannungsspitzen gibt. Einige Längen sind daher zu verzeichnen, doch fallen diese nicht allzu deutlich aus, da die schnörkellose Inszenierung von "Spotlight"-Regisseur Tom McCarthy sowie die bewegenden Geschichten, auch wenn sie langsam erzählt sind, durchweg zu packen wissen.
Malerisch sind auch die Bilder von Marseille, wobei die engen Straßengassen, hell erleuchtet und voller Sonnenschein, ebenso anziehend gefilmt werden wie die düsteren Ecken der Stadt, in denen Verbrecher und Schläger ihre Straßen nach neuen Opfern absuchen. Marseille selbst scheint ein eigener Hauptcharakter zu sein, die Atmosphäre der französischen Großstadt ist dabei eine ganz eigene, die auch die menschlichen Figuren anzutreiben scheint. Es werden Fragen zur Identität, zu Lebenszielen und zur eigenen Verantwortung gestellt, auch das Justizsystem wird kritisch, aber ohne hoch erhobenen moralischen Zeigefinger hinterfragt. Dass sich McCarthy mit dem Stoff (der übrigens von einem wahren Justiz-Fall inspiriert wurde) lieber an ein Drama als an einen weiteren Thriller heranwagte, kommt "Stillwater" dabei enorm zu Gute. Er ist dann zwar auch hier nicht himmelschreiend originell, droht aber niemals Gefahr, dabei unter der Konkurrenz aus guten und schlechten Justiz-Thrillern seinen eigenen Stempel zu verlieren. Letztendlich also ein bewegender Film, der aufgrund möglicher falscher Erwartungen nicht jedem gefallen wird, der aber seine Wirkung sicherlich nicht verfehlt, wenn man sich auf ihn einlässt.
Fazit: Matt Damon und Camille Cottin glänzen in einem bewegenden Drama, bei welchem der Justiz-Fall meist der hochdramatische, treibende Hintergrund bleibt. Trotz einiger Längen und einem etwas lauwarmen Ende bleibt "Stillwater" mit nuancierten Erzählweisen und aktuellen Themen in Erinnerung.
Note: 2-
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