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Stilsicher und dennoch überfrachtet: Filmkritik zu Jordan Peele's "Nope"

Die beiden Geschwister Emerald (Keke Palmer) und OJ Haywood (Daniel Kaluuya) leiten im kalifornischen Santa Clarita Valley eine Pferderanch, welche die Tiere vor allem für Filmaufnahmen verleiht und aufzieht. Eines Tages werden sie auf ihrer Ranch Zeuge eines seltsamen Ereignisses, bei welchem nicht nur der Strom wegbleibt, sondern OJ sogar eine seltsame Silhouette am Nachthimmel beobachten kann. Insbesondere Emerald glaubt sogleich an eine außerirdische Lebensform und möchte diese anschließend auf Film festhalten - von den Fotos erhofft sie sich eine Finanzspritze, welche die Geschwister dringend benötigen. Auf ihrer Mission werden sie letztendlich eher zufällig als wirklich freiwillig von dem Technikexperten Angel Torres (Brandon Perea) unterstützt...

"Nope" enthält im Grunde alles, was Fans von Jordan Peele's bisherigen Arbeiten an diesen lieben und dennoch ist es ein ganz anderer Film als die vorangegangenen "Get Out" und "Wir". Man findet Peele's eigensinnigen, sehr gut durchdachten Inszenierungsstil ebenso wie sympathische Charaktere, clevere Seitenhiebe, feinsinnigen Humor und ein angsteinflößendes, recht originelles Mysterium. Obendrauf gibt Peele aber noch eine ganze Prise Spielberg-Magie obendrauf - sein "Nope" ist letztendlich eine ziemlich krude, als solche aber auch packende Mischung aus dessen Meisterwerken "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "Der weiße Hai". Als eine solche Mixtur aus Science-Fiction und Horror weiß "Nope" vor allem in der ersten Hälfte zu überzeugen, wenn er seinen nur schemenhaft gezeigten Schrecken leise und beinahe unsichtbar toben lässt. Die aufgeworfenen Fragen, was hier nun eigentlich die Bedrohung ist, woher es kommt und was es will, sorgen neben einigen hochspannenden Einzelmomenten und einigen scharfsinnigen Charakterszenen für ordentliche Schauerstimmung.
Problematisch ist jedoch, dass diese Fragen nur solange spannend sind, wie sie Relevanz haben. Denn im Gegensatz zu "Wir", wo Peele all seine Mysterien fast schon zu erschöpfend auserklärte, spart er sich solcherlei Antworten gleich völlig und setzt stattdessen auf filmische Symbolkraft. "Nope" lässt sich dabei in mehrere, interessante Richtungen lesen: So funktioniert er als Kritik auf die gesellschaftliche Schaulust ebenso wie als Abrechnung mit der Arbeit von Tieren. Problematisch wird es jedoch, wenn Peele jeder dieser potenziellen Lesarten gleich noch einen eigenen Handlungsstrang mit auf den Weg gibt, um diese deutlich zu unterstreichen. Zahlreiche Nebenplots laufen weitestgehend losgelöst nebenher und wirken so zwar symbolisch, plustern den im Kern eher simplen Plot aber doch sehr arg auf. Denn was sich letztendlich hinter den Mysterien verbirgt, lässt sich zwar unkonventionell lesen, ist aber eben doch nur eine ziemliche Luftblase. Das sorgt besonders während eines visuell zwar enorm spektakulären, letztendlich aber doch etwas zu einseitigen Showdowns dafür, dass viele der zuvor ausgelegten Fährten etwas zwecklos verpuffen.
Solcherlei visuelle Kraft sehen wir in "Nope" dafür durchweg, da der Film aufgrund seiner brillanten Kameraarbeit, seines starken Sounddesigns und seiner kreativen Spezialeffekte wirklich erstaunlich aussieht. Auch der durchweg sympathische Cast sorgt dafür, dass einem zumindest solange nicht langweilig wird, wie man noch an den Mysterien zu knabbern hat, doch auch hier wackelt das Kartenhaus immer bedrohlicher, je näher man dem Ende kommt. Vieles stellt sich am Ende eben doch "nur" als aufgeplustertes Synonym heraus, welches auf dem Papier clever durchdacht ist, innerhalb seiner eigenen Dramaturgie aber jede Menge Fallstricke und gar erhebliche Logiklöcher aufweist. So ist nach dem Ende fragwürdig, ob man der Nebenfigur des von "The Walking Dead"-Star Steven Yeun gespielten Ex-Kinderstars wirklich noch einen solch enormen Background verpassen musste... auch wenn dessen Geschichte wirklich faszinierend erzählt ist. Letztendlich schleift "Nope" viel zu viel Last mit sich herum, der er am Ende nicht wirklich gerecht werden kann - dafür ist er zu tonal zu unentschlossen. Jordan Peele wollte diesmal sehr weit hinaus, doch dieses Spektakel hat vielleicht sein Sci-Fi-Vermögen überschritten und wirkt in seiner Ausweichhaltung beinahe ein wenig faul. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass man zuvor sehr spannende und teils auch leichtfüßig-originelle Unterhaltung erlebt hat, die ihre ganz eigene Atmosphäre transportiert und dabei auch noch Stoff zum Nachdenken bietet.

Fazit: "Nope" lädt sich einen riesigen Rucksack voller spannender Mysterien und Geheimnisse auf, löst davon aber zu wenig ein. Trotz eines starken Casts und visuell einfallsreicher Bilder bleibt dieser Sci-Fi-Horror in seinem Bemühen um Symbolkraft oft zu simpel und steht sich in seiner ausladenden und letztendlich luftblasen-artigen Erzählweise selbst im Weg.

Note: 3-



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