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Ein Jordan-Peele-Film ohne Jordan Peele: Filmkritik zu "Antebellum"

Eine riesige Baumwollplantage in Louisiana ist der grausame Arbeitsplatz von mehreren Sklaven, die unter strengen, menschenverachtenden Regeln und allerlei Gewalt durchlebend ihre Arbeit verrichten müssen. Eine von ihnen ist die junge Eden (Janelle Monae), die seit einem Fluchtversuch unter besonderer Beobachtung steht und dabei besonderes Leid durchmachen muss. Als ihre Freundin Julia (Kiersey Clemons) Eden darum bittet, ihr bei einem weiteren Fluchtversuch zu helfen, lehnt diese voller Angst ab und setzt damit eine schreckliche Aneinanderreihung von Ereignissen in Gang. Letztendlich scheint dieses Gefängnis jedoch zu bröckeln... durch das Klingeln eines Mobiltelefons.

Es ist gar nicht so einfach, über "Antebellum" auch nur ansatzweise ausführlich zu sprechen, ohne zu viel über dessen Plot zu verraten. So viel sei allerdings gesagt: Was während der ersten halben Stunde noch wie ein recht unkonzentriertes Sklaverei-Drama aussieht, welches sich eher als eine Aneinanderreihung von Grausamkeiten versteht, ist letztendlich deutlich mehr als das. Um ansatzweise zu erkennen, was "Antebellum" für ein Film ist und wie weit er dabei das Genre des Thrillers ad absurdum führt, muss man die erste, große Wendung gesehen haben, die nach rund fünfunddreißig Minuten für einige Verwirrung und deutliches Erstaunen sorgen dürfte. Diese werde ich hier natürlich nicht verraten, doch sei gesagt, dass "Antebellum" auf ziemlich drastische Art und Weise seinen Tonfall wechselt und dabei gleich mehrere WTF-Momente kreiert, die man so auch nicht alle Tage sieht.
In diesen Szenen, die man so nicht erwartet, erinnert "Antebellum" an die bisherigen Werke von Jordan Peele oder auch an Drew Goddards "The Cabin in the Woods", die sich ja auch allesamt daranmachten, das Horror-Genre mal so richtig durchzurütteln und dabei auch recht krasse und absurde Wendungen nutzen. An die Qualität dieser Werke reicht der Film von Gerard Bush und Christopher Renz, der hierzulande übrigens nur auf DVD und Blu-Ray erschien und keinen Kinostart erhielt (was angesichts der Schwierigkeit, ihn zu bewerben, auch irgendwie verständlich scheint), aber nicht heran. Denn wenn sie letztendlich mit der Auflösung des ganzem Brimboriums herumkommen, ist diese zwar auf den ersten Blick wahnsinnig überraschend, konsequent und einigermaßen clever... bricht jedoch beim geringsten Nachhaken in sich zusammen und lässt viele Fragen offen, die in dieser Form aber auch nur sehr schwer zu beantworten gewesen wären. 
Vor diesem letzten Tusch, der die Gemüter sicher spalten wird, haben wir im Mittelteil aber einen sehr feinen Mystery-Thriller mit einer schneidenden Atmosphäre gesehen, der irgendwo zwischen Peele und M. Night Shyamalan resultiert. Dass er den Absprung dann nicht richtig schafft und am Ende so wirkt, als hätte man drei Filme in einem gesehen, ist letztendlich gar nicht so schlimm - denn wirklich langweilig wurde es nie, da man viel zu gespannt darauf war, was die Kreativen als nächstes aus dem hut zaubern würden. Dass sie sich dabei dennoch Zeit nahmen für eine ziemlich solide Charakterzeichnung und den langsamen, stimmungsvollen Aufbau einer unangenehmen, kribbeligen Atmosphäre, ist tatsächlich mehr als erfreulich, auch wenn sich die Nummer am Ende zumindest als kleines Vakuum herausstellt. Und Janelle Monae ist in der Hauptrolle ohnehin eine sichere Bank, die den Film stark auf ihren Schultern trägt.

Fazit: "Antebellum" ist überraschend und ziemlich konfus, bis die schlussendliche Auflösung ebenso rund wie zerklüftet daherkommt. Ein recht wankelmütiger Film, der trotz dramaturgischer Stolpersteine und Tonproblemen originell und atmosphärisch genug ist, um hundert Minuten lang bei der Stange zu halten.

Note: 3



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