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Glaube gegen Wissenschaft: Filmkritik zu Netflix' "Das Wunder"

Im Jahr 1862 wird die englische Krankenschwester Lib Wright (Florence Pugh) in die irischen Midlands entsandt, weil sich dort ein Wunder zutragen soll, welches sie untersuchen soll: Die elfjährige Anna O'Donnell (Kila Lord Cassidy) soll seit vier Monaten ohne einen Bissen Nahrung überleben. Lib geht äußerst skeptisch an die Sache heran und rechnet mit einem Trick, weswegen sie sowohl das Mädchen als auch ihre Familie äußerst genau unter die Lupe nimmt. Zudem fällt ihr der schwankende Gesundheitszustand des Mädchens auf, welcher von bester Verfassung bis hin zu Zusammenbrüchen reicht. Lib muss rasch handeln und dabei auch ihre eigenen Entscheidungen hinterfragen - ist sie bereit, den Menschen den Glauben zu nehmen? Und wenn nicht: Kann sie einen Betrug und somit die Gefährdung eines jungen Mädchens mit sich vereinbaren?

Der Kampf zwischen Glaube und Wissenschaft zieht sich quer durch unsere Menschheitsgeschichte. Wo die einen religiöse Ereignisse oder eben "Wunder" sehen, so wollen andere diese wissenschaftlich wider- oder belegen. Dieses Thema bestimmt auch den Kernkonflikt des neuen Netflix-Dramas "Das Wunder" und greift dabei tief in die religiösen Glaubensbestimmungen mehrerer Menschen ein. Zwar kann der Film nicht alle Fragen zufriedenstellend beantworten, liefert aber genügend Steilvorlagen für interessante Denkanstöße. Und obwohl das Geheimnis rund um das elfjährige Mädchen erstaunlich früh aufgelöst wird, verliert der Film dadurch nicht an Intensität, geht es hier doch viel mehr darum, was eine solche Tat mit den Menschen um sie herum macht... und was man tun sollte, wenn es soweit ist. Wer mit einem großangelegten Mysterium rechnet, dürfte dementsprechend enttäuscht werden, allerdings finden die Macher eine konsequente Linie, wenn es darum geht, den tiefen Glauben gegen die realistische Wissenschaft ins Feld zu führen.
In grobkörnigen Bildern erschafft Regisseur Sebastian Lelio eine filmische, aufgeladene Atmosphäre, die durchaus eine gewisse Sogkraft hat. Sehr ruhig erzählt, ohne effekthascherische Wendungen oder zu stark aufgeladene Konflikte, entwickelt sich eine mystische, zu Teilen aber auch sehr menschliche Stimmung, die von den trostlosen Landschaftsaufnahmen perfekt getragen wird. Diese Atmosphäre trägt aber nur über eine gewisse Dauer, bis es letztendlich doch zu einigen Längen kommt - zwischen einzelnen, kleinen Höhepunkten dümpelt die ohnehin sehr ruhig erzählte Geschichte bisweilen etwas vor sich hin. Dies mag auch daran liegen, dass sich abseits der beiden zentralen Figuren keine echten Charaktere tummeln. Mit der Ausnahme von Lib, der zudem noch ein klar angedeutetes, aber in dieser Form auch vernachlässigbares Drama auf den Leib geschrieben wird, und Anna werden sämtliche Figuren ziemlich mau gezeichnet und bekommen nur wenig Fleisch auf den Knochen zugestanden.
Aber immerhin haben wir ja Florence Pugh, die noch immer zu den spannendsten Schauspielerinnen unserer Zeit zählt. Auf meiner relativ kurzen Liste von Filmstars, von denen ich mir ohne jedes Zögern jegliches Werk ansehen würde, steht Pugh sehr weit oben - ich könnte der jungen Frau ewig zusehen, ganz gleich ob sie in den aktuellen Marvel-Blockbustern oder in knallharten Horror-Schockern zu sehen ist. Und ihre enorme Ausstrahlung ist auch hier wieder mit dabei - Pugh trägt den Film über die gesamte Strecke und vereinnahmt diesen praktisch für sich, ohne es genau darauf anlegen zu wollen. Es ist durchaus nur eine Frage der Zeit, bis sie den Oscar entgegennehmen darf und auch wenn es für "Das Wunder" wohl kaum für eine Nominierung reichen wird: Ihre Leistung ist über jeden Zweifel erhaben. Der restliche Cast kann dabei nicht mithalten, da ihnen das Drehbuch kaum genug Stoff liefert, um sich großartig aus dem Schatten Pughs zu spielen. Besonders auffällig ist dies bei der Rolle eines Journalisten, der auf kaum nachvollziehbare Art und Weise größer in die Handlung hineingeschrieben wurde, obwohl er dabei praktisch nichts beizutragen hat. Auch für ihn gehen dabei wertvolle Minuten drauf, die man innerhalb des Plots entweder anders hätte nutzen oder auch gleich hätte streichen können.

Fazit: Atmosphärisches Drama mit einem interessanten Kernkonflikt und einer begnadeten Hauptdarstellerin, welches aber auch zu oft unnötige Abzweigungen nimmt und dabei auf den Nebenschauplätzen zu wenig echte Substanz bietet.

Note: 3



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