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Das hätte so gut werden können: Filmkritik zu "Ghost Ship"

Der Pilot Jack Ferriman (Desmond Harrington) kontakiert die Bergungscrew der "Arctic Warrior" rund um den erfahrenen Seemann Sean Murphy (Gabriel Byrne) mit einer erstaunlichen Bitte - er hat auf mehreren Rundflügen einen scheinbar steuerlosen Frachter ausgemacht und möchte diesen gemeinsam mit Murphys Leuten bergen. Dafür verlangt er zwanzig Prozent des Finderlohns, ganz gleich was dieses Schiff letztendlich wert sein wird. Als die Crew den Frachter schließlich auftreiben kann, ist die Verwunderung groß, handelt es sich dabei doch um den seit vierzig Jahren als verschollen geltenden, italienischen Kreuzfahrtdampfer "Antonia Graza". Als sie an Bord gehen, müssen Murphys Leute jedoch bald erkennen, dass mit diesem Schiff etwas ganz und gar nicht stimmt... und dass es vielleicht nicht so einsam ist, wie sie geglaubt haben.

Um Geisterschiffe ranken sich etliche Legenden und man kann sich förmlich vorstellen, wie ein richtig feiner Schauerstreifen rund um eine dieser gruseligen Fantastereien aussehen könnte. Leider schienen die Macher rund um Regisseur Steve Beck wenig daran interessiert, eine der urbanen Legenden für ihren Film zu nutzen und sponnen sich stattdessen ein ganzes Seemansgarn aus Nonsens zusammen. Obwohl ein Film wie dieser quasi eine Steilvorlage für einen atmosphärischen Geister-Horror darstellt, welcher die bekannten Legenden auf eigene Weise darstellen könnte, entschied man sich hier für die Standard-Variante und klaute sich dabei alles Mögliche von anderen, besseren Werken zusammen. Dementsprechend klaubt "Ghost Ship" sich die besten Momente von Filmen wie "Event Horizon" und "Shining" zusammen, mixt das mit einer Prise "Titanic" und drosselt das Tempo nach einem mittlerweile kultigen, ziemlich blutigen Auftakt ganz gewaltig herunter... bis zur absoluten Langeweile.
Da dem Publikum natürlich von Anfang an klar ist, dass mit diesem Geisterschiff etwas nicht stimmt und sich die siebenköpfige Crew dementsprechend direkt nach dem Andocken an den Frachter in großer Gefahr befindet, ist die "Reise ins Ungewisse" nur für diese Charaktere genau eine solche. Und obwohl das Geschehen so vorhersehbar und klischeehaft geraten ist, verwendet Regisseur Beck erschreckend viel Zeit darauf, um die sechs Männer und die Frau durch die düsteren Gänge des Schiffes torkeln zu lassen. Weder scheint sich Beck dabei für einen anständigen Spannungsaufbau noch für seine Figuren zu interessieren, wobei er auch hier einige gute Ideen selbst übersieht. So scheint vor allem die Figur des durchlebten Captains eine tragische zu sein und auch die Beziehung zu seiner Kameradin Maureen, zu welcher er väterliche Gefühle zu haben scheint, schreit förmlich nach mehr Beachtung. Doch Beck macht daraus nichts und lässt zudem alle weiteren Figuren zu bloßem Kanonenfutter verkommen, bei denen keiner auch nur annähernd Sympathien entfachen kann. 
Immerhin gelingen ihm an Bord des Schiffes einige inszenatorische Schmankerl, auch wenn keine von ihnen so richtig auf seinem Mist gewachsen scheint. Das alles haben wir so schon zigfach gesehen, aber das Setting eines verlassenen, seit Jahren verschollenen Ozeandampfers hat eben doch etwas für sich... und wenn dann mal in die Trickkiste gegriffen wird, stellt sich schon eine gewisse, obskure Atmosphäre ein. Das ist aber nur solange der Fall, bis "Ghost Ship" sich mit einer vollkommen bescheuerten, vor Plotholes nur so strotzenden Wendung kurz vor dem Finale selbst zu versenken droht. In dem Bemühen, das eigene Story-Vehikel irgendwie noch interessant zu gestalten, verhebt man sich vollkommen und führt das Werk in Trash-Gefilde. Neben solch eklatanten Ausrutschern finden sich aber immer wieder einige ganz starke Szenen, die zeigen, was aus diesem Film eigentlich hätte werden können, wenn man nicht nur wieder auf die ganz stumpfe Hui-Buh-Variante aus gewesen wäre. So ist ein morbider Flashback, welcher die Geheimnisse des Schiffes lüftet, so atmosphärisch dicht inszeniert, dass es schon fast traurig scheint, dass der Rest des Films so einschläfernd und uninspiriert geraten ist.

Fazit: Man kann "Ghost Ship" eine gewisse Schaueratmosphäre und ein paar stimmige Ideen nicht absprechen - trotzdem wirkt der Film in seiner Langatmigkeit wahnsinnig inspirationslos und zeigt nur, wie man ein Werk mit solch einem spannenden Thema nicht angehen sollte.

Note: 4



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