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The Hate U Give

Schon im Alter von neun Jahren wurde Starr Carter (Amandla Stenberg) von ihrem Vater Maverick (Russell Hornsby) eingetrichtert, wie sie sich gegenüber der Polizei verhalten solle: Als Schwarze soll sie während einer Kontrolle bloß nicht diskutieren, allen Anweisungen folgen und immer ihre Hände zeigen - anderenfalls könne ein solcher Vorfall schnell tödlich ausgehen. Jahre später wird Starr tatsächlich Zeugin einer Polizeikontrolle, während welcher ihr Begleiter Khalil (Algee Smith), unbewaffnet und ungefährlich, von einem Polizisten niedergeschossen wird. Erst will sie, obwohl sie um Khalil trauert und die himmelschreiende Ungerechtigkeit und den alltäglichen Rassimus kaum aushält, nicht sprechen, da sie um sich selbst und ihre Familie fürchtet. Doch bald muss sie einsehen, dass ihre Stimme nicht nur im Falle von Khalil, sondern für eine ganze Bewegung gebraucht wird...

"The Hate U Give" richtet sich von seiner Machart und seiner Inszenierung augenscheinlich an Teenager. Die hellen Farben, die poppigen Songs und die zumeist sympathischen, jungen Darsteller*innen, die sich auch mit simplen Sorgen wie der ersten Liebe, dem Abschlussball oder der Schule herumschlagen, sorgen für ein typisches Teenie-Kino-Klima. Die Message und das Thema, worüber der Film erzählen will, wird dabei in seiner Konsequenz vor allem jungen Menschen nähergebracht. Das ist dann, auch mit dem Augenmerk auf das jüngere Publikum, bisweilen etwas simpler und einfacher erzählt... doch es verwässert weder die Message noch das Thema. Dass Rassismus und nicht zuletzt Rassismus seitens der Polizei gegenüber der schwarzen Bevölkerung in den USA der Alltag ist, das können wir uns in Deutschland kaum vorstellen. Aber so ist es und trotz des Fokus, den Film an Jugendliche zu richten, bleibt dieses Thema stark, unbequem und ehrlich. Das ist vielleicht die größte Stärke von "The Hate U Give", denn er schafft es, dieses Thema so universell, so unumgänglich und hörbar zu machen, dass es für jeden greifbar ist.
Natürlich greifen die Macher dabei auf einige dramaturgische Vereinfachungen zurück. So ist die Figur von Starr's bester Freundin Hailey im Grunde nur dazu da, immer wieder Kommentare zu äußern, die sie als Rassistin kennzeichnen und somit Starr's Wut und ihren Wunsch nach Gerechtigkeit zu formen. Das ist ein wenig plakativ, aber sicherlich auch nicht unrealistisch, auch wenn man es rein dramaturgisch etwas feinsinniger hätte erzählen können. Ansonsten kann "The Hate U Give" die schiere Ohnmacht seiner Geschichte, die Ausweglosigkeit und auch die wenigen Funken an Hoffnung, getragen von Zusammenhalt, Verständnis und dem Finden einer eigenen Stimme, aber sehr glaubhaft transportieren. Trotz seiner Zielgruppe macht es sich der Film niemals einfach, traut auch seinen jungen Zuschauern durchaus zu, eine Meinung zu bilden, empathisch zu sein und die furchtbaren Auswirkungen solcher Taten zu erkennen. Dass er dabei immer wieder leichtfüßig agiert, unter den Nebenfiguren leisen Humor einfließen lässt, ohne seinen ernsten Grundton zu verwässern, kann man dem Film nur lobend darbieten.
Dass er dabei nichts Neues erzählt, ist nicht schade für den Film an sich. Viel trauriger stimmt einen die Tatsache, dass "The Hate U Give" das auch gar nicht kann, weil das Thema gerade in den USA noch immer so aktuell ist, dass es noch immer thematisiert und angesprochen werden MUSS. Dabei findet er mit der Hauptdarstellerin Amandla Stenberg eine kraftvolle Stimme in einem generell sehr stark aufspielenden Cast: Die ehemalige "Die Tribute von Panem"-Darstellerin ist einen weiten Weg gegangen und weiß nun, auch einen solch großen Film wie diesen auf ihren Schultern zu tragen. Besonders im letzten Drittel, wenn sich ihre Starr Carter zu schierer Übermenschlichkeit aufschwingt und ihre Ängste überwindet, um endlich etwas Gerechtes zu tun, sich ihrer besonderen Position bewusst zu werden, ist es kaum möglich, von ihrer Performance nicht vollkommen mitgerissen zu sein. Leidtun kann einem hingegen "Triple 9"-Star Anthony Mackie, der nicht viel mehr zu tun hat, als als klarer Antagonist böse an einem Auto zu lehnen. Zudem ist ausgerechnet sein Plot, welcher der Story eine noch dringlichere Note geben soll, etwas zu effekthascherisch angelehnt und nimmt dem wahren, menschlichen und politischen Drama immer wieder den Wind aus den Segeln.

Fazit: Ein packendes Drama über Gerechtigkeit, Rassismus und dem Finden der eigenen Stimme. In einer starken Inszenierung wird die Ohnmacht der schwarzen Bevölkerung greifbar und trotz der Ausrichtung an eine junge Zielgruppe scheut sich der Film nicht vor konsequenten Bildern, bleibt unangenehm ehrlich. Rein dramaturgisch gefallen einige Nebenplots in ihrer Effekthascherei und Plakativität aber deutlich weniger als die fokussierte, niederschmetternde Message.

Note: 3+



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