Direkt zum Hauptbereich

Kein Kinderfilm mehr: Filmkritik zu Netflix' "Enola Holmes 2"

Obwohl sie zuletzt einen großen Fall gelöst hatte, kann sich Enola Holmes (Millie Bobby Brown) noch nicht richtig als Privatdetektivin durchsetzen, da dieser doch wieder ihrem großen Bruder Sherlock (Henry Cavill) zugerechnet wurde und die starrköpfige Kundschaft sich doch ungern mit einer jungen Frau in diesem Beruf verbünden möchte. Doch dann flattert plötzlich ein Fall herein, der Enolas Aufmerksamkeit voll und ganz in Anspruch nimmt: Die Arbeiterin einer Streichholzfabrik ist verschwunden und soll durch das Talent der jungen Detektivin wiedergefunden werden. Enola recherchiert erst direkt am Arbeitsplatz der Vermissten und findet dort Hinweise für eine weiterreichende Verschwörung. Durch ihre Arbeit zieht sie jedoch auch die Aufmerksamkeit des undurchsichtigen Polizeibeamten Grail (David Thewlis) auf sich...

Ein richtig guter Film war "Enola Holmes" im Jahr 2020 zwar nicht, da der eigentliche Kriminalfall nicht spannend genug war und zudem noch von etlichen Nebenhandlungen rund um eine fade Lovestory sowie einen Geschwisterkonflikt immer wieder ausgebremst wurde. Ein Hit war der Film, sicherlich auch aufgrund der enormen Strahlkraft der Besetzung, dennoch und eine Fortsetzung deswegen schon früh beschlossene Sache. Das Sequel räumt nun mit dem größten Kritikpunkt des Vorgängers auch ordentlich auf: Wo sich die einzelnen Plots sowohl in ihrem Tonfall als auch in ihrer eigenen Dramaturgie ständig im Wege standen, so werden diese nun deutlich stimmiger verbandelt und stehen fast alle direkt im Dienste des wesentlich fokussierter geschriebenen Kriminalfalls. Dieser hält zwar, auch aufgrund einer mal wieder deutlich zu breiten Laufzeit von 130 Minuten, nicht durchgehend bei der Stange, ist aber cleverer und vertrackter erzählt und schraubt sich über die ersten, kleinen Recherchen und Hinweise bis hin zu einem starken Finale immer höher, wobei auch einige Überraschungen funktionieren.
In Sachen Stil und Tonfall bleibt man dem Vorgänger weitestgehend treu, ist aber auch mit dem Zielpublikum gewachsen. Der erste Teil war zwar auch nicht durchweg für Kinderaugen geeignet, doch richtet sich "Enola Holmes 2" nun stärker an ältere Jugendliche. Daran nicht ganz unschuldig ist ein neuer Antagonist, der in seiner Diabolik ziemlich furchterregend ist. Und spätestens während des Showdowns geht es dann auch physisch ordentlich zur Sache - gestorben und geblutet wurde schon vorher, aber hier folgt man dann sehr arg einer düsteren Spur, die jüngere Zuschauer endgültig verschrecken könnte. Das ist aber nur folgerichtig, da auch die Hauptfigur an ihren Aufgaben wachsen muss und der zentrale Fall ihr noch deutlich mehr Hirnschmalz und auch Tatkraft abverlangt. Dass dabei der Humor nicht auf der Strecke bleibt, ist dankbar, führt aber auch dazu, dass Enola selbst als Figur ein wenig ungreifbar bleibt - auf der einen Seite Mord- und Totschlag sehen und kurz darauf wieder kecke Sprüche klopfen, ohne von all den Schandtaten auch nur ansatzweise beeindruckt zu sein, passt nicht so wirklich. Das führt dazu, dass Enola auch im Sequel ein wenig unstet geschrieben bleibt und eine Bindung nicht immer leichtfällt.
An der Leistung von "Stranger Things"-Star Millie Bobby Brown gibt es dabei wenig, aber zumindest ein paar kleine Sachen auszusetzen. Brown wirft sich weiterhin mit viel Elan und Energie in die Rolle, doch etwas weniger überzogenes Grimmassieren und Gesichtsgymnastik, um den jugendlichen Humor zu untermalen, hätte es dann schon sein dürfen, wenn man den Film ohnehin erwachsener gestalten will. Der Rest des namhaften Casts macht seine Sache solide und wird bisweilen etwas mehr gefordert als im Vorgänger. Das kommt gerade "Mission Impossible"-Star Henry Cavill zu Gute, der als cleverer Sherlock ein wenig aus dem Schatten treten darf. Und auch Love Interest Louis Partridge ist diesmal nicht gänzlich charmebefreit, darf lockerer agieren und neben der Liebesgeschichte auch ein paar eigene Faustschläge austeilen. Treu geblieben ist man auch dem Inszenierungsstil, der schnelle Schnitte, einen flotten Soundtrack und das gelegentliche Durchbrechen der vierten Wand beinhaltet. All das funktionierte im Vorgänger bereits und weiß auch hier zu überzeugen. Dementsprechend kann man das Sequel, trotz eigener Schwächen, im Grunde jedem ans Herz zu legen, der bereits den Vorgänger mochte. Wer mit diesem nichts anfangen konnte, wird hier aber auch nicht bekehrt.

Fazit: "Enola Holmes" ist fokussierter, flotter und besser erzählt als der direkte Vorgänger. Mit der Laufzeit hat man es jedoch erneut etwas zu gut gemeint, was den Film immer wieder etwas zäh zerfließen lässt, obwohl Inszenierung, Cast und ein paar nette Überraschungen über diverse Längen hinwegtrösten.

Note: 3



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid