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Neuer Horrorstoff vom Sinister-Macher: Filmkritik zu "The Black Phone"

Im Jahr 1978 treibt sich ein maskierter Kindesentführer in den Straßen von Denver herum - schon mehrere Jungen sind ihm zum Opfer gefallen und die Polizei tappt im Dunkeln. Schließlich wird auch der junge Schüler Finney (Mason Thames) zum Opfer des maskierten Täters (Ethan Hawke). Finney kommt in einem finsteren Keller zu sich, in dem sich nicht viel mehr als eine Matratze und ein kaputtes Telefon befindet. Schon früh sucht Finney nach einem Ausweg aus seiner Misere, doch der Entführer scheint seine Psychospiele dazu zu nutzen, den Jungen immer weiter zu brechen. Ein Silberstrahl am Horizont erscheint für Finney mit dem plötzlichen Klingeln des Telefons. Am anderen Ende der Leitung meldet sich die Stimme eines Jugendlichen, der glaubt, zuvor ebenfalls von den maskierten Verbrecher entführt und ermordet worden zu sein...

Seit sechs Jahren hat der vor allem für seinen Horrorschocker "Sinister" bekannte Regisseur Scott Derrickson keinen eigenen Film mehr verantwortet - zuletzt lieferte er mit "Doctor Strange" einen achtbaren Beitrag für das Marvel Cinematic Universe ab. Die Erwartungen für seinen neuesten Film waren also nach der langen Pause nicht unbedingt niedrig und dass sich Derrickson erneut ins Horror-Genre wagen würde, ließ Fanherzen schon von vornherein höherschlagen. Ähnlich wie "Sinister", der von Fans sehr verehrt wird, mich aber nie so richtig packen konnte, hat mich jedoch auch "The Black Phone" nicht restlos überzeugen können. Dabei versteht Derrickson sein Handwerk und liefert eine inszenatorisch durchaus schauerliche und in Kernszenen auch oftmals wahnsinnig spannende Arbeit ab, die darüber hinaus auch ihre interessant geschriebenen Figuren nicht vergisst. Trotzdem reißt Derrickson auf Dauer zu viele Spotlights an und vertieft diese nicht genug, was das ohnehin schwierig zu händelnde Ausgangsszenario mit seinen begrenzten Mitteln oftmals zu einer langwierigen Angelegenheit macht.
Denn im Vergleich mit ähnlichen Filmen, die sich auf effektive Art und Weise an nur einem begrenzten Schauplatz aufhalten (man denke nur an den ersten "Saw"-Film oder den hochspannenden Thriller "Nicht auflegen!", der fast ausschließlich in einer Telefonzelle spielte), kann Derrickson den Adrenalinpegel nicht dauerhaft hochhalten. Der beengte Raum wird zu selten richtig für eine sich steigernde Spannungskurve benutzt und die Spannung entsteht dabei eher durch die verschiedenen Versuche seitens Finney, aus der misslichen Lage zu entkommen. Dabei entstehen einige Momente von beachtlicher Spannung, daneben gibt es aber auch immer wieder ein Gefühl von einem gewissen Leerlauf. So löblich der Ansatz auch ist, einen Film wie diesen eher durch seine mysteriös angehauchte Geschichte als durch ewiggleiche Schockeffekte anzutreiben - letztendlich passiert einfach nicht genug, was das Interesse langfristig wachhält. Das klingt nun aber grantiger, als es eigentlich gemeint ist: Durch den Fokus auf wenigen, dafür aber interessant skizzierten Charakteren und einer schaurigen Ausgangssituation, die uns der Hauptfigur automatisch die Daumen drücken lässt, langweilt "The Black Phone" nie ernsthaft. Er hätte nur ab und zu ein wenig mehr Schwung vertragen können.
Die horrorartigen Elemente nutzen sich dabei mit der Zeit ab, was aber an und für sich kein Problem ist, da Derrickson diese für den emotionalen Antrieb seiner Hauptfigur mehr braucht als für ständige Schockeffekte in Richtung Publikum. Die mystisch angehauchten Elemente rund um Traumdeutungen und Gespräche mit toten Kindern fallen jedoch zu beliebig aus und auch viele zuvor angeteaste Plots rund um den alkoholkranken Vater des Jungen sowie soziale Schwierigkeiten im Schulalltag werden später relativ unglimpflich fallengelassen. Leider stimmt das Gleichgewicht zwischen einem harten Thriller, mystischem Grusel und einem aufbauenden Drama hier nicht so ganz und alle drei Genres scheinen immer wieder nebeneinander herzulaufen und sich gegenseitig im Weg zu stehen. Das führt dazu, dass "The Black Phone" immer wieder spannend, dann schaurig und dann bewegend wird, aber ohne eine passende Dynamik dazwischen aufzubringen. Für packende Unterhaltung sorgen indes Ethan Hawke und Nachwuchsschauspieler Mason Thames in den Hauptrollen, die beide mehr als überzeugend agieren. Beosnders Thames nimmt sich achtsam zurück, was seine Figur noch stärker und auch nahbarer macht.

Fazit: "The Black Phone" ist zwar ein stimmiger und spannender Thriller, dessen zaghafte Mystery-Elemente aber immer etwas zu willkürlich ausfallen. Rein dramaturgisch wäre aufgrund fehlender Dynamik zwischen den Genres mehr drin gewesen, rein inszenatorisch und darstellerisch gibt es aber nichts zu bemängeln.

Note: 3



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