Direkt zum Hauptbereich

Technisch ein ziemlicher Murks: Filmkritik zu "Hinterland" (2021)

Der Erste Weltkrieg ist vorbei und nach mehrjähriger Kriegsgefangenschaft kehrt der ehemalige Kriminalbeamte Peter Perg (Murathan Muslu) in seine Heimat Wien zurück. Kurz nach seiner Rückkehr beginnt dort eine merkwürdige Mordserie - mehrere Opfer werden grausam zerstückelt aufgefunden und eine bestimmte Zahl scheint bei den Taten eine wichtige Rolle zu spielen. Obwohl der Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben) Perg aufgrund einiger Hinweise auf die Liste der Verdächtigen setzt, wird der Kriminalbeamte auf den Fall angesetzt... nicht zuletzt auf Empfehlung seiner Kollegin, der Gerichtsmedizinerin Dr. Theresa Körner (Liv Lisa Fries), die voll und ganz auf Pergs Methoden vertraut. Schon bald muss Perg jedoch feststellen, dass die Morde tatsächlich etwas mit ihm selbst zu tun haben.

"Anatomie"-Regisseur Stefan Ruzowitzky verfilmte sein Werk "Hinterland" als für deutsche Verhältnisse bis dato recht einzigartiges Experiment: Sämtliche Szenen wurden vollständig vor Bluescreens gedreht, sodass alle Hintergründe vollkommen digital sind. An diesen Look muss man sich erst einmal gewöhnen und tatsächlich gelang es mir bis zum Ende des Films nicht, die teils gewollte Künstlichkeit der Bilder wirklich anzuerkennen. Technisch sieht das Ganze nämlich nicht immer schön aus - die Hintergründe wirken öfters merkwürdig steril und clean und immer wieder kann man deutlich erkennen, dass menschliche Figuren eher schlecht als recht in die digitalen Bilder eingefügt wurden. Besonders schwierig wird es, wenn sich die Schauspieler eigentlich in Innenräumen bewegen sollten und die ohnehin krummen Blickwinkel dabei dafür sorgen, dass hier kaum etwas echt aussieht.
Der Look erzeugt durch seine düsteren und unwirklichen Bilder aber dennoch eine gewisse Atmosphäre, die irgendwo zwischen "From Hell" und "Sweeney Todd" geistert, die mich aber auch nicht über die komplette Laufzeit in den Bann ziehen konnte. Der Thriller-Plot wird einigermaßen spannend erzählt, allerdings werden auch zu viele Nebenschauplätze abgegrast, welche das Tempo immer wieder arg bremsen. Auch die Auflösung des Falles in einem relativ wirren Finale ist eher enttäuschend denn wirklich erhellend geraten. Besser agiert "Hinterland" immer dann, wenn er die Heimkehr seiner Hauptfigur thematisiert und dabei die Schwierigkeiten ins Wiedereingliedern in das Leben, die psychische Belastung des Krieges und der Kriegsgefangenschaft sowie die Entfremdung von der Familie aufzeigt. Das ist zwar alles nicht wirklich neu, wird von Ruzowitzky aber intensiv erzählt. Auch die Stimmung eines Wien nach dem Krieg ist erstaunlich authentisch eingefangen worden, obwohl die künstlichen Bilder in einem argen Kontrast zu dieser historischen Finesse stehen.
Unter den Schauspielern gibt Hauptdarsteller Murathan Muslu eine sehr überzeugende Leistung ab, die immer dann noch einmal ordentlich Zunder gibt, wenn er sich mit persönlichen Problemen auseinandersetzen muss. Die restlichen Figuren haben indes deutlich weniger Feuer - so wird die Bedeutung der Gerichtsmedizinerin Dr. Theresa Kröner, solide gespielt von der aus dem Netflix-Original "München - Im Angesicht des Krieges" bekannten Liv Lisa Fries, nur angedeutet und der Charakter im Laufe des Films beinahe vergessen. Etwas interessanter, da direkt in einen moralischen Konflikt integriert, darf sich "Lindenberg!"-Star Max von der Groeben aus der Affäre ziehen, dessen zurückgenommenes Spiel durchaus etwas für sich hat. Doch auch der solide Cast kann aus den etwas zusammengezimmerten und technisch unzulänglichen Bildern nicht genug Leben herausholen. Der Plot bleibt fahrig und unkonzentriert und löst seine zuvor ausgestreuten Mysterien nur teilweise ein, weswegen irgendwann deutlich mehr Langeweile als Spannung herrscht.

Fazit: Die Geschichte hat Potenzial, grast allerdings zu viele Nebenschauplätze ab und beraubt sich so ihres Tempos. Die arg künstlichen und nur selten überzeugenden Bilder erschaffen eine gewisse Atmosphäre, die jedoch nicht über etliche Längen hinwegtrösten kann.

Note: 4



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid