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Noch besser als "Breaking Bad"?: Serienkritik zur ersten Staffel von "Ozark"

Er täuscht nach außen hin das normale, vielleicht etwas langweilige Familienleben vor, doch ist dieses kaum mehr als ein Schein: Seit Jahren wäscht Finanzberater Marty Byrde (Jason Bateman) heimlich Geld für das zweitgrößte Drogenkartell Mexikos. Und jahrelang verläuft diese Zusammenarbeit für alle Parteien auch mehr als zufriedenstellend... bis plötzlich acht Millionen Dollar verschwinden. Drogenboss Del (Esai Morales) möchte den Hahn sofort zu- und Marty kaltstellen, doch dieser kann den Gangster mit einem spontanen Angebot noch einmal besänftigen. In den abgelegenen Gebirgen von Ozark soll Marty innerhalb von fünf Jahren 500 Millionen Dollar waschen, um seine Schulden zu bereinigen. Dafür muss der Finanzberater nicht nur mit seiner Frau Wendy (Laura Linney) und den beiden Kindern Charlotte (Sofia Hublitz) und Jonah (Skylar Gaertner) umziehen, sondern sich auch mit den dortigen Einwohnern auseinandersetzen... von denen einige bei ihren eigenen kriminellen Machenschaften gestört werden könnten.

Es dauerte nur wenige Minuten und ich war hoffnungslos verknallt in die Serie "Ozark". Schon in der hochspannenden ersten Folge stecken dabei mehr Wendungen und Schocks als viele Serien in einer Staffel auffahren können - dabei macht die Serie von Anfang an nicht nur klar, dass sie keinerlei Gefangene macht, sondern dass sie auch einen düsteren Ton verfolgt, der es für das Publikum schwer machen soll, eine echte Bindung zu den Figuren herzustellen. Schon früh versprüht man dabei echte "Breaking Bad"-Vibes: Keiner der Charaktere taugt wirklich als Sympathieträger, sie alle haben eine düstere Seite und vollbringen dabei stellenweise Taten, vor denen es einen schaudert. Ob das nah an der Realität dran ist oder ob sich die Macher dabei auch mal an einer etwas gutdienlichen Dramaturgie gütlich tun, welche die Haupthandlungsträger immer wieder ins nächste Missgeschick jagen, das dürfte diskutabel sein. Undiskutabel ist aber das Ergebnis: Über zehn Folgen lang ist "Ozark" wahnsinnig spannend, hervorragend erzählt und ungemein dicht.
Nach der spektakulären ersten Folge wird das Tempo im direkten Vergleich aber wieder ein wenig runtergefahren, was gleich den nächsten Glücksgriff darstellt. Denn so gelungen der Auftakt auch ist: Über zehn Stunden lang wäre ein solches Abfrühstücken von Schockern wohl nicht umsetzbar gewesen, ohne das Publikum irgendwann taubgeschossen zu haben. Stattdessen nimmt sich die Serie (ebenso wie die Hit-Serie "Breaking Bad", die einen sehr langen Atem mitbrachte) in den darauffolgenden Episoden die Zeit, das kleine Örtchen Ozark und seine Einwohner vorzustellen und langsam, aber sicher die Bauten für alles Kommende zu stellen. Der Ort sprudelt dabei förmlich vor spannenden Figuren, an jeder Ecke wartet die nächste Überraschung. Die Charakterzeichnungen von solch ambivalenten Personen wie der jungen Diebin Ruth (herausragend: "Inventing Anna"-Star Julia Garner) oder des tiefgläubigen Pastors, dessen Glaube auf eine schwere Probe gestellt wird, fallen dabei packend aus, ohne zu überzeichnen. Jede der Figuren ist auf ihre Art und Weise spannend und auch wenn hüben wie drüben durchaus mit Klischees gespielt wird, gibt es immer wieder Überraschungen, die es einem erlauben, solcherlei Personal neu zu lesen.
Und obwohl "Ozark" Hochspannung in Serienkultur ist und in seiner schieren Gnadenlosigkeit bisweilen sogar "Breaking Bad" ausstechen könnte, die deutlich länger brauchte, um so richtig in Schwung zu kommen... ein paar kleine Haken gibt es dennoch. So kommt es in der Staffelmitte doch zu ein paar kleineren Längen und gerade die üblichen Konflikte rund um die Teenager-Kinder der Byrdes wirken im Vergleich zu den restlichen Plots doch ein wenig störrisch. Doch selbst die schwächeren Momente werden zumeist von einer starken Inszenierung sowie den grandiosen Cast-Leistungen aufgefangen. Wer Jason Bateman bislang vor allem aus Mainstream-Komödien wie "Kill The Boss" oder "Hancock" kannte, dem dürfte bei dieser intensiven Performance schlichtweg die Kinnlade herunterfallen: Minimalistisch, perfekt durchgetaktet und ungemein einfühlsam gibt Bateman den Geldwäscher wider Willen und macht die gesamte Brisanz der Situation oftmals nur durch einzelne Aufnahmen seines Gesichts klar. Ebenso gut agiert Laura Linney, deren Rolle als Ehefrau des Verbrechers glücklicherweise nicht ganz so undankbar und unsympathisch gezeichnet ist wie in ähnlichen Genre-Vertretern (auch hier ein Verweis auf "Breaking Bad"). Unterstützt werden beide von einem illustren Cast grandioser Nebendarsteller*innen, denen man mehr als gerne zusieht.

Fazit: "Ozark" ist ein Phänomen - trotz kleinerer Längen ist die Serie von Anfang an hochspannend, bietet ambivalente Figuren, hervorragende Darsteller*innen sowie packende Plots auf, die sich gegenseitig immer höherschrauben. Wenn Netflix dieses Niveau halten kann, dürfte dieser Serie sicherlich mit zum Besten im Portfolio des Streaming-Giganten werden.

Note: 2-



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