Direkt zum Hauptbereich

Ein brillanter Mark Rylance in einem soliden Kammerspiel: Filmkritik zu "The Outfit - Verbrechen nach Maß"

Im Jahr 1956 betreibt der aus England angereiste Schneider Leonard Burling (Mark Rylance) seinen eigenen Herrenschneider in Chicago. Neben der normalen Kundschaft bekommt er auch öfters Besuch von Mitgliedern der irischen Mafia-Familie, welche Burlings Hinterzimmer als einen geheimen Briefkasten nutzen. Dies möchte Burling jedoch gerne übersehen und keinesfalls in die finsteren Machenschaften der Verbrecher hineingezogen werden... bis eines Abends der Mafiosi Francis (Johnny Flynn) seinen Partner Richie Boyle (Dylan O'Brien), den Sohn des Bosses Roy Boyle (Simon Russell Beale), mit einer Schusswunde anschleppt. Die notdürftige Versorgung der Wunde ist dabei nur der Anfang einer ganzen Reihe von gefährlichen Ereignissen, in die der arme Schneider scheinbar direkt hineingezogen wird.

"The Outfit" spielt dabei, ganz gemessen an einem Kammerspiel mit übersichtlicher Besetzung, an nur einem Ort - der Herrenschneiderei des Protagonisten, die zwar nur wenig Bewegungssspielraum bietet, die wenigen Räume aber dafür sehr treffsicher einzusetzen vermag. Trotz des sehr beengten Handlungsspielraumes findet "The Imitation Game"-Regisseur Graham Moore immer wieder sehr elegante Motive, um diese Räumlichkeiten zu nutzen - sei es ein Hinterzimmer, der Schneideraum oder auch das Empfangszimmer, bei welchem über die Nacht hinweg immer mal wieder neue Personen anklopfen. Das hohe Tempo der stilsicheren Inszenierung, getragen von einem stimmungsvollen Soundtrack, täuscht zu Beginn noch sehr elegant über die teilweise etwas dürftig geschriebene Geschichte hinweg, die mit Klischees spielt und noch dazu weniger intelligent ist als sie eigentlich zu sein vorgibt. An und für sich macht das intrigante Verwirrspiel zwischen den einzelnen Parteien zwar durchaus Freude, doch kann das Skript nicht immer verhehlen, dass sich die Handlung eher durch (un)glückliche Zufälle weiterspinnt, was einen großen "Plan" eher fragwürdig macht.
Tatsächlich muss man an der Intelligenz insbesondere der Nebenfiguren nämlich manchmal arg zweifeln - Mafiosis sollen generell ja zutiefst misstrauische Personen sein, was "The Outfit" auch im höchsten Maße ausspielt. Dabei geht der Film aber nur soweit, wie es die innere Dramaturgie zulässt und muss einige Figuren oftmals arg out of character handeln lassen, um den Plot wieder in die richtige Richtung zu spülen. Das fällt angesichts der hohen Spannungsdichte, in welcher zu jedem Zeitpunkt beinahe jeder Charakter einem Pistolenschuss zum Opfer fallen kann, nicht immer auf, wird jedoch deutlicher, wenn man schließlich doch darüber nachdenkt. Die Figuren sind zwar ansatzweise doppelbödig geschrieben, müssen sich jedoch teils obskuren Handlungsmustern unterordnen, welche "The Outfit" ein wenig erzwungen erscheinen lassen. Auch die große Wendung gegen Ende, die in einem völlig überzeichneten und beinahe wie aus einem anderen Film erscheinenden Finale gipfeln, mag in diesem Wust aus ständigen Überraschungen nicht so richtig fruchten.
Neben der griffigen Inszenierung, die solcherlei Drehbuchschwächen immer wieder auszustechen vermag, gibt es aber eine Personalie, die diesen Film von vorn bis hinten sehenswert macht... und das ist natürlich Hauptdarsteller Mark Rylance. Der bietet hier nicht nur eine ohnehin grazile, höchst atmosphärische Leistung, die von den ganz kleinen, feinen Momenten lebt, sondern zeigt auch dem restlichen Cast deutlich die lange Nase. Das dürfte aber indes auch daran liegen, dass die meisten der Nebenfiguren deutlich schablonenhafter gezeichnet sind und die restlichen Schauspieler*innen dadurch weniger Chancen erhalten, um so richtig zu glänzen. Am ehesten nach vorne spielt sich, nicht ganz erwartet, der aus dem "Maze Runner"-Franchise bekannte Dylan O'Brien, der als selbstverliebter Mafia-Schnösel einige wunderbare Momente offenbart. Erwähnenswert agiert auch Zoey Deutch, doch bleibt ihre Rolle letztendlich leider ein wenig zu schematisch, um wirklich einen noch besseren Eindruck zu hinterlassen.

Fazit: "The Outfit" ist ein temporeiches und sehr spannendes Kammerspiel, welches jedoch mitunter unter dem etwas löchrigen Skript und den marginal gezeichneten Nebenfiguren leidet. Mark Rylance agiert in der Hauptrolle durchweg stark.

Note: 3+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...